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Die Pferde App: Ein vorschnelles Nischen-Urteil

Als Gründerinnen bekamen Christina Terbille und Sarah Wendlandt eine Menge Lob von den Löwen, doch viele stiegen aus, weil sie mit dem Thema bzw. der Branche nicht viel anfangen konnten. Auch Carsten Maschmeyer begründete sein „Ich bin raus“ in dieser Weise... zunächst.
Die Pferde App: Ein vorschnelles Nischen-Urteil
Donnerstag, 17. Oktober 2019VonRuth Cremer

Spannend war nicht nur der Pitch selbst, in dem Ralf Dümmel lernte, wie komplex und stressig es oft im Pferdestall zugeht. Doch viele Zuschauer haben sich wohl auch hier schon gedacht, was kurze Zeit später bei den Fragen der Löwen schon durchschien: Pferdesport und insbesondere Dienstleistungen für Pferdeställe sind eine Nische, die für Investoren doch ein wenig klein zu sein scheint. Eine App, die die Abläufe in Ställen digitalisiert und damit vereinfacht, scheint also nicht das riesig skalierbare Geschäftsmodell zu sein.

Doch die Gründerinnen erwiesen sich nicht nur als exzellent vorbereitet, sondern auch kämpferisch: Die Begründung jedes Ausstiegs wurde aufgenommen und argumentiert, oft sogar überzeugend widerlegt. Der milliardenschwere Pferdemarkt mag natürlich Dinge wie z.B. Futter mit einschließen, an denen Die Pferde App schwerlich mitverdienen kann, allerdings lässt ein solches App-Konzept, dass in einer weiteren Stufe auch die Pferdebesitzer mit einbindet, unzählige Möglichkeiten auch zur Anbindung von Dienstleistern und Lieferanten von insbesondere Verbrauchsgütern jeglicher Art rund ums Pferd. Normalerweise ist es relativ schwierig, viele verschiedene Parteien auf einer Plattform zu vereinen, doch Die Pferde App hat eine Besonderheit: jeder Stall ist eine kleine Welt für sich selbst, und durch die so schon starke Bindung zwischen Pferdebesitzern und Stall – wichtige Besonderheiten bei Futter, Bewegung etc. müssen schließlich sowieso kommuniziert werden – gibt es in diesen kleinen, größtenteils abgeschlossenen Nutzerwelten kein Henne-Ei-Problem. Jeder angeschlossenen Dienstleister könnte dann direkt eine zusätzliche Einnahmequelle bedeuten, muss aber insgesamt nicht an einen Stall gebunden sein, so dass Netzwerkeffekte trotz dieser „Einzelwelten“ durchaus genutzt werden können – eine spannende Kombination also innerhalb dieses Geschäftsmodells.

Doch die Löwen sind nicht die ersten, die von diesem starken Gründerteam beeindruckt waren: schon in ihren frühesten Anfängen als Teilnehmerin des Corporate Innovation Programms UQBATE der deutschen Telekom fiel Christina mit ihrer Leidenschaft für das Thema, aber auch ihrer unglaublich schnellen Entwicklung als Unternehmerin auf. Als sie mit Sarah dann eine Mitgründerin fand und das Team zusammenwuchs, war wohl der Grundstein gelegt, um noch viel mehr Menschen und schließlich auch die Löwen zu beeindrucken.

Die endgültige Wende schaffte dann aber die Aussicht, die App noch auf andere Branchen auszuweiten. Denn die Gründerinnen legten dar, dass sie ein grundsätzliches Prinzip der Arbeitsplanung lösen: Mitarbeiter, die bereits bei der Arbeit sind, müssen auf Grund sich ändernder Umstände anders eingeplant werden und sofort reagieren können. In Pferdeställen können Pferde krank werden, anderes Futter oder andere Bewegung benötigen – bei der Alten- und Krankenpflege können Krankheiten andere Behandlungen und Ernährungsvorschriften nach sich ziehen, in Hotels könnte es durch neue Anforderungen der Gäste plötzlich notwendig sein, Zimmer anders vorzubereiten. Das Prinzip ist immer das gleiche, und genau aus diesem Grund ist die einfache Übertragbarkeit, die die Gründerinnen argumentiert haben, durchaus glaubwürdig.

Dies ist natürlich nicht selbstverständlich für Software, denn in vielerlei Hinsicht muss ein solches Tool, dass bestimmte Abläufe digitalisiert, auf die Eigenheiten und Besonderheiten einer Branche so stark eingestellt werden, dass eine Übertragung auf eine weitere Branche kaum möglich ist und praktisch einer Neuentwicklung gleicht. 

Doch wenn das Grundprinzip identisch ist und sich größtenteils nur die Inhalte ändern, kann eine gut aufgebaute und dokumentierte Software durchaus auch auf völlig andere Branchen übertragen werden.

Dies konnte sich schließlich auch Carsten Maschmeyer vorstellen – für ihn der Auslöser, doch ein Angebot zu machen, denn die Gründerinnen hatten ihn praktisch von Anfang an begeistert.

Man darf also gespannt sein, ob es nach der Pferde App noch eine Hotel App, Pflege App oder andere Branchenlösungen geben wird. Die betreffenden Mitarbeiter wünschen sich eine Vereinfachung ihrer Arbeit bestimmt mindestens so dringend wie Ralf Dümmel während seiner Arbeit an der Stalltafel.

Lesetipp: “Die Höhle der Löwen” – Deals (2018), “Die Höhle der Löwen – Deals (2017)“, Die Höhle der Löwen – Deals (2016)“, “Die Höhle der Löwen – Deals (2015)“, “Die Höhle der Löwen – Deals (2014)“. Für mehr Spaß vor der Glotze am besten unser “‘Die Höhle der Löwen’– Bullshit-Bingo” herunterladen.

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Foto (oben):  TVNOW / Bernd-Michael Maurer

 

Ruth Cremer

Ruth Cremer ist Mathematikerin und als Beraterin, Coach und Speaker tätig. Außerdem ist sie Hochschuldozentin im Bereich Unternehmertum und eCommerce. Die ehemalige Investment-Managerin kennt die Szene in- und auswendig und hilft Startups insbesondere dabei, Pitches vorzubereiten und Investment- sowie Akquisitionsprozesse zu meistern. Ruth Cremer ist bereits seit der fünften Staffel als externe Beraterin für das Format „Die Höhle der Löwen“ tätig und unterstützt die Auswahl und Vorbereitung der Kandidaten. Mehr zu ihr auch unter www.ruthcremer.de.