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7 millionenschwere Insolvenzen, die jeder mitbekommen haben sollte

Eine Insolvenzwelle geht durchs Land. In den ersten Wochen des neuen Jahres schlitterten bereits einige millionenfinanzierte und bekannte Startups in die Insolvenz. Geplante Finanzierungsrunden platzen am laufenden Band, oft auch an zuvor viel zu hohen Bewertungen. 
7 millionenschwere Insolvenzen, die jeder mitbekommen haben sollte
Montag, 13. Februar 2023VonAlexander Hüsing

Das neue Jahr ist noch keine 50 Tage alt, zeigt sich aber in Bezug auf schlechte Nachrichten bereits von seiner ganz üblen Art. In den vergangenen Wochen schlitterten bereits einige millionenfinanzierte und bekannte Startups in die Insolvenz. Die Gründe dafür sind vielfältig und bekannt: Das Geld der vielen heimischen und ausländischen Investor:innen und Investoren sitzt nicht mehr so locker wie in den vergangenen Jahren. Geplante Finanzierungsrunden platzen am laufenden Band, oft auch an zuvor viel zu hohen Bewertungen.

Selbst erfolgreiche Seriengründer wie Paul Schwarzenholz können sich der schlechten Marktlage nicht entziehen. Mit einer Insolvenz von zenloop hätte vor wenigen Monaten kaum jemand gerechnet. signals Venture Capital, Nauta Capital und Piton Capital investierten zuletzt 6,1 Millionen Euro in das Unternehmen. Insgesamt flossen schon mehr als 12 Millionen Euro in zenloop. Zuletzt wähnte sich das zenloop-Team auf dem Weg in die Profitabilität (bis April). Dann platzte ein geplantes Wandeldarlehen.

Und auch mit der Pleite von Fraugster hätte zuletzt kaum jemand gerechnet. Immerhin ist eine Anti-Fraud-Software ein absolutes Trendthema. CommerzVentures, Munich Re/HSB Ventures, Earlybird, Speedinvest, Seedcamp und Rancilio Cube investierten in den vergangenen Jahren rund 20 Millionen Euro in das Unternehmen. Das Aus kam kurz vor dem Ziel, “da eine nötige Finanzierungsrunde im Rahmen eines M&A-Prozesses nicht finalisiert werden konnte”.

Zu guter Letzt erwischte es kürzlich auch Yababa, einen Lieferservice für orientalische Lebensmittel. Creandum, Project A Ventures und FoodLabs investierten in den vergangenen Monaten und somit in der Hochphase des E-Commerce-Hypes beachtliche 15,5 Millionen US-Dollar in Yababa. Zuletzt war aber auch schon vom deutlichen Gegenwind für Yababa zu hören. Das Segment ist aber auch nicht leicht! Vor Yababa scheitertete in der leckeren Ethno-Nische bereits das junge Unternehmen GetHalal.

Bleibt zu hoffen, dass die Insolvenzen nicht das Ende für die betroffenen Unternehmen bedeutet. Schon oft genug gelang gescheiterten Startups in den vergangenen Jahren nach der Insolvenz ein Neustart. Die Liste der Investor:innen, die an den Pleiten-Startups beteiligt ist, zeigt aber auch, dass selbst Venture Capitalisten (etwa Earlybird, Speedinvest, Creandum und Project A) mit tiefen Taschen derzeit kein sicherer Hafen sind. Alle müssen ihr Geld jetzt wieder ganz gezielt ausgeben.

7 Insolvenzen, die jeder mitbekommen haben sollte

Fraugster
Das Berliner Startup Fraugster, eine Anti-Fraud-Software mit Echtzeit-Big-Data-Lösung, ist insolvent. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt Sebastian Laboga bestellt. Bekannte und solvente Investoren wie CommerzVentures, Munich Re/HSB Ventures, Earlybird, Speedinvest, Seedcamp und Rancilio Cube investierten in den vergangenen Jahren rund 20 Millionen Euro in das Unternehmen, das 2014 von Max Laemmle und Chen Zamir gegründet wurde. Im Sommer 2022 hatten wir zuletzt über Fraugster berichtet, damals war das Unternehmen auf der Suche nach neuem Kapital. Im Grunde soll Fraugster zuletzt gut unterwegs gewesen sein – hieß es zumindest. 2021 erwirtschaftete das Unternehmen einen Jahresfehlbetrag in Höhe von 6,2 Millionen Euro (Vorjahr: 5,6 Millionen). Insgesamt kostete der Aufbau bis Ende 2021 rund 11,7 Millionen. Mehr über Fraugster

Yababa
Das Berliner Startup Yababa, ein Lieferservice für orientalische Lebensmittel, ist insolvent. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt Niklas Lütcke bestellt. Das Startup aus, 2021 von Ralph Hage, Hadi Zaklouta, Javier Gimenez und Kamel Semakieh gegründet, positioniert sich als Lieferservice für orientalische Lebensmittel. Creandum, Project A Ventures und FoodLabs investierten in den vergangenen Monaten und somit in der Hochphase des E-Commerce-Hypes beachtliche 15,5 Millionen US-Dollar in Yababa. Derzeit ist das Unternehmen in rund 40 deutschen Städten aktiv. Zuletzt war aber auch schon vom deutlichen Gegenwind für Yababa zu hören. Vor Yababa scheitertete in der leckeren Ethno-Nische bereits das junge Unternehmen GetHalal. Mehr über Yababa

zenloop
Das Berliner Startup zenloop, eine SaaS-Lösung für Feedbackmanagement, ist insolvent. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt Torsten Martini bestellt. Das 2016 von den Flaconi-Gründern Paul Schwarzenholz und Björn Kolbmüller gegründete Unternehmen, erwirtschaftete 2021 einen Jahresfehlbetrag in Höhe von rund 3,8 Millionen Euro. Insgesamt kostete der Aufbau der Jungfirma bis Ende 2021 rund 11,3 Millionen. signals Venture Capital, Nauta Capital und Piton Capital investierten zuletzt  – im Sommer 2020 – 6,1 Millionen Euro in zenloop. Insgesamt flossen schon mehr als 12 Millionen Euro in das Unternehmen. Zuletzt wähnte sich das zenloop-Team auf dem Weg in die Profitabilität (bis April). Zuvor trennte sich das Unternehmen aufgrund von sinkenden Umsätzen von 60 seiner 80 Mitarbeiter:innen. Mehr über zenloop

Deutsche Fensterbau
Das Berliner Handwerker-Startup Deutsche Fensterbau, früher als Ventoro bekannt, ist insolvent. Hinter dem Unternehmen, 2014 von Ivo Vorrath und Edward Postnikov gegründet, verbirgt sich eine Plattform rund um das Thema “Fenster und Türen inklusive Beratung und Montage”. Dabei setzte das Team von der Beratung, über die Demontage bis hin zur Entsorgung der alten Fenster und Montage der neuen Fenster auf ein “Rundum-Sorglos-Paket für private Endkunden”. Investoren wie Turi Holding (Daniel Arnold), RI Digital Ventures, Vito One und STS Ventures unterstützen das Unternehmen in den vergangenen Jahren finanziell. Bis Ende 2019 flossen rund 8 Millionen in Deutsche Fensterbau. Bis dahin kostete der Aufbau der Jungfirma aber auch schon 9,6 Millionen. Mehr über Deutsche Fensterbau

WunderAgent
Das Berliner Startup WunderAgent ist insolvent. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt Joachim Voigt-Salus bestellt. Das Startup, 2014 von Matti Biskup und Andre Torkler gegründet, möchte “Kunden die Immobilie als Anlageform näher bringen”. Anfangs wollte das Unternehmen noch Vermieter dabei unterstützen, ihre Wunschmieter mit Hilfe strukturierter Prozesse zu finden. Daneben kümmert sich das Unternehmen über eine Tochterfirma auch um die Verwaltung von Immobilien. Zu den Investoren von WunderAgent gehörten in der Vergangenheit Picus Capital, Global Funders Capital (GFC) und SumUp-Macher Daniel Klein. 2021 erzielte das Unternehmen einen Gewinn in Höhe von 150.225 Euro. Wenn die Sanierung über die Insolvenz mit einem neuen Geldgeber gelingt, möchte das Team den Schwerpunkt auf die Verwaltung von Immobilien legen. Mehr über WunderAgent

Avocargo
Das millionenschwere Lastenrad-Startup Avocargo schlittert nach einer geplatzten Finanzierungsrunde in die Insolvenz – siehe auch Gründerszene. Auch urbane Hype-Themen haben es somit derzeit schwer! Das Unternehmen, 2021 von Matti Schurr, Marc Shakory-Tabrizi und Loic Pinel gegründet, setzt auf E-Cargobike-Sharing und zuletzt auch auf E-Lastenräder im Monatsabo. Der Slogan dabei lautet: “Buch´ dir lieber ein Avocargo-Bike und bring´ deine Kinder dank der Sitzgurte ebenso sicher zur Kita und zum Spielplatz”. EIT InnoEnergy, das Unternehmen Exxeta, WestTech Ventures und Starthub Ventures sowie mehrere Business Angels investierten zuletzt eine siebenstellige Summe in Avocargo. 17 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten derzeit für Avocargo. Mehr über Avocargo

Naughty Nuts
Das Kölner Nussmus-Startup Naughty Nuts, das 2020 von Benjamin Porten und Lorenz Greiner gegründet wurde, ist insolvent. Bekannte Food-Investoren wie FoodLabs, Bitburger Ventures, Döhler Ventures und Business Angels wie Ole Strohschnieder, Béla Seebach (Just Spices) und Philip Kahnis (Hafervoll, Polly) investieren zuletzt eine siebenstellige Summe in Naughty Nuts. Döhler Ventures hielt zuletzt 19,1 % am Unternehmen. Bitburger Ventures und FoodLabs jeweils 17.1 %. Mehr über Naughty Nuts

TippÜber 45 Startups, die 2022 leider gescheitert sind

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Foto (oben): Shutterstock

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.