#5um5

“Es fehlt ein wenig an einer gesunden Portion Konkurrenz”

"Grundsätzlich fehlen hier noch mehr Startups. Ich fände es toll, wenn auch in Köln mehr Leute ihre Vision in die Tat umsetzen und nicht denken würden: 'Dafür muss man doch nach Berlin'", sagt Timoor Taufig, Gründer von Userlike, zum Standort Köln.
“Es fehlt ein wenig an einer gesunden Portion Konkurrenz”
Freitag, 11. Mai 2018VonAlexander Hüsing

Unsere Rubrik “5um5” liefert jeden Tag um Punkt 5 Uhr insgesamt – wer hätte das gedacht – 5 wissenswerte Fakten, bahnbrechende Tipps oder hanebüchene Anekdoten rund um ein startupaffines Thema. Heute spricht Timoor Taufig, Gründer von Userlike, einer Live-Chat-Software für den Kundenservice, über den Standort Köln. Das Startup ging 2011 in einer Kölner WG an den Start. Inzwischen arbeiten rund 30 Mitarbeiter für die Jungfirma.

Reden wir über Köln. Wenn es um Startups in Deutschland geht, richtet sich der Blick sofort nach Berlin. Was spricht für Köln als Startup-Standort?
Köln ist nicht nur eine lebenswerte Stadt mit vielen tollen Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung, sondern hat auch für Unternehmen viel zu bieten. Als Zentrum eines Einzugsgebiets mit fast 18 Millionen Menschen ergeben sich für Startups wie Userlike beispielsweise optimale Möglichkeiten, hoch qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Der Wohnungsmarkt zeigt es ja auch deutlich: Keine Stadt in NRW ist so attraktiv wie Köln. Das kann man sich zunutze machen, wenn man doch einmal gutes Personal aus anderen Städten nach Köln holen möchten. Außerdem ist Köln eine internationale und multikulturelle Stadt, was uns besonders bei der Internationalisierung hilft. In unserem Team arbeiten etwa Kollegen aus Holland, der Ukraine, Italien, Frankreich, Kolumbien und den USA. Dass Köln nicht Berlin ist, sehe ich übrigens als Vorteil: man wird nicht ständig durch unzählige Angebote für Meetings, Events und Konferenzen abgelenkt und kann sich dadurch besser aufs Wesentliche fokussieren. In unserem Fall bedeutet das, ein Produkt zu schaffen, welches mit seinen Funktionen begeistert und den Kontakt zwischen Unternehmen und ihren Kunden für beide Seiten erleichtert. Auch die geografische Lage in Europa lässt uns als Kölner Startup nicht neidisch auf Berlin schauen. Denn mit Amsterdam, Paris und London haben wir die wichtigsten europäischen Startup-Städte praktisch direkt vor der Haustür. In der Bundeshauptstadt befindet man sich da schon eher auf einer Insel.

Was genau macht den Reiz der Startup-Szene in Köln aus?
Wenn man eine tolle Idee verwirklichen möchte, ist man besonders zu Beginn auf den Rat und die Hilfe von anderen angewiesen. Bei Userlike hat uns da besonders die offene und tolerante Mentalität geholfen. Ein Kölner hilft einem anderen Kölner wirklich gerne, für ungesundes Konkurrenzdenken ist da wenig Platz. Außerdem kann man bei einem kühlen Kölsch am Aachener Weiher auch in der Freizeit Ideen und Tipps austauschen. Das hat mir schon so manches Mal enorm weitergeholfen. Dadurch, dass Köln als Startup-Standort noch nicht überlaufen ist, findet man zudem leicht Anschluss an die Szene und wird schnell in ein Netzwerk von enthusiastischen „Startup-Ökosystem-Betreibern“ integriert. Dazu zähle ich zum Beispiel das Team vom Startplatz, DevHouse Friday oder vom Pirate Summit, welches Userlike zum Live-Support bei Fragen von Startups auf ihrer Website einsetzt. Ich empfinde die Szene in Köln als sehr ehrlich und unterstützend, nicht zuletzt weil jeder mit Leidenschaft und Herzblut dabei ist. Durch Unternehmen wie zum Beispiel Microsoft, der Telekom und RTL findet man in Köln neben kleinen Unternehmen aber auch das Know How der Großkonzerne. Nicht zuletzt haben wir natürlich noch den Kölner Karneval, der ja eigentlich schon ein Reiz für sich ist. Er verdeutlicht mir aber auch jedes Mal aufs Neue, dass bei all der Arbeit, die ein Startup mit sich bringt, der Spaß nie zu kurz kommen sollte.

Was ist in Köln einfacher als im Rest der Republik?
In Köln hat man das Gefühl, dass alles ehrlich und gleichzeitig locker zugeht. Besonders in der Startup-Szene scheint es jeder in vollen Zügen zu genießen, seine Idee in die Tat umzusetzen. Ich habe bis jetzt nur Gründer getroffen, die wirklich Spaß an dem haben, was sie tun. Außerdem ist Köln eine totale Medienstadt und nicht umsonst die YouTube-Hochburg Deutschlands. Neben Produktionsstätten von Bewegtbild-Enthusiasten findet man hier aber vor allem viele gute Agenturen und Digitalschmieden. Diese Mischung macht die Akquise von externem Know How für ein Unternehmen wie Userlike auch deutlich leichter.

Was fehlt in Köln noch?
Grundsätzlich fehlen hier noch mehr Startups. Ich fände es toll, wenn auch in Köln mehr Leute ihre Vision in die Tat umsetzen und nicht denken würden: „Dafür muss man doch nach Berlin“. Denn obwohl die überschaubare Startup-Szene ihre Vorteile hat, kann das auch einen Nachteil für Austausch und Innovation bedeuten. Es fehlt ein wenig an einer gesunden Portion innovativer Konkurrenz, welche das eigene Startup ja auch vorantreiben kann.

Zum Schluss hast Du drei Wünsche frei: Was wünscht Du Dir für den Startup-Standort Köln?
Zunächst einmal würde ich mir wünschen, dass die Stadt Köln aktiv in den Austausch mit Startups tritt, ihre Anliegen endlich ernst nimmt und enger mit ihnen zusammenarbeitet. Es werden nämlich keine neuen Pharma-Konzerne rund um Köln entstehen und auch keine weiteren Automobilhersteller wie Ford hierher ziehen. Die neuen Wirtschaftstreiber werden in Zukunft nicht mehr in den alteingesessenen Industrien, sondern fast ausschließlich im Technologiesektor zu Hause sein. Bei der Stadt Köln herrscht meiner Meinung nach einfach eine zu starke Verwaltungs- und keine Gestaltungs-Mentalität. Mein Wunsch wäre daher, dass die Politik es Menschen aus Startups ermöglicht, aktiv mitzureden, wenn es um Entscheidungen für die Startup-Szene geht und dass basierend darauf gemeinsame Aktionen durchgeführt werden. Sonst wird Köln ewig im Schatten der anderen deutschen Großstädte stehen. Mein dritter Wunsch wäre eine intensive Förderung durch die Stadt Köln. Konkret denke ich dabei an Förderungen bei der Anmietung von Büroflächen, Vergünstigungen für notwendige Infrastrukturen und an eine Plattform, durch die ein intensiver Austausch zwischen der hier ansässigen Industrie und den Startups möglich wird. Die Kölner Verwaltung schläft da einfach total und schafft es nicht, Anreize zu setzen, um lokale Startups zu unterstützen und um internationale Tech-Unternehmen nach Köln zu locken. Ich persönlich fände es wirklich schade, wenn Köln den richtigen Zeitpunkt verpasst, zu einem bedeutenden Knotenpunkt für Startups zu werden. Denn es ist absolut nicht gerechtfertigt, dass diese Stadt bei der Wahl des Standorts gegenüber Hamburg, München und Berlin immer den Kürzeren zieht.

In unserem Themenschwerpunkt Köln berichten wir gezielt über die Digitalaktivitäten in der Rheinmetropole. Mit über 650 Start-ups, 25 Gründerzentren, attraktiven Investoren und zahlreichen Veranstaltungen und Netzwerken bieten Köln und das Umland ein spannendes Ökosystem für Gründerinnen und Gründer. Diese Rubrik wird unterstützt vom Digital Hub Cologne und der Stadt Köln.

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Foto (oben): Userlike

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.