Gastbeitrag von Stefanie Jarantowski

Gründerinnen, bitte verabschiedet euch vom Spiegel!

Gründerin zu sein ist für viele Frauen eine schicke Sache. Fühlt sich Frau bei Empfängen oder Treffen mit Freunden richtig gut angesehen. Doch diese Äußerlichkeit hat nichts mit der Realität von Mitarbeiterführung, Kundenakquise und Drecksarbeit zu tun, die jede Gründerin leisten muss.
Gründerinnen, bitte verabschiedet euch vom Spiegel!
Mittwoch, 13. August 2014VonTeam

Drei Jahre Start-up-CEO hießen für mich drei Jahre mit der unglaublichsten und größten Achterbahn der Welt zu fahren. Gestartet mit dem Plan schicke, reiche Business Frau zu werden und nebenbei die Welt zu retten, nahm die Fahrt nach unten auf den Boden des Alltags seinen Lauf. Man hat die beste Produktidee, akquiriert potenzielle Kunden und Nutzer für den geplanten Online-Marktplatz mit schicken Slides und tollen Versprechungen – und dann stellen sich (größere und kleinere) Bugs und zeitliche Verzögerungen bei der Entwicklung als Realität in den Weg – um nur die ersten Hürden zu nennen. Wenn das Geld knapper wird, man mit Mitarbeitern von zu Haus arbeitet statt im schicken Büro-Loft sitzt und Nudeln sehr oft auf dem Speiseplan stehen, lernt man zu überleben.

Aus meiner Überlebensstrategie habe ich fünf wichtige und praktische Tipps für Gründerinnen rausgezogen:

1. Verabschiedet euch vom Spiegel
Start-up Gründerin und CEO zu sein ist für viele Frauen eine schicke Sache. Fühlt sich Frau bei Empfängen oder Treffen mit Freunden und Familie richtig gut angesehen. Doch diese Äußerlichkeit hat nichts mit der Realität von Mitarbeiterführung, Kundenakquise und Drecksarbeit zu tun, die jede Gründerin leisten muss. Um der Gefahr des schicken Gründertums zu entgehen, habe ich mich von meinem Wand-Spiegel verabschiedet. Getreu dem Motto ‚Machen statt Quatschen’ verbringt Frau so weniger Zeit damit sich Gedanken um ihr Aussehen zu machen, was sie heute anzieht und vor allem, was andere darüber denken könnten. Diese Zeit, die Frau sonst täglich vor dem Spiegel verbringt, kann sie in ihr Start-up oder ihre Gründungsidee investieren. Bei einem Online-Business heißt das konkret mit einem Blog, einer einfachen WordPress Webseite anfangen, auf Kunden zugehen und lernen, was ihr Problem ist und was sie wirklich wollen. Dazu braucht es kein Budget und keinen Entwickler.

2. Fragt Experten und bittet um Hilfe
Wir Frauen machen alles gerne selbst und wollen anderen keine Umstände machen. Wenn es ums Business geht, ist das totaler Quatsch. Um erfolgreich zu sein, hilft es andere nach dem zu fragen was euch fehlt. Ob es sich um etwas Handfestes wie eine Kamera handelt oder um den Rat eines Finanzexperten – sucht nach Personen, die euch weiterhelfen könnten, fragt im Freundeskreis nach oder recherchiert bei Netzwerken wie Xing. Der schlimmste Fall ist ein nein oder keine Antwort. Im besten Fall erhaltet ihr das fehlende Puzzle Stück, um weiter voran zu kommen.

3. Verkauft euch nicht unter Wert
Auch wenn es reizvoll scheint die ersten Kunden mit Niedrig-Preisen zu ködern, startet euren Service oder Dienstleistung nicht mit zu niedrigen Preisen (und denkt auch daran, dass ihr von etwas leben müsst). Die Billig-Schiene bringt nichts, wenn ihr ein halbes Jahr später die Preise erhöhen müsst. Das führt in der Regel zu größerem Kundenfrust. Bei meinem Start-up eventsofa habe ich die Preiserhöhung des Einsteigerpakets so geregelt, dass sie nur für Neukunden bzw. Neubuchungen gilt. Für bestehende Kunden ändert sich preislich nichts – als Dankeschön an die Early Adopters.

4. Mit Fokus, Fokus, Fokus zum Erfolg
Es scheint der einfachste Rat der Welt zu sein und doch ist es so schwierig ihn umzusetzen: Fokussiert an seiner Zielerreichung zu arbeiten. Als Einzelgründerin oder mit einem kleinen Team sind die Ressourcen und Kapazitäten mehr als begrenzt. Demgegenüber stehen die fast unbegrenzten Ideen und Themen, von neuen Features über Akquise Pläne bis zu öffentlichkeitswirksamen Guerilla Maßnahmen. Hier besteht die wichtigste und größte Herausforderung in der Fokussierung. Klare und messbare Zielformulierungen – ideal halbjährlich – geleiten euch durch stürmische und wechselhafte Monate bis hin zur hoffentlich erfolgreichen Zieleinfahrt. Da ich die Ziele stets am Whiteboard vor Augen habe, war bei jedem neuen Thema, das aufkam oder von außen an mich heran getragen wurde, klar, ob wir das machen oder nicht. Mit der Zeit geht das so ins Unterbewusste über, dass ihr aufhorcht, wenn es um Maßnahmen und Ideen zur Zielerreichung geht. Das Gehirn weiß klar wo es hingeht und ihr profitiert von zielgenauen Lichtblitzen und Einfällen. Einfach und genial.

5. Durchhaltevermögen durch Meditation
An alle Control-Freaks und Perfektionistinnen unter den Gründerinnen: Verabschiedet euch von der Illusion alles im Griff zu haben. Ihr habt es nicht. Unmöglich. Um das zu lernen, fangt an zu meditieren. Nur wer abschalten kann und regelmäßig auftankt, kann Durchhalten. Und auf das Durchhaltevermögen kommt es beim Überleben eures Start-ups immer an. Nach drei Jahren Achterbahnfahrt, Arbeiten zu Haus und in der Bibliothek, vielem Ausprobieren sehe ich jetzt wie die viele Arbeit fruchtet. Wie Dinge wirklich funktionieren. Bei meinem Start-up, das sich speziell um einen Marktplatz handelt, hätte ich nach drei Monaten nie das erreichen können was ich jetzt erreicht habe. Klar, mit viel mehr Geld hätte ich einiges schneller geschafft, aber nicht alles. Lernen braucht Zeit. Im hoch gehypten Gründerleben besteht der Alltag einfach aus harter Arbeit. Und es gibt immer wieder Punkte wo es vermeintlich einfacher wäre aufzuhören. Doch das Dranbleiben und Weitermachen lohnt sich und zahlt sich aus.

Mein Tipp für eine Meditation, mit der man richtig gut abschalten kann, ist die Kundalini Meditation von Osho: 15 min Schütteln, 15 min Tanzen, 15 min Wahrnehmen und 15 min still liegen. Es gibt dazu extra getimte Musik.

Das waren die besten Ratschläge, die ich mir selbst geben konnte. Die Fakten sprechen für sich: Mein eigenfinanziertes Start-up eventsofa wächst und gedeiht. Und in Sachen Work-Life-Balance ist auch alles schick.

Gründerinnen im Porträt: Miriam Wohlfarth (RatePay), Corinna Powalla (Modomoto), Yvonne Tesch (maryme), Stephanie Richter (Adspert), Günes Seyfarth (Mamikreisel), Victoria Chirita (DeinDesign), Sabrina Schönborn (SugarShape), Anne-Aymone Ferreira (advertory), Anna Alex (Outfittery), Regine Harr (nelou), Sabine Beck (Amoonic), Renata DePauli (Herrenausstatter.de), Claudia Helming (DaWanda), Berit Müller (modeopfer110), Daria Saharova (Bellegs), Kerstin Schilling (Andasa).

Passend zum Thema: “7 Tipps für erfolgreiche Frauen in der zukünftigen Arbeitswelt” und “Tipps, wie sich Frauen in sozialen Netzwerken noch besser präsentieren“.

Zur Person
Stefanie Jarantowski ist Gründerin und CEO von eventsofa, dem Online-Marktplatz für Event Locations. Auf www.eventsofa.de finden Eventveranstalter über 7.000 Veranstaltungsorte in Deutschland, die geschäftlich oder privat gebucht werden können. Sie ist davon überzeugt, dass bei Frauen ein großes ungenutztes Gründungspotenzial liegt, dass die deutsche Start-up Szene bereichern würde.

Foto: real young woman looking in a mirror from Shutterstock