#Hintergrund
FlipCar: Monetarisierung auf neuen Wegen #DHDL
Wenn ein Konsument von der Möglichkeit hört, ein Auto für 1 Euro zu mieten, löst das bei ihm wahrscheinlich erst einmal Freude aus. Bei einem Investor hingegen eher Besorgnis, denn schließlich müssen selbst die spannendsten Startup-Ideen irgendwann einmal Geld verdienen, wenn der Weg nicht beim Insolvenzverwalter enden soll. Doch manchmal erlauben besondere Faktoren, neue Monetarisierungswege zu gehen.
Fast jeder, der zum ersten Mal ein Auto für nur eine einfache Strecke mieten will, also mit einem abweichenden Rückgabeort, ist schockiert über die extremen Zuschläge, die die Autovermietung hierfür fordert. Der Grund leuchtet dem sparwilligen, aber fahrfreudigen Konsumenten natürlich ein: Überführungen zwischen den einzelnen Stationen sind für die Autovermietung extrem teuer, sind aber unumgänglich, um für das entsprechende Angebot an allen Standorten zu sorgen.
Sven und Okan aus Bremen haben genau diese Problematiken auf beiden Seiten erkannt, und den Gedanken gehabt, der normalerweise einer mittlerweile schon fast „klassischen“ Plattform-Gründung vorausgeht: Wenn man beide Seiten zusammenbringt, können sie gegenseitig ihre Probleme lösen. Ein Grundsatz, auf dem Weltmarktgrößen wie Airbnb oder Uber beruhen. Und auch bei FlipCar ist es zunächst offensichtlich: Der Privatkunde bekommt einen günstigen Mietwagen, dem Autovermieter wird die aufwändige Überführung abgenommen. Eine klassische Win-Win-Situation, könnte man meinen. Und bei einer solchen Plattform wäre es üblich, eine Seite für die Problemlösung bezahlen lassen und über ein Provisionsmodell zu monetarisieren, also in dem die Plattform einen bestimmten Prozentsatz der Vergütung einbehält.
Doch die FlipCar-Gründer haben weitergedacht, und sind damit ein wenig vom klassischen Plattform-Weg abgekommen: Wer hat hier eigentlich das größere Problem und könnte damit auch die größere Zahlungsbereitschaft haben? Zusätzlich waren sie sich noch ihres Sonderfalls bewusst: denn anders als bei Ferienwohnungen oder Fahrservices waren beide Seiten bereit und vor allem gewohnt, für die erwartete Leistung Geld zu bezahlen. Keiner von beiden erwartete eine Bezahlung, denn dies war in ihren bisherigen Prozessen vollkommen undenkbar.
Doch im Gegensatz zur Autovermietung hat der Privatkunde Alternativen: Je nach Strecke und Verfügbarkeiten kann er zwischen Flugzeug, Bahn, Fernbus oder Mitfahrgelegenheit wählen. Für viele bedeutet selbst zu fahren immer noch die größte Bequemlichkeit, und da die Überführung sowieso geschehen würde, kann bei diesem Modell sogar ein gewisser Umweltaspekt argumentativ angeführt werden. Letzen Endes entscheidet der Kunde aber eben doch häufig nach dem Preis.
Die Autovermietung hat allerdings keine Alternativen, und selbst, wenn man nicht zu den ganz großen Playern gehört, sind mehrere hundert Überführungen pro Woche durchaus Normalität. Die Kosten hierfür sind immens, Einsparungen im dichten Preis- und Konkurrenzkampf dieses Marktes jederzeit willkommen.
Flipcars Herangehensweise, von den Autovermietungen eine Gebühr zu nehmen, von den privaten Fahrern hingegen nur einen symbolischen Euro, könnte sich als unheimlich klug herausstellen. Denn eine weitere Plattform-typische Charakteristik bleibt ihnen nicht vollkommen erspart: Das sogenannte Henne-Ei-Problem. Denn erst wenn auf beiden Seiten eine kritische Masse erreicht ist, wird es genug „Matches“ geben, also Überführungsanfragen seitens der Autovermietung, zu denen es eine passende Mietanfrage eines Privatkunden gibt (und vice versa). Denn besonders der Privatkunde wird die Lust, nach einem passenden Überführungsbedarf zu suchen, schnell verlieren, wenn er nur wenige Male nicht fündig wird. Dieser Effekt wird aber in diesem Fall durch zwei Faktoren abgemildert: Denn der so geringe Preis könnte den Privatkunden zu ein paar mehr Versuchen überzeugen, und da der Überführungspreis für die Autovermietungen ebenfalls günstiger ist als ihr klassischer Weg, sie also bei jeder so gewonnenen „alternativen“ Überführung sparen, wird ihre Geduld wohl ein wenig größer sein.
Doch FlipCar hat trotz vieler Stärken und begünstigenden Faktoren schließlich doch ein typisches Plattform-Problem: sollten sie nicht schnell genug wachsen und die kritischen Mengen erreichen, wird es immer schwieriger und damit teurer werden, Nutzer beider Seiten zu gewinnen und vor allem zu halten. Die Löwen hatten verschiedene Gründe, dabei nicht helfen zu wollen. Bleibt für die Gründer zu hoffen, dass sich ein anderer Investor außerhalb der Höhle findet, mit dem sie so richtig Fahrt aufnehmen können.
Lesetipp: “Die Höhle der Löwen” – Deals (2018), “Die Höhle der Löwen – Deals (2017)“, “Die Höhle der Löwen – Deals (2016)“, “Die Höhle der Löwen – Deals (2015)“, “Die Höhle der Löwen – Deals (2014)“. Für mehr Spaß vor der Glotze am besten unser “‘Die Höhle der Löwen’– Bullshit-Bingo” herunterladen.
Tipp: Alles über die Vox-Gründer-Show gibt es in unserer DHDL-Rubrik
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Foto (oben): TVNOW / Bernd-Michael Maurer