Gastbeitrag von Christian Arno

So expandiert man als Sologründer ins Ausland

Mit einem fremdsprachigen Onlineshop und/oder der Präsenz auf eBay bzw. Amazon hat man einen wichtigen Schritt getan. Der einzige Schritt darf das nicht bleiben. Mit passendem Onlinemarketing muss der Bekanntheitsgrad des Angebots in der fremdsprachigen Zielgruppe gesteigert werden.
So expandiert man als Sologründer ins Ausland
Donnerstag, 22. Januar 2015VonTeam

Herr Müller expandiert mit seinem Shop via Internet nach Frankreich. Das klingt immer noch etwas komisch. Andererseits ist es durchaus möglich: Das Internet hat massive Veränderungen in mehreren Bereichen gebracht und unter anderem hat es dafür gesorgt, dass selbst Sologründer virtuelle Standorte aufbauen können, um Zielgruppen in nahezu allen Teilen der Welt zu erreichen. Mit passend übersetzten Angebotstexten am richtigen Ort im Internet präsent zu sein, kann selbst unserem als Beispiel gewählten Herrn Müller einen deutlich vergrößerten Absatzmarkt und deutlich mehr Umsatz bescheren. Aber auch, wenn virtuelle Online-Expansionen oft nur einen Bruchteil echter Expansionen mit Ladenlokalen im Ausland kosten, muss man Zeit und Geld investieren. Da ist dann die Frage: Lohnt sich das? Die Antwort ist leider nicht klar und deutlich. Sie lautet: „manchmal“.

Herrn Müllers neue Zielgruppen

Einzelunternehmer mit einem Onlineshop, die sich fremdsprachige Zielgruppen erschließen möchten, kommen oft zunächst auf die Idee, Textinhalte auf Englisch zu übersetzen, weil zahlreiche Menschen Englisch zumindest als Zweitsprache sprechen. Wer sich aber das Verhalten von Konsumenten im Internet genauer anschaut, merkt schnell, dass der englischsprachige Onlineshop in der Regel nur eine gute Wahl ist, wenn man auch Zielgruppen mit Englisch als Muttersprache ansprechen möchte. Im Allgemeinen wählen Konsumenten im Internet Angebote in ihrer Muttersprache aus und greifen nur dann auf fremdsprachige Shops zurück, wenn sie nach Angeboten suchen, die ihnen heimische Shops nicht bieten.

Und so bleibt für unseren Herrn Müller wie für alle Menschen mit virtuellen Expansionsplänen die Frage: Wen spreche ich (in seiner Muttersprache) an und mache ihm meine Angebote? Die Frage sollte man nicht vorschnell beantworten, weil die Antwort bereits die Grundlage für Erfolg oder Misserfolg sein könnte. Es gibt zwei entscheidende Fragen bei der Auswahl:

  • Wie hoch ist der Bedarf an meinen Angeboten im Land X?
  • Wie hoch ist dort die Konkurrenz der Anbieter, die Ähnliches wie mein Onlineshop anbieten?

Man sollte sich bei diesen Fragen übrigens eher an Ländern als an Sprachräumen orientieren (deutscher Sprachraum z.B.: Deutschland, Teile der Schweiz, Österreich), weil so eher ein zielgerichtetes Marketing möglich wird.

Wie sind die Grundbedingungen?

Für eine gute Antwort auf die Frage, welche fremdsprachige Zielgruppe man anvisiert, sollte man sich auch die Rahmenbedingungen für Geschäfte mit dieser Zielgruppe ansehen. In welchem rechtlichen Rahmen bewegt man sich? Muss man Zollvorschriften beachten? Wie lange dauert der Versand und welche Kosten fallen dafür an? Antworten auf solche Fragen haben schon manch ein Land, das zunächst für eine virtuelle Expansion erfolgversprechend aussah, aus dem Pool der Möglichkeiten geschleudert. Und das ist gut so. Es ist immer besser, man erkennt mögliche Probleme frühzeitig!

Wo und wie schlage ich mein Lager auf?

Wie und wo erreiche ich meine Zielgruppe? Das sind die nächsten zu beantwortenden Fragen bei einer virtuellen Expansion. Auch im Internet benötigt man so etwas wie eine Filiale. Dazu ist nicht zwangsläufig eine fremdsprachiger eigener Onlineshop nötig. Man kann sich etwa zunächst (oder dauerhaft) dafür entscheiden, seine Produkte auf eBay oder Amazon fremdsprachig anzubieten. Das kann sich beispielsweise sehr gut als Test eignen, ob die Expansion Erfolge bringt. Die nötigen Investitionen sind im Vergleich zum eigenen fremdsprachigen Onlineshop geringer und man bewegt sich in einer etablierten Handelsinfrastruktur. Nachteil: Natürlich wollen auch eBay und Amazon verdienen. Mittelfristig sollte man daher überlegen, ob sich nicht doch höhere Investitionen und ein eigener fremdsprachiger Onlineshop lohnen.

Wie mache ich mich hörbar/sichtbar?

Mit dem fremdsprachigen Onlineshop und/oder der Präsenz auf eBay bzw. Amazon hat man einen wichtigen ersten Schritt getan. Der einzige Schritt darf das natürlich nicht bleiben. Mit passendem Onlinemarketing muss der Bekanntheitsgrad des Angebots in der fremdsprachigen Zielgruppe gesteigert werden. Hierfür hat man in der Regel dieselbe Palette an Marketing-Möglichkeiten zur Verfügung wie in Deutschland. Allerdings sind die gesetzlichen Regeln und die Akteure bisweilen andere. Suchmaschinenmarketing in China ist etwa eng mit Anbietern wie Baidu und nicht mit Google verbunden. In Russland kommt Yandex in Frage. Beim Social-Media-Marketing kommen dann – neben Facebook und Co. – vielleicht Akteure wie Odnoklassniki und Q-Zone ins Spiel. Und für SEO sollte man eine neue Keyword-Analyse durchführen, um geeignete Keywords zu finden.

Nicht zuletzt sollte man natürlich einerseits auf die korrekte Übersetzung textlicher Inhalte achten, sich andererseits aber auch bewusst sein, dass man sich möglicherweise in einer fremden Kultur bewegt. Das bedeutet: Man wirbt hier vielleicht auf andere Art erfolgreich, hat eventuell einen anderen Humor und kennt andere Tabus als beispielsweise in Deutschland. Auch das zu berücksichtigen, kann über Erfolg und Misserfolg entscheiden: bei Herrn Müllers virtueller Expansion. Und vielleicht auch bei ihrer?

Tipp: In unserem Themenschwerpunkt Sologründer beschäftigen wir uns ausführlich mit Einzelgründern, also Gründern die als Einzelperson ein Start-up hochziehen – siehe dazu auch “Einzelgründer müssen nicht immer kleine Brötchen backen“.

Zur Person
Christian Arno ist Gründer und Geschäftsführer von Lingo24. Folge Lingo24 auf Twitter (@l24de).

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