#Interview

“Nach wenigen Wochen haben wir uns zu einem Pivot entschlossen”

Das junge PropTech-Startup Seniovo, baute bisher 1.000 Bäder seniorengerecht um. "Zu Beginn mussten wir all unsere Angebote manuell erstellen. Das war sehr zeitaufwendig und hat uns beim Wachstum vor diverse Herausforderungen gestellt", blickt Gründer Jonathan Kohl zurück.
“Nach wenigen Wochen haben wir uns zu einem Pivot entschlossen”
Mittwoch, 1. April 2020VonAlexander Hüsing

Ursprünglich wollte Jonathan Kohl mit Renovinga eine digitale Lösung rund um Renovierungsarbeiten wie Malern und Bodenlegen etablieren. Aus dem Konzeot wurde dann schnell Seniovo, ein Unternehmen, “das Pflegebedürftigen und Personen mit Bewegungseinschränkungen dabei hilft, länger, sicher und selbstbestimmt zuhause wohnen zu können”. PropTech1 Ventures, die IBB Beteiligungsgesellschaft, der German Media Pool und weitere nicht genannte Immobilienunternehmer investierten zuletzt rund 2 Millionen Euro in das Berliner PropTech.

Bisher geht das Konzept von Seniovo auf. “Wir haben aktuell 1.000 Betroffenen bei ihrer Wohnraumanpassung unterstützt. Darauf sind wir sehr stolz. Vor allem, wenn wir überlegen, welche Einschränkungen und Hürden den Betroffenen bei jedem einzelnen Projekt erspart bleiben. Im Büro sind wir aktuell circa 30 Mitarbeiter und haben im letzten Jahr ein schlagkräftiges Management-Team aufgestellt. Zuletzt kamen unser zweiter Geschäftsführer und unser Technischer Betriebsleiter hinzu”, sagt Seniovo-Gründer Kohl.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der Berliner außerdem über gut finanzierte Startups, Angebotserstellungen und die Investorenauswahl.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Seniovo erklären?
Seniovo ist ein Unternehmen, das Pflegebedürftigen und Personen mit Bewegungseinschränkungen dabei hilft, länger, sicher und selbstbestimmt zuhause wohnen zu können. Dafür übernehmen wir die Beratung und Fördermittelbeantragung für Umbaumaßnahmen wie Badanpassungen, Schwellenentfernungen und Co.

Hat sich euer Konzept seit dem Start irgendwie verändert?
Ja allerdings. Ursprünglich sind wir unter dem Namen Renovinga gestartet, eine digitale Lösung für Renovierungsarbeiten wie Malern und Bodenlegen.

Wie wurde aus Renovinga dann Seniovo?
So wie viele Ideen geboren werden: aus dem Use Case bzw. der eigenen Erfahrung heraus. Ich habe selbst pflegebedürftige Angehörige und musste mich mit den Fragen beschäftigen, die in einer Pflegesituation wichtig werden. Zu dem Zeitpunkt haben wir schon tief im Thema Digitalisierung von Handwerksleistungen gesteckt und mit der Idee von Seniovo dann einen noch größeren Mehrwert und sozialen Nutzen entdeckt. Das hat uns nicht mehr losgelassen und nach wenigen Wochen haben wir uns zu einem Pivot entschlossen.

In den vergangenen Jahren sind viele Handwerker-Startups entstanden und etliche auch wieder verschwunden. Wie nimmst Du den Markt gerade wahr?
Tatsächlich fallen mir da beispielsweise die Startups rund um das Thema “Renovierungen”, also vor allem um die Gewerke Malern und Bodenlegen, ein. Wir hatten uns mit Renovinga sehr früh für einen Pivot entschieden. Andere gut finanzierte Startups sind zunächst stark gewachsen, jedoch nur für eine gewisse Zeit. Die Herausforderung für uns in diesen Vertcials war die Frage, ob bei den eher geringen Warenkörben im oberen drei- bis unteren vierstelligen Bereich profitable Unit Economics erzielt werden könnten. Insgesamt gibt es hier bestimmt ein paar Effekte, die sich auf die Erfolgswahrscheinlichkeit auswirken. Es gehört allerdings zu jeder Innovationswelle dazu, dass auch mehrere Startups scheitern. Generell tauschen wir uns regelmäßig mit den meisten Handwerks-Startups eng aus und lernen eine Menge voneinander. Neben der Frage nach dem Warenkorb spielen auch die operativen Lösungen eine große Rolle, wie zum Beispiel: Wie wird das Thema Vertrieb gelöst, mit oder ohne Außendienst? Wie wird die Installation sichergestellt, durch interne oder externe Monteure? Ich sehe in einigen Startups enormes Potential, vor allem in denjenigen, die ein übergeordnetes, wichtiges Thema adressieren. Neben unserem Thema, dem demographischen Wandel, spielt auch das Thema Energiewende eine große Rolle.

Wie genau funktioniert eigentlich euer Geschäftsmodell?
Seniovo ist eine vertikal integrierte Plattform. Das bedeutet, wir sind direkter Auftragnehmer unserer Kunden und können so den bestmöglichen Service bieten. Durch die Automatisierung von Lead Generation, Fördermittelbeantragung, Materialbeschaffung, Dispatching und Installation können wir den Gesamtprozess eines Umbaus enorm verkürzen und in allen Prozess-Schritten hohe Effizienzvorteile erzielen und für unsere Kunden wertvolle Zeit sparen.

Wie hat sich Seniovo seit der Gründung entwickelt?
In den ersten Monaten war neben der Produktfrage auch die Frage nach dem Kundenzugang unbeantwortet. So haben wir zunächst diverse Lösungen für die größten Märkte getestet, um beispielsweise herauszufinden, welche Art von Badanpassung für welche Kunden in welcher Wohnsituation sinnvoll und finanzierbar ist und welche Fördermittel in Frage kommen. Dann haben wir gelernt, über welche Marketingkanäle wir Angehörige oder Betroffene erreichen können. Beim Rollout in die ersten Satellitregionen war dann spannend, in welchem Prozess wir unser operatives Playbook am effizientesten anwenden. Nach den Startup-typischen Büroumzügen vom kostenfreien Uni-Büro über den Accelerator bis ins richtige eigene Büro beginnen wir nun damit, unseren Service in weitere Bundesgebiete zu skalieren, um noch mehr Personen helfen zu können.

Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist Seniovo inzwischen?
Wir haben aktuell 1.000 Betroffenen bei ihrer Wohnraumanpassung unterstützt. Darauf sind wir sehr stolz. Vor allem, wenn wir überlegen, welche Einschränkungen und Hürden den Betroffenen bei jedem einzelnen Projekt erspart bleiben. Im Büro sind wir aktuell circa 30 Mitarbeiter und haben im letzten Jahr ein schlagkräftiges Management-Team aufgestellt. Zuletzt kamen unser zweiter Geschäftsführer und unser Technischer Betriebsleiter hinzu.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Zu Beginn mussten wir all unsere Angebote noch manuell und ohne konkreten Prozess erstellen. Das war sehr zeitaufwendig und hat uns beim Wachstum vor diverse Herausforderungen gestellt. So mussten manche Kunden zu lange auf ihr Angebot warten und manche Angebote waren fehlerhaft kalkuliert. Die Angebotserstellung hatten wir dadurch als einen der wichtigsten Prozess-Schritte erkannt und digital abgebildet.

Und wo hat Ihr bisher alles richtig gemacht?
In der Investorenauswahl. Bisher haben wir von allen Gesellschaftern große Unterstützung erfahren, sowohl im Sparring von neuen Strategien und wichtigen Entscheidungen, im Bereich Netzwerk und Kontakte als auch im Bereich Finanzen und Fundraising. Wir sind daher sehr froh darüber, nicht mit jedem angebandelt zu haben.

Wo steht Seniovo in einem Jahr?
In einem Jahr werden wir Betroffenen bundesweit helfen können und weitere Tools und Features anbieten können, die unseren Service noch besser machen werden. Außerdem werden wir von unseren Kunden immer wieder nach weiteren Leistungen und Produkten gefragt, die wir launchen möchten.

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Foto (oben): Seniovo

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.