Endstation Sehnsucht

Von der Sehnsucht nach dem nächsten Reise-Megaexit

E-Commerce ist für viele Alltag. Auch Flug- und Fahrtickets kaufen viele seit Jahren online. Private Urlaubsreisen werden häufig aber noch offline gebucht. Kein Wunder also, dass rund ums Thema Reise derzeit reichlich los ist: Der Markt ist groß. Und vielleicht winkt ein Millionenexit wie bei trivago.
Von der Sehnsucht nach dem nächsten Reise-Megaexit
Montag, 3. Februar 2014VonAlexander Hüsing

Fast die komplette deutsche-Gründer und Investorenszene scheint im Reisefieber. In den vergangenen Monaten häuften sich die Investitionen und Übernahmen im Reiseumfeld. Schon länger setzt beispielsweise ProSiebenSat.1 gezielt auf das Reisesegment und stemmte in den vergangenen Monaten gleich mehrere reiselustige Übernahmen. Zuletzt übernahm die TV-Sendergruppe etwa die bekannten Reiseplattformen weg.de und ferien.de. Zuvor schluckte das Unternehmen bereits mydays, billiger-mietwagen.de und tropo. Die Strategie dabei ist simpel: Christian Wegner, Digital-Vorstand von ProSiebenSat.1, erklärt das Reisefieber des Unternehmens wie folgt: “Der Internet-Reisemarkt ist einer der größten E-Commerce-Märkte und profitiert enorm von TV-Werbung”.

Für andere Gründer und Investoren, die auf das Segment setzen dürfte zunächst einmal der Reisemarkt als “einer der größten E-Commerce-Märkte” besonders interessant sein. Was aber viel wichtiger ist, es gibt in diesem Segment noch viel Luft nach oben. “Einkaufen im Internet ist längst alltäglich geworden – fast jeder Internet-Nutzer hat bereits schon einmal etwas online gekauft. Auch Reiseprodukte finden sich in den Top-Listen online gekaufter Produkte. Dies gilt jedoch insbesondere für Flug- und Fahrtickets”, berichtet etwa Fittkau & Maaß Consulting. Private Urlaubsreisen werden demnach häufig noch offline gebucht. Hinzu kommt, dass der Exit von trivago an Expedia für viel Euphorie gesorgt hat – so einen Erfolg, bei dem Expedia für 61,6 % der trivago-Anteile stolze 477 Millionen Euro zahlte, wollen andere gerne wiederholen.

Touren, Ausflüge und Attraktionen

Allen voran offenbar Johannes Reck, Chef von GetYourGuide, einer Buchungsplattform für Touren, Ausflüge und Attraktionen. Gerade erst flossen weitere 4,5 Millionen Dollar in das Start-up, das vor rund einem Jahr bereits satte 14 Millionen Dollar einsackte. GetYourGuide ist somit auf dem Sprung, ein globales Reise-Unternehmen aufzubauen. Helfen sollen dabei unter anderem Kees Koolen, der frühere Chef von Booking.com, und Fritz Demopoulos, der Gründer von Qunar.com (Chinas größter Reise-Suchmaschine). Ebenfalls bereits mit ““mehrere Millionen Euro” ausgestattet ist die Berliner Reisesuchmaschine GoEuro. Über GoEuro können Onliner Reisen buchen und dabei alle Transportmittel egal ob Flugzeug, Zug, Bus oder Auto einbeziehen. Und auch Mittbewerber fromAtoB sammelte gerade erste eine siebenstellige Summe ein. fromAtoB positioniert sich als “Suchmaschine die alle Verkehrsmittel, wie Bahn, Flugzeug, Fernbus, PKW, Mitfahrgelegenheit und Taxi”. Nach eigenen Angaben steht die Suchmaschine momentan “in 15 Ländern in 11 Sprachen zur Verfügung und wird von mehr als 2,5 Millionen Besuchern monatlich genutzt”.

Seit mehreren Monaten ziehen Sebastian Schmidt und Thorsten Schröppe, zuletzt bei Groupon in Amt und Würden, zudem die Reiseplattform Travador hoch. Das Duo will mit Travador Kurzreisen in Sachen Wellness, Events oder in angesagte Städte an die wachsende Schar der reisebegeisterten Onliner bringen. Nach Informationen von deutsche-startups.de wird Travador auch von Capnamic Ventures unterstützt. Der Kölner Kapitalgeber investierte einen siebenstelligen Betrag in das Münchner Start-up, das zuvor nur durch die Gründer finanziert war. Die Last-Minute-Reiseangebote von JustBook gingen dagegen kürzlich in Secret Escapes auf. Das Londoner Unternehmen, welches mit seinen Flash Sales für Luxus-Reisen auch in Deutschland aktiv ist, übernahm das mehrfach gestrauchelte Berliner Start-up komplett. Ursprünglich war JustBook eine Last-Minute-App für Hotelzimmer. Dann mutierte der Mobile-Only Hotelvermittler zum onlinebasierten Same-Day-Only-Hotelvermittler auf dessen App und Website Nutzer “ausgewählte Hotels” buchen konnten. Danach positionierte sich JustBook als ein “Hotel Circle”. In der Hand von Secret Escapes wird aus der Technik des Start-ups vielleicht noch was.

Ex-Hipaway-Macher starten Discavo

Adrian Graf setzte nach seinem Schiffbruch mit Hipaway auf Epic Companies, dem Inkubator der ProSiebenSat.1 Media Group, und startete kürzlich Discavo. Zur Erinnerung: Die Hotelbuchungsplattform Hipaway segnete Ende 2013 das Zeitliche. Mit Hipaway hat Discavo außer dem Reisesegment nichts gemein. Discavo positioniert sich als “erste Adresse auf der Suche nachdem idealen Hotel in bevorzugter Lage – und das zu den besten Preisen”. Schlicht ausgedrückt: Discavo ist ein Hotelvergleich. “Discavo startet zum idealen Zeitpunkt, nachdem das Kartellamt in seiner jüngsten Entscheidung Bestpreisklauseln in der Hotelbranche ausdrücklich untersagt hat. Jetzt gibt es neue Spielregeln und wahre Preisvergleiche”, findet Graf. Von den boommenden Angeboten rund um Fernbusreisen gar nicht zu reden, die alle an eine Zeitenwende glauben – siehe “Preisvergleich für Fernbusse: Busticket.de, CheckMyBus und Co. nehmen Fahrt auf“.

Und auch Snowbon, eine Online-Pkattform rund um Skipässe, Skiverleih und Skischulen, sammelte kürzlich Geld. Ebenso wie Regiondo, ein Marktplatz für Aktivitäten, Events und Kurse. Und auch
das Kölner Reise-Start-up itravel, welches 2004 das Licht der Welt erblickte, konnte zuletzt frisches Kapital einsammeln. Rund um das Thema Reise ist somit reichlich los – und wird es auch weiter sein. Der Markt ist groß, das Potenzial ebenso. Für den ein oder anderen wird sich das teure Millionenspiel sicherlich auszahlen. Vielleicht auch für einen Exit in trivago-Fallhöhe.

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Foto: view of nice hummock with palms around in tropical environment from Shutterstock

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.