Hat simfy den Kampf gegen Spotify längst verloren?

Wie lange hält der deutsche Music-On-Demand-Dienst simfy (www.simfy.de) den kostspieligen Kampf mit internationalen Schwergewichten wie Spotify (www.spotify.com), Deezer (www.deezer.com), das gerade 100 Millionen Euro einsammelte , und Microsoft, das gerade einen Musikdienst ankündigte, […]
Hat simfy den Kampf gegen Spotify längst verloren?
Montag, 5. November 2012VonAlexander Hüsing

Wie lange hält der deutsche Music-On-Demand-Dienst simfy (www.simfy.de) den kostspieligen Kampf mit internationalen Schwergewichten wie Spotify (www.spotify.com), Deezer (www.deezer.com), das gerade 100 Millionen Euro einsammelte , und Microsoft, das gerade einen Musikdienst ankündigte, der die Nutzung digitaler Musik über verschiedene Plattformen wie PC, Smartphone oder Konsole vereinfachen soll, noch Stand? Gefühlt hat simfy den Kampf längst verloren! Dabei flossen offiziell in mehreren Runden stattliche 30 Millionen Euro in den Musikstreaming-Service, der zuletzt offenbar nur noch dank diverser Zwischenfinanzierungen bzw. Notfinanzierungen im Kampf der ganz Großen mitmischen konnte.

Maßgeblich dafür dürften die extrem hohen Kosten des Unternehmens sein: Eine Million Euro und mehr soll das Start-up aus Köln pro Monat verbrennen. Maßgebliche Kapitalgeber von simfy sind vor allem der bekannte Kapitalgeber Earlybird und Klaus Wecken (Mitgründer von KHK Software). Allein Earlybird soll bisher rund 15 Millionen Euro in simfy gesteckt haben. Bestätigen will der Kapitalgeber diese Summe nicht. Für andere Investoren wie Holtzbrinck Digital, die 2010 ihren Online-Musikdienst steereo bei simfy einbrachten, scheint simfy dagegen nicht mehr ganz oben auf der Prioritätenliste zu stehen. Von der Prioritätenliste des Unternehmens ist auch der Livemusikdienst simfy live längst verschwunden. Im Herbst 2009 stieg Music Networx, der Betreiber des Livemusikdienst Concert Online, als strategischer Investor bei Simfy ein. Concert Online wurde danach zu simfy live.

simfy live ist längst Geschichte

Über Concert Online konnten Onliner gegen eine kleine Gebühr Konzertfilme und Livemitschnitte in voller Länge als Download oder USB-Stick beziehen. Investoren von Concert Online waren die simfy-Unterstützer Earlybird, Klaus Wecken und DuMont Venture. Eine niedrige siebenstellige Summe soll vor dem Bündnis und der Fusion mit simfy in Concert Online geflossen sein. Als weiteres Standbein für simfy konnte das Modell nicht herhalten, das Modell behinderte den schnellen Wachstumsdrang des Unternehmens eher: Gerade die langwierigen Verhandlung von Verträgen, die enorme Vorlaufzeit von über einem Jahr bei Verhandlungen mit den jeweiligen Künstlern und zu guter Letzt die hohen Vorschusskosten, die die Künstler forderten, machten die Livemitschnitte zu einem äußerst schwierigen Geschäft. Somit verschwand simfy live bereits vor etlichen Monaten klammheimlich von der Bildfläche.

Auf der anderen Seite schraubte das simfy-Team massiv an seinem normalen Angebot herum und begrenzte sein kostenfreies Angebot auf die ersten zwei Monate nach einer Registrierung. Wer danach weiter Songs in voller Länge und ohne zeitliche Begrenzung anhören möchte, muss für monatlich 4,99 Euro oder 9,99 Euro simfy Premium oder simfy Premium Plus abonnieren. “Im Angesicht der Tatsache, dass Spotify vorläufig unbegrenztes Gratisstreaming offeriert, muss der Schritt der Rheinländer als Eingeständnis gewertet werden, nicht gegen den ebenfalls noch unprofitablen, aber finanzstarke Wettbewerber ankommen zu können”, schrieb Netzwertig.com im Mai dieses Jahres zu den Einschnitten beim simfy-Gratisangebot.

“Streaming-Produkt, das einzigartig ist”

Diese massive Einschränkung der kostenlosen On-Demand-Funktion machte sich für das Unternehmen aber offenbar bezahlt, viele Nutzer griffen danach zur kostenpflichtigen simfy-Version. Genaue Zahlen will simfy-Chef Gerrit Schumann leider nicht nennen. Zuletzt sprach er von “mehr als zwei Millionen Nutzer und einer sehr gesunden Prozentzahl an zahlenden Premiumkunden”. In einem ganz frischen Interview mit Netzwertig.com sagt er: “Der Umsatz stieg um mehr als 400 Prozent, der Verlust wurde um 85 Prozent verringert, die Zahl der zahlenden Abonnenten nahm um 500 Prozent zu und die Kündigungsquote konnte um 60 Prozent reduziert werden”. Allen Abschiedgessängen auf simfy erteilt Schumann uns gegenüber eine klare Absage: “Uns geht es gut!”. Momentan arbeite das Team an einer neuen simfy-Generation. Mit dieser wolle das Unternehmen seine Chance gegen Spotify und Co. nutzen. Schumann verspricht gegenüber deutsche-startups.de ein “Streaming-Produkt, das einzigartig ist”. Details will er leider nicht nennen. Offenbar legen die Rheinländer dabei aber sehr viel Wert auf Qualität und Service. Vielleicht zu viel, denn eigentlich sollte die neue Generation schon Ende dieses Jahres ausgerollt werden, jetzt wird es wohl Anfang 2013. Wobei es eine erste Beta-Version schon Ende November geben soll. 2013 will Schumann dann mit simfy richtig Gas geben: “Wir haben ein spannendes Jahr hinter uns und ein spannendes Jahr vor uns”.

Wobei viele Onliner simfy ganz offensichtlich nicht mehr so spannend finden – zumindest deutet darauf ein Blick auf Google Trends (siehe unten). Auf Schumann und sein Team wartet somit eine große Aufgabe, wenn er Spotify und Co. mit einem guten Produkt schlagen will. Eine geplante Kooperation mit einem Mobilfunkanbieter soll offenbar für mehr potenzielle Nutzer sorgen. Angekündigt war solch’ eine Koop inoffiziell aber auch schon mehrmals. Zu guter Letzt brauchen die Rheinländer aber auch mehr Geld. Schumann kündigt bereits eine weitere Finanzierungsrunde an. Zur Erinnerung: Mindestens 30 Millionen Euro sind bereits in simfy geflossen. Helfen solch nun wohl ein Investor mit “strategischem Hintergrund”. Passenderweise geistert seit einigen Wochen durch die Szene, dass Media-Saturn an simfy interessiert gewesen sein soll. Der Deal, also der Verkauf an Media-Saturn kam dann aber nicht zustande. Schumann weist diese Infos in das tiefe Tal der Gerüchte.

Gas geben muss Schumann aber künftig ohne die simfy-Macher Christoph Lange und Steffen Wicker. Am vergangenen Freitag machte das Duo seinen Abgang, der inoffiziell schon vor einer Weile stattgefunden hat, öffentlich. “Seit 2005 ist aus simfy, das als Studentenprojekt begann, eine solide Firma entstanden. Der digitale Musikmarkt zu dieser Zeit lag brach – Musik wurde überwiegend illegal konsumiert und neben den ersten MP3-Downloadshops mit überschaubaren Repertoires gab es keine legalen Alternativen. Bereits damals war absehbar, dass sich der Markt und das Konsumverhalten im Markt dramatisch verändern werden. Diese Vision haben wir in die Realität umgesetzt: Heute sind auf simfy mehr als 20 Millionen Songs legal verfügbar und können über eine Vielzahl von Applikationen und Geräten von jedem Ort der Welt abgerufen werden. Christoph und ich werden daher simfy nach 7 spannenden und herausfordernden Jahren verlassen um wieder eine neue Firma zu gründen”, teilen die beiden mit. Und auch simfy-Mitsteiter Tobias Schiwek ist längst nicht mehr beim Unternehmen aktiv – er baut gerade an endore.me. “simfy vor dem Exit zu verlassen, gehörte sicher nicht zum ursprünglichen Plan von Wicker und Lange”, spekuliert Netzwertig.com zum Abgang der beiden Gründer.

Bleibt der Blick auf die Expansionspläne von simfy, die das Unternehmen Anfang 2012 im großen Stil verkündete. Damals war das Start-up in Deutschland, Österreich, Schweiz und Belgien verfügbar. “Der nächste Launch findet bereits innerhalb der nächsten 30 Tage im ersten außereuropäischen Markt statt”, kündigte simfy per Pressemitteilung an. Inzwischen hat sich der Music-On-Demand-Dienst aus Belgien wieder zurückgezogen. Dafür ist simfy in Frankreich aktiv. Und seit seit August bearbeitet simfy auch Südafrika. Weitere außereuropäische Aktivitäten wären wünschenswert. Eine große Expansion sieht anders aus. Was darauf hindeutet, dass die Prioritäten nei simfy zuletzt deutlich anders gesetzt wurden. Offenbar scheut simfy jetzt schon den Wettbewerb mit Spotify. Und der Kampf mit Deezer, Microsoft und Co. hat gerade erst begonnen. Gefühlt hat simfy deswegen den Kampf längst verloren – leider! Aber wir lassen uns gerne vom Gegenteil überzeugen.

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Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.