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Ein Todesstern ist nicht genug

Die Idee hinter Bauduu ist einfach: Gegen eine monatliche Gebühr, und hier geht es bereits bei 4,95 Euro los, können Kunden große und kleine Lego-Sets ausleihen, sie zusammenbauen, damit spielen und wieder an Bauduu zurückschicken.
Ein Todesstern ist nicht genug
Freitag, 20. März 2020VonAlexander Hüsing

Um Lea-Maria Zimmermann herum, da stehen dutzende gigantische Todessterne aus der bekannten Filmsaga Star Wars, etliche hochpreisige Autos der Luxusmarke Porsche und mehrere megagroße Schaufelradbagger. Viel Platz braucht die sympathische Ruhrgründerin für diese großen Raumschiffe und Fahrzeuge allerdings nicht, denn alle sind komplett aus kleinen Lego-Steinchen. 2013 gründete die gelernte Bankkauffrau und studierte Betriebswirtin gemeinsam mit ihrem Mann Patrick Zimmermann in Castrop-Rauxel Bauduu, einen Vermietservice für Lego-Sets. Inzwischen wirtschaftet das Startup profitabel, macht pro Jahr einen niedrigen bis knapp mittleren sechsstelligen Umsatz und beschäftigt rund 15 Mitarbeiter.

Die Idee hinter Bauduu ist einfach: Gegen eine monatliche Gebühr, und hier geht es bereits bei 4,95 Euro los, können Kunden große und kleine Lego-Sets ausleihen, sie zusammenbauen, damit spielen und wieder an Bauduu zurückschicken. „Die Vorteile liegen auf der Hand: Das Kind kann nach einer Weile ein neues Set bespielen. So kommt keine Langeweile auf. Die Eltern sparen viel Geld, denn Lego ist nicht nur eines der wunderbarsten und kreativsten Spielzeuge dieser Welt, sondern eben auch nicht preiswert“, sagt Zimmermann zur Idee hinter ihrem Unternehmen. Wobei längst nicht nur Kinder von Bauduu begeistert sind. Es gibt auch sehr viele Erwachsene, die beim Verleihdienst Kunden sind.

Rückgabefristen oder Überziehungsgebühren gibt es bei Bauduu nicht. Auch fehlende Steine werden nicht berechnet – zumindest wenn nicht mehr als 30 fehlen. Es gibt aber Bonuspunkte – sprich Rabattpunkte – für vollständig zurückgesendete Sets. Manchmal ist aber auch zu viel in einem zurückgeschickten Set. Hier und da findet sich in einem Karton eine Playmobil-Figur, ein Spielzeugauto oder sogar eine Zahnspange.

Bevor die Lego-Sets wieder auf die Reise zum nächsten Kunden gehen, erfolgt ein Reinigungsprozess – samt Desinfektion. An diesem Punkt und auch bei der Sortierung von gebrauchten Sets, die das Unternehmen immer wieder ankauft, kooperiert Bauduu mit Behindertenwerkstätten in der Region. Mehrere Behinderte arbeiten zudem direkt bei Bauduu. Für diese richtete Zimmermann einen sogenannten Snoezel-Raum ein, der den Mitarbeitern bei der mentalen Beruhigung helfen soll.

Das junge Unternehmen residiert auf knapp 500 Quadratmetern mitten in Castrop-Rauxel. „Ein Vorzeigebüro ist es nicht, es ist nicht schick und auch nicht stylish“, sagt die Ruhrpreneurin zum Firmensitz und spielt damit auf die extrem stylische Bürokultur in Berlin an. „Es ist alles ein bisschen zusammengewürfelt aus dem, was gerade da war.“ Hier wird klar, dass Zimmermann Controllerin und Buchhalterin ist. – Was passt, denn aufs Geld mussten die Bauduu-Macher immer gut achten.

Den Start ins Lego-Geschäft ermöglichten ein Kredit der Sparkasse sowie eine Mikromezzanin-Finanzierung durch die NRW.BANK. Alles in allem ging es dabei um gerade einmal 150 000 Euro. „Ich weiß noch, wie wir damals eine Finanzierung gesucht haben; keine Bank in der Region war in der Lage, uns zu helfen. Nur die Sparkasse in Recklinghausen hatte eine eigene Abteilung für Existenzgründer“, blickt Zimmermann zurück. Da das Konzept von Bauduu bisher aufgegangen ist, konnten die Jungunternehmer den Kredit inzwischen komplett zurückzahlen. „Sonst haben wir keine Töpfe mehr offen, alles gut“, lautet das offene und glückliche Fazit der Gründerin. Und dann lacht sie: „Wir haben Bauduu mit gerade einmal 150000 Euro aufgebaut. Das bringt so manch ein Startup in Berlin in ein paar Monaten durch.“

Bauduu wandelte sich in den vergangenen Jahren aber auch; es gibt inzwischen mehrere Einnahmequellen, und nicht mehr nur der Verleih von Plastiksteinen spült Geld in die Kasse. Das Unternehmen verkauft mittlerweile auch gebrauchte Lego-Sets und Einzelsteine, allerdings nicht auf der eigenen Internetplattform, sondern über spezialisierte Lego-Marktplätze wie Brick Owl. Alles in allem türmen sich bei Bauduu inzwischen 350000 Lego-Steine. Die Idee für ihr Startup kam Zimmermann, während sie vor einigen Jahren Weihnachtsgeschenke wegräumte: „Der Playmobil-Zoo wurde einmal aufgebaut und stand danach unbenutzt im Kinderzimmer, wurde irgendwann in einer Spielkiste verstaut und im ganzen restlichen Jahr vielleicht noch zweimal aufgebaut.“ Kurz darauf entdeckte ihr Sohn Tizian Lego für sich. Mit seiner wachsenden Begeisterung stiegen auch die Kosten. Denn gerade große Lego-Sets sind teuer, richtig teuer. Ein Lego-Todesstern, der aus mehreren tausend Steinen besteht, kostet 499,99 Euro. Aber auch ganz normale Lego-Bausets kommen locker auf 50, 80 oder 100 Euro. Und am Ende verstauben viele dieser teuren Sets im Kinderzimmer. So auch bei den Zimmermanns. „Und nach Tizians viertem Geburtstag entschieden wir daher, dass sich etwas ändern muss. Wir setzten Bauduu in die Tat um“, erinnert sich Lea-Maria. Planung und Umsetzung des Konzepts dauerten knapp drei Monate. Ehemann Patrick programmierte den Onlineshop – fertig war der Testballon. Hilfreich war dabei, dass die Zimmermanns, die früher beide bei E.ON gearbeitet haben, vor Bauduu schon gemeinsam eine Internetagentur gegründet hatten. „Daher konnten wir unser Projekt auch schnell umsetzen“, sagt die Seriengründerin, die gemeinsam mit ihrer Schwester inzwischen auch noch eine Immobilienfirma aus der Taufe gehoben hat.

Mit ganz wenigen Lego-Sets ging Bauduu Ende 2013 – aus dem privaten Arbeitszimmer heraus – an den Start. Sohn Tizian half auch bei der Namensfindung für das Unternehmen: „Wenn mein Sohn keine Lust mehr hatte zu bauen, sagte er immer: ‚Bau du!‘“ So kam es zur Marke Bauduu. Vorher stand der Name Legothek zur Debatte; der hätte aber für rechtliche Probleme mit dem Steinchen-Konzerngesorgt. „Zu Beginn haben wir 60 bis 80 Sets auf unserer Webseite angeboten, hatten aber nur 15 oder 20 gekauft“, erzählt Zimmermann etwas kleinlaut. „Wenn dann ein Kunde eines bestellt hat, das wir nicht auf Lager hatten, haben wir es im Spielzeughandel gekauft.“ Das erste Set, das verliehen wurde, war ein Raumschiff aus der Star-Wars-Reihe von Lego, der schwarz-graue „Sith FuryClass Interceptor“. Das Modell hat inzwischen einen Ehrenplatz auf dem Schreibtisch von Patrick Zimmermann.

In den ersten Monaten nach dem Start ging es bei Bauduu kaum voran: Werbung bei Google brachte nicht den gewünschten Erfolg und war viel zu teuer. Und kaum ein potenzieller Kunde suchte im Internet nach einem Verleihdienst für Lego. Wie andere Firmen, die ein komplett neues Geschäftsmodell etablieren wollen, setzen die Lego-Fans auf Pressearbeit. Die Ruhr Nachrichten berichteten kurz nach dem Start über das Unternehmen, und auch der WDR, das ZDF und die BILD entdeckten das umtriebige Startup. „In den ersten fünf Jahren wurde im Ruhrgebiet, egal welches Medium, nicht annähernd so viel über uns geschrieben wie in Berliner Zeitungen im ersten Jahr“, sagt Zimmermann leicht frustriert.

Nach vorn brachte Bauduu schließlich die Teilnahme an der ZDF-Sendung „Kampf der Startups“ im Jahre 2013. Unternehmer und Skateboard-Legende Titus Dittmann wusch Zimmermann in der Show gehörig den Kopf. Das junge Unternehmen beschäftigte damals einfach viel zu viele Mitarbeiter, und die Personalkosten waren enorm. So hoch, dass man damit über kurz oder lang vor die Wand gefahren wäre. Zum Glück nahm sich die Gründerin die Kritik zu Herzen, stellt Bauduu personell anders auf und sicherte damit den Fortbestand der jungen Firma. – Vor allem zur Freude von Sohn Tizian, der das Unternehmen später einmal übernehmen möchte.

Der inzwischen Zehnjährige spielt schon jetzt eine große Rolle bei Bauduu. Einmal in der Woche macht der Nachwuchs seine Hausaufgaben an einem Schreibtisch im Familienunternehmen. Zudem sucht er die Sets aus, die für den Verleih angekauft werden sollen. Und auch am Wochenende, wenn die Eltern arbeiten, ist Tizian fast immer dabei. Zum Glück steht im Büro verdammt viel Lego herum. Gearbeitet wird bei den Zimmermanns generell viel und vor allem sehr, sehr gerne. Mit drei Unternehmen, bei denen Bauduu-Macherin Zimmermann engagiert ist, bleibt ohnehin nicht viel Freizeit. „Dafür muss man einfach der Typ sein; wenn man dies nicht ist, dann wäre es falsch, ein Unternehmen zu gründen.“ Zimmermanns Vater, der jahrelang Führungskraft bei E.ON war, lebte es ihr genauso vor. Auf der Schnellwahl taste am Telefon der Familie war früher Papas Sekretärin. „Mit der habe ich immer mehr telefoniert als mit meinem Vater.“ Der letzte Urlaub der Lego-Familie ist Jahre her. „Ich könnte mich aber auch nicht zweimal im Jahr 14 Tage an den Strand legen“, sagt die Ruhrpreneuerin ganz gelassen. Dafür genießt sie die Freiheiten, die das Unternehmertum mit sich bringt. Im Sommer arbeitet Zimmermann gerne auch mal aus dem eigenen Garten heraus. Die Familie – zu der noch ein Hund gehört – wohnt in Pöppinghausen in einer alten Schule. Dort ist es so ländlich, dass morgens schon mal ein Reh im Garten steht.

Und wenn es tatsächlich mal vorkommen sollte – wie neulich –, dass an einem Wochenende wirklich rein gar nichts Berufliches zu tun ist, findet Zimmermann schon eine Beschäftigung: „Wir sind dann vor lauter Verzweiflung in den Comicladen nach Dortmund gefahren; wir beide lesen gerne Comics, und ich habe mir zwei SuicideSquad-Comics gekauft.“ Danach hat sie aber wahrscheinlich sofort wieder darüber nachgedacht, welches Projekt sie als nächstes angeht. Und davon gibt es einige – etwa ein Kochbuch für Analphabeten. Auch mit ihrem Vater möchte sie gerne ein Buch schreiben. Thema: Qualitäts- und Kommunikationsspiele mit Lego-Steinen. In einigen Jahren dann will sie auch in Startups investieren. Gerade dies wäre wünschenswert: Es gibt nämlich nicht nur viel zu wenige Gründerinnen im Ruhrgebiet, sondern auch viel zu wenige Investorinnen.

Ein Auszug aus dem großen Startup-Buch “Wann endlich grasen Einhörner an der Emscher“. #EmscherEinhörner

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#Ruhrgebiet: Gemeinsam mit dem ruhr:HUB berichtet deutsche-startups.de regelmäßig über die Startup-Szene im Ruhrgebiet. Mit hunderten Startups, zahlreichen Gründerzentren und -initativen, diversen Investoren sowie dutzenden Startup-Events bietet das Ruhrgebiet ein spannendes Ökosystem für Digital-Gründer – mehr im Startup Guide Ruhrgebiet. Das Buch “Wann endlich grasen Einhörner an der Emscher” wiederum erzählt die spannendsten Startup- und Grown-Geschichten aus dem Ruhrgebiet.

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Foto (oben): Bauduu

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.