#Interview

“Wir haben schon einige schwierige Zeiten durchlebt”

InstaFreight bringt inzwischen rund 10.000 Transporte im Monat auf die Straße. "Zu unseren über 2.000 Kunden zählen wir Hidden Champions und DAX-30-Firmen", sagt Mitgründer Philipp Ortwein. Rund 130 Mitarbeiter wirken vier Jahre nach dem Start bei InstaFreight.
“Wir haben schon einige schwierige Zeiten durchlebt”
Freitag, 30. Oktober 2020VonAlexander Hüsing

Das Berliner Startup InstaFreight, das 2016 von Philipp Ortwein und Gion-Otto Presser-Velder gegründet wurde, positioniert sich als digitale Spedition. “Wir machen Straßentransporte effizienter und transparenter. Bei InstaFreight bündeln wir die Transportkapazitäten von mehr als 25.000 Fuhrunternehmern auf unserer Plattform und stellen sie dort Verladern zur Verfügung”, erklärt Mitgründer Ortwein das Konzept der Jungfirma.

Zuletzt investierte Shell Ventures, der Corporate-Venture-Capital-Ableger von Royal Dutch Shell, in das Startup. Zuvor hatte der New Yorker Hedge Fund 683 Capital gemeinsam mit den Altinvestoren eine zweistellige Millionensumme in Instafreight investiert. “Unser Team besteht mittlerweile aus rund. 130 Mitarbeitern und mehr als 20 Nationalitäten. Zu unseren über 2.000 Kunden zählen wir Hidden Champions und DAX-30-Firmen. Ermöglicht wurde das schnelle Wachstum durch unsere Investoren”, sagt Ortwein.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Ortwein außerdem über Transportkapazitäten, Forderungsmanagement und Technologien.

Wie würdest Du Deiner Großmutter InstaFreight erklären?
Wir machen Straßentransporte effizienter und transparenter. Bei InstaFreight bündeln wir die Transportkapazitäten von mehr als 25.000 Fuhrunternehmern auf unserer Plattform und stellen sie dort Verladern zur Verfügung. Durch digitale Technologien schaffen wir Transparenz entlang der Transportkette und automatisieren Prozesse. Verlader sparen damit Zeit und Geld. Für Fuhrunternehmen finden wir die passenden Ladungen und vermeiden Leerfahrten. Wir sind dabei weder bloßer Vermittler noch reiner Softwareanbieter, sondern für die vertragsgerechte Durchführung der Transporte verantwortlich.

Hat sich das Konzept seit dem Start irgendwie verändert?
Mit InstaFreight ermöglichen wir Verladern und Fuhrunternehmen, direkt miteinander zusammenzuarbeiten und damit Ineffizienzen zu beseitigen und sowohl Transparenz als auch Kapazitätsauslastung zu erhöhen. An diesem Konzept hat sich seit dem Start nichts verändert. Wir sind zunächst mit einem Produkt gestartet, das es Verladern ermöglicht, mittels eines Algorithmus binnen Millisekunden verbindliche Preise für Transporte innerhalb der gesamten EU zu erhalten. Dies hat schnell die Aufmerksamkeit nicht nur von kleinen, sondern auch von großen Verladern und Fortune 500 Unternehmen geweckt. Schnell folgten Einladungen zu Tendern, mit denen sich große Verlader regelmäßige Transportkapazitäten bei uns sichern wollten. Mittlerweile fahren wir für zahlreiche Unternehmen vom Großkonzern bis zum Mittelständler durch ganz Europa.

Die Corona-Krise traf die Startup-Szene zuletzt hart. Wie habt ihr die Auswirkungen gespürt?
Wir haben vor allem schnell und entschlossen gehandelt und so Schlimmeres verhindert. Bereits im Februar haben wir alle Prozesse auf “remote readiness” getestet und geprobt, wie die Teams von zu Hause aus unsere Dienstleistung weiter garantieren können. Als wir dann im März das Team tatsächlich ins Home Office geschickt haben, waren wir positiv überrascht, wie reibungslos alles abgelaufen ist. Außerdem haben wir uns natürlich sehr stark mit dem Thema “Cash Management” auseinandergesetzt und rechtzeitig eine Kreditausfallversicherung und Factoring Lösung für unsere Forderungen abgeschlossen. Damit waren wir dann sogar so gut aufgestellt, dass wir für unsere wichtigsten Partner bzw. Auftragnehmer Zahlungsziele heruntergesetzt haben, um sie durch die Krise zu tragen. Der Markt hat zu der Zeit absolut verrückt gespielt, d.h. Grenzen waren plötzlich zu, Fabriken wurden geschlossen, Toilettenpapier gehortet und der Onlinehandel hat sich verdoppelt. Unter unseren Kunden haben sich Transportvolumen stark verschoben, was wir jedoch Dank der Flexibilität unserer Plattformlösung zuverlässig abdecken konnten. Insgesamt sind wir über die Krise hinweg sogar gewachsen. Mit dem Team haben wir während der gesamten Zeit eng Kontakt gehalten und viel kommuniziert. Neben unserem wöchentlichen “All Hands” haben wir ein zweites wöchentliches “Fireside Chat” mit uns Gründern abgehalten, um offene Fragen zu besprechen und eng in Kontakt zu bleiben. Insgesamt sind wir definitiv gestärkt aus der Krise hervor gegangen.

Wie ist überhaupt die Idee zu InstaFreight entstanden?
Wir sind fasziniert vom Logistikmarkt für Straßenfracht, der mit einem Volumen von 350 Milliarden Euro unglaublich großes Potential hat. Noch immer fahren rund 30 Prozent der Lkw auf europäischen Straßen leer. Der Markt ist von hohen Ineffizienzen geprägt, die unter anderem auf manuelle Prozesse und starke Fragmentierung zurückzuführen sind. Telefon, Fax und Email sind heute noch der Standard in der Logistik – und aus unserer Sicht schon lange nicht mehr zeitgemäß. Mit InstaFreight nehmen wir uns der Herausforderung an, die digitale Revolution der Logistikindustrie maßgeblich voranzutreiben und zum führenden Logistikanbieter für Straßenfracht in Europa zu werden!

Wie genau funktioniert eigentlich euer Geschäftsmodell?
Auf der einen Seite der Plattform sind die Verlader, auf der anderen Seite befinden sich die Fuhrunternehmer. So hat der Verlader Zugriff auf die Transportkapazitäten unserer mehr als 25.000 Fuhrunternehmer und zugleich nur InstaFreight als einzigen Kontakt und Vertragspartei. Den ganzen Prozess von Quotierung über Transportverfolgung bis hin zum Dokumentenmanagement haben wir digitalisiert. Den Fuhrunternehmern bieten wir passende Ladungen, mit denen sie ihre Auslastung optimieren und profitabel wachsen können. Gleichzeitig werden sie über uns den wachsenden digitalen Anforderungen der Verlader gerecht, ohne selber in umfassende IT investieren zu müssen. Insgesamt reduzieren wir also Komplexität, sorgen für effizientere Prozesse und schaffen volle Transparenz entlang der Transportkette. Die Nutzung von InstaFreight ist sowohl für Verlader als auch für Fuhrunternehmer kostenfrei. Wir verdienen an der Arbitrage zwischen dem Verkauf der Transporte und dem Kauf von Transportkapazitäten.

Wie hat sich InstaFreight seit der Gründung entwickelt?
Schon von Beginn an war unser Service europaweit verfügbar. Jetzt haben wir die Internationalisierung unseres Geschäfts noch weiter vorangetrieben und weitere Büros im Ausland eröffnet. Wir sind also viel internationaler geworden und auch deutlich gewachsen: Unseren Umsatz haben wir von Jahr zu Jahr vervielfacht. Man merkt auch, dass unser Produkt wirklich etwas ist, das der Markt braucht. Während wir am Anfang natürlich kräftig die Werbetrommel rühren mussten, kommen jetzt viele Unternehmen auf uns zu, weil unser digitaler Ansatz sie begeistert.

Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist InstaFreight inzwischen?
Unser Team besteht mittlerweile aus rund. 130 Mitarbeitern und mehr als 20 Nationalitäten. Zu unseren über 2.000 Kunden zählen wir Hidden Champions und DAX-30-Firmen. Über unseren Umsatz sprechen wir für gewöhnlich nicht öffentlich, wir machen aber rund 10.000 Transporte im Monat und sind ausschließlich organisch gewachsen. Besonders stolz sind wir darauf, dass wir trotz deutlichem Wachstum die Anzahl Mitarbeiter in den operativen Bereichen über die letzten 12 Monate konstant gehalten haben. Damit skalieren wir durch Technologie und nicht durch das Hiring von zusätzlichen Mitarbeitern. Ermöglicht wurde das schnelle Wachstum durch unsere Investoren, zu denen neben Rocket der CVC Capital-Gründer Steve Koltes zählt. Wir haben darüber hinaus mit 683 Capital Management einen amerikanischen Hedge Fund an Bord, der sich auf Technologieunternehmen fokussiert. Anfang dieses Jahres ist noch Shell Ventures als strategischer Partner und Investor mit dazu gekommen.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Wir haben schon einige schwierige Zeiten durchlebt. Wie viele andere B2B-Startups mussten wir lernen, wie wichtig ein gutes Forderungsmanagement gegenüber den Kunden ist. Gerade wenn man große Konzerne als Kunden hat, ist dies nicht immer einfach. Das mit Abstand Schlimmste war jedoch der Todesfall im Gründerteam ganz zu Anfang von InstaFreight. Das hat uns alle damals sehr mitgenommen und uns als Team noch mehr zusammengeschweißt – aufgeben war nie eine Option. Alle diese Krisen haben uns aber immer wieder das Gleiche gelehrt: Selber nie den Glauben verlieren, sich mit voller Entschlossenheit den Herausforderungen stellen und vor allem sehr offen und ehrlich mit dem Team darüber sprechen, was gerade passiert.

Und wo habt ihr bisher alles richtig gemacht?
Wir haben eine super Kombination aus Produkt und Team aufgebaut. Für uns als Dienstleistungsunternehmen ist das auch extrem wichtig, denn wir befähigen unsere Mitarbeiter einen besseren Service für unsere Kunden zu bieten als unsere analogen Wettbewerber und dabei auch noch produktiver zu sein. Wir sind gut darin, nicht nur vorausschauend in die richtigen Partnerschaften und Produkt Features zu investieren, sondern auch in unser Team. Wir denken auch, dass wir eine gute Kultur aufgebaut haben. Unsere Fluktuation ist sehr gering und wir bekommen viel Lob in unseren anonymen Mitarbeiterumfragen besonders zu Learning & Development. Allgemein geben wir uns nie mit dem Status Quo zufrieden. Dafür haben wir auch einfach noch zu viele Ideen. Aber schon jetzt sind wir auf einem Stand, bei dem wir auf jeden Fall zu den technisch führenden Logistikunternehmen in Europa zählen. An dieser Stelle ein großes Shout-out an das Team!

Wo steht InstaFreight in einem Jahr?
Wir arbeiten gerade mit Hochdruck daran, ein neues Produkt auf den Markt zu bringen. Dieses testen wir seit geraumer Zeit mit einigen Kunden und haben bereits mit geringer Vertriebsaktivität eine super Traction aufgebaut. Unser Geschäftsmodell bleibt dabei gleich, wir werden lediglich die Monetarisierung etwas ändern. Aktuell sind wir mit dieser Weiterentwicklung noch alleine auf dem Europäischen Frachtmarkt tätig. Wir planen unseren offiziellen Launch im vierten Quartal 2020, also stay tuned! Parallel dazu internationalisieren wir unser Geschäft weiter. Neben aktiven Vertriebsteams in Italien, Polen und den Niederlanden eröffnen wir gerade Büros in Spanien und Frankreich. Dabei wird unser Fokus weiter auf internationalem Geschäft liegen. Insgesamt ist es uns bisher in jedem Jahr gelungen, unseren Umsatz zu vervielfachen und damit planen wir auch in diesem und im nächsten Jahr. Natürlich geht das nur mit dem entsprechenden Team dahinter, welches dieses Geschäftswachstum auch bedienen und weiter vorantreiben kann. Wir sind deshalb stets auf der Suche nach klugen Köpfen, die dafür brennen, gemeinsam mit uns die Zukunft der Logistik zu gestalten.

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Foto (oben): InstaFreight

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.