Sologründer Joern Gutowski im Interview

“Wollte ein Unternehmen komplett alleine aufzubauen”

"In einem Team kann man die Gründe für Misserfolge oft auf andere abwälzen. Wenn man alleine ist, kann man sich nicht verstecken, sondern steht in voller Verantwortung dafür, was in der Firma gut und was schlecht läuft", sagt Try Foods-Gründer Joern Gutowski im Interview mit deutsche-startups.de.
“Wollte ein Unternehmen komplett alleine aufzubauen”
Mittwoch, 9. September 2015VonAlexander Hüsing

In unserem Themenschwerpunkt Sologründer beschäftigen wir uns ausführlich mit Einzelgründern, also Gründern die als Einzelperson ein Start-up hochziehen – siehe dazu auch “Einzelgründer sind keine schlechten Teamplayer” und “Einzelgründer müssen nicht immer kleine Brötchen backen“. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Joern Gutowski, Gründer des Genuss-Startups Try Foods, über sein Leben als Sologründer.

Was ist die größte Herausforderung, der sich Sologründer stellen müssen?
Ich würde sagen, es sind zwei gleich wichtige Herausforderungen: Als Sologründer muss man wichtige Kernkompetenzen für ein Startup wie Produktentwicklung, Finanzen, Marketing, Vertrieb etc. in einer Person vereinen können, während man in einem Gründerteam Personen mit unterschiedlichen Qualifikationen und Erfahrungen zusammenbringen kann. Als Sologründer ist man sprichwörtlich allein und kann mit niemanden, direkt Involvierten, Erfolge bzw. Misserfolge teilen.

Mit wem teilen Sie dann Erfolge bzw. Misserfolge?
Ich teile sie zuallerst mit meiner Frau. Zudem teile ich sie auch mit meinen drei Mitgesellschaftern und mit befreundeten Gründern. Da aber keiner von ihnen im täglichen Geschäft involviert sind, können sie nicht alles komplett mitfühlen oder nachvollziehen.

Blicken wir einmal auf die positive Seite: Was ist der größte Vorteil, den Sologründer haben?
Ich glaube, dass Menschen mit wachsender Verantwortung über sich hinauswachsen können. Da man als Sologründer nichts delegieren kann, sondern alles selbst machen muss, ist die Produktivität sehr hoch. Man verbringt keine Zeit in langen Besprechungen oder muss sich nicht mit gekränkten oder missverstandenen Egos herumschlagen. Und letztendlich bedeutet ein Gründer auch nur eine Person, die irgendwann über das Startup finanziert werden muss, was gerade für Bootstrapping-Startups nicht unbedeutend ist.

Sind Ihnen Fehler unterlaufen, die bei einer Teamgründung vermutlich nicht passiert wären?
Ganz bestimmt unterlaufen mir ständig Fehler, die mir mit einem Team nicht passiert wären. Das können banale Dinge sein wie der fehlende zweite Blick bei Texten oder ähnlichem oder fundamentale Entscheidungen wie der strategischen Ausrichtung des Unternehmens.

Sind in da welche unterlaufen?
Fehler bei Texten für Webseite oder Flyer sind schon öfter unterlaufen. Bei den fundamentalen Entscheidungen kann ich es nicht abschließend sagen. Try Foods wächst zwar, aber nicht so schnell, wie ich es mir bei der Gründung vorgestellt habe. Vielleicht hätte man als Team andere Prioritäten gesetzt, die für ein stärkeres Wachstum gesorgt hätten.

Würden Sie wieder ein Unternehmen alleine gründen?
Das ist eine schwere Frage. Tendenziell würde ich sagen, eher nein. Ich habe für mich persönlich festgestellt, dass ich ein Typ bin, der einfach lieber in Teams als alleine arbeitet.

Warum haben Sie sich dann überhaupt für eine Karriere als Sologründer entschieden, konnten Sie niemandem von ihrer Idee überzeugen?
Ich habe bei der Gründung nicht aktiv nach einem Mitgründer gesucht. Da ich vorher lange Jahre im Angestelltenverhältnis gearbeitet hatte, wollte ich mich der Herausforderung stellen, eine Marke und ein Unternehmen komplett alleine aufzubauen. Ich wollte herausfinden, ob ich so etwas alleine schaffen kann. In einem Team kann man die Gründe für Misserfolge oft auf andere abwälzen. Wenn man alleine ist, kann man sich nicht verstecken, sondern steht in voller Verantwortung dafür, was in der Firma gut und was schlecht läuft. Unabhängig davon, ob ich bei einer weiteren möglichen Gründung in ferner Zukunft eher in einem Team gründen würde, bin ich über die Erfahrung, die ich aktuell mache, extrem dankbar. Für mich ist es aktuell auch die höchste Priorität, Try Foods dahin zu führen, dass ich ein Team um mich herum aufbauen kann.

Welchen Tipp geben Sie anderen Sologründern mit auf den Weg?
Unterschätzt nicht die emotionale Komponente einer Sologründung. Deshalb ist auch die Vernetzung mit anderen Gründern, speziell Sologründern, extrem wichtig. Nicht nur, um sich über inhaltliche oder unternehmensbezogene Dinge zu sprechen, sondern um auch mal Frust loszuwerden. Denn dies ist selbst mit Freunden oder der Partnerin nicht ganz einfach, wenn diese nicht auch Gründer sind. Seid mit Gesprächspartnern aus unterschiedlichen Bereichen und mit unterschiedlichen Expertisen in Kontakt und besprecht Eure Ideen, Eure Produkte und Eure Pläne. Ich merke, dass ich aus jedem Gespräch etwas für mein Startup herausziehen und nutzen kann. Ich merke dabei immer wieder, dass es sehr gefährlich sein kann, zu lange im eigenen Saft zu schmoren.

Passend zu unserem Themenschwerpunkt Sologründer empfehlen wir folgende Artikel: “Als Einzelgründer durchstarten – aber wie?“, “Mit weniger als 1.000 Euro zum eigenen Start-up?” und “So expandiert man als Sologründer ins Ausland“. Weitere Artikel über Einzelgründer gibt es in unserer Übersicht zum Themenschwerpunkt Sologründer.

ds-soloBuchtipp für Sologründer: Ausführliche Informationen über das große Thema Solopreneurship (in all seinen Facetten) bietet das gelungene und lehrreiche Buch Solopreneur: Alleine schneller am Ziel von Brigitte und Ehrenfried Conta Gromberg, das als Buch und EBook zur Verfüfung steht. Hier ein Auszug: “Lieber solo gründen? Drei Mythen rund um Teams“.

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.