Gründerinnen gesucht

Die deutsche Online-Gründerszene ist ein Männerverein. Auf Kongressen, Tagungen und sonstigen Branchenhöhepunkten sind Frauen die große Ausnahme. Eine wichtige Rolle dabei spielt sicherlich die Historie. Das Internet war in den Anfangsjahren ein reines […]
Gründerinnen gesucht
Donnerstag, 5. Juli 2007VonAlexander Hüsing

Die deutsche Online-Gründerszene ist ein Männerverein. Auf Kongressen, Tagungen und sonstigen Branchenhöhepunkten sind Frauen die große Ausnahme. Eine wichtige Rolle dabei spielt sicherlich die Historie. Das Internet war in den Anfangsjahren ein reines Männerthema. Die weibliche Mehrheit der Bevölkerung entdeckte das Netz erst nach und nach. Ganz aufgeholt haben die Frauen noch immer nicht. Laut AGOF lag der Frauenanteil im Internet zuletzt bei 44,5 %. Nur in den jüngeren Altersklassen (14 bis 39 Jahre) sind beide Geschlechter inzwischen nahezu gleich stark vertreten.

Gründerinnen sind aber keinesfalls nur in der Online-Branche die Ausnahme – auch generell wagen Frauen seltener den Sprung in die Selbstständigkeit. Auch wenn die bundesweite gründerinnenagentur (bga) zuletzt einen Aufwärtstrend feststellte, so ist doch nur jeder vierte Selbstständige eine Frau. Viele Frauen unterschätzen offenbar ihre Fähigkeiten und nehmen aus Angst vor dem Scheitern Abstand von einer Gründung. Dabei sind Frauen in den meisten Fällen besser ausgebildet als Männer. Zudem scheitern Frauen seltener. “Frauen gründen zwar in bescheidenerem Rahmen und vorsichtiger, ihre Unternehmen haben jedoch auch eine höhere Überlebensdauer”, heißt es in einer bga-Publikation. Auch inhaltlich lässt sich ein Unterschied feststellen: Viele von Frauen initiierte Gründungen entstehen aus alltäglichen Bedürfnissen heraus. Sie schließen sozusagen eine Nische mit ihrem Unternehmen.

Die wichtigsten Online-Gründerinnen Deutschlands

Doreen Brüggemann – travello

” zudem ein Zusammenschluss aller Einzel-Websites.

Ailin Gräf – Anshe Chung Studios

Anshe ChungIn der Presse ist Ailin Gräf meist als “Secondlife”-Millionärin bzw. unter ihrem Kunstnamen Anshe Chung bekannt. Seit knapp drei Jahren treibt sich die gebürtige Chinesin mit deutschem Pass im Metaversum “Secondlife” herum. Mehrere Monate beobachtete die ehemalige Sprachenlehrerin mit ihrem Avatar Anshe Chung die virtuelle Welt ganz genau. Irgendwann stieg sie in den Immobilienhandel ein. Sie kaufte Land, baute Häuser, formte Landschaften und verkaufte alles mit Gewinn weiter. Inzwischen betreibt sie das Geschäft mit ihrem Mann Guntram Gräf im ganz großen Still. Anfang 2006 gründete Gräf schließlich die Anshe Chung Studios. Längst arbeitet die Großgrundbesitzerin dabei nicht mehr nur auf eigene Rechnung, sondern erfüllt Bauaufträge für Großunternehmen. Der Firmensitz des Unternehmens ist im chinesischen Wuhan.

Heike Helfenstein – Platinnetz

Heike HelfensteinGemeinsam mit Jan Bromberger und ihrem Mann Markus Helfenstein hat Heike Helfenstein Anfang April dieses Jahres die Silver-Surfer-Plattform “Platinnetz” (Slogan: “Verbindungen leben: Das Netzwerk für aktive Menschen 50+”) ins Leben gerufen. Über 50-Jährige – sogenannte Silver Surfer – können sich in der Community über Themen wie Gesundheit, Kultur und Enkel austauschen. Im Vordergrund stehe dabei der Erfahrungsaustausch und das Kennenlernen neuer Freunde und Bekannter, in der virtuellen Welt, aber auch im realen Leben, sagt Helfenstein. Bevor sie mit “Platinnetz” den Sprung ins Jungunternehmertum wagte, arbeitete sie mehrere Jahre bei “e-fellows.net”. Die spannende Anfangszeit beim studentischen Karrierenetzwerk weckte in ihr den Wunsch, selbst ein Unternehmen zu gründen.

Claudia Helming – DaWanda

Claudia HelmingIm Dezember des vergangenen Jahres starteten Claudia Helming und Michael Pütz den Online-Marktplatz “DaWanda“. Professionelle Kunsthandwerker, Künstler und Designer aller Art können über den Cyber-Kaufladen seitdem ihre selbst gefertigten Produkte und Kunstwerke vertreiben. Knapp 2.000 Anbieter haben die Berliner nach eigenen Angaben bisher vom “Dawanda”-Konzept überzeugen können – Tendenz stark steigend. Von jedem verkauften Artikel landen 5 % des Verkaufspreises in der Kasse des Marktplatzes. Vor “DaWanda” wirkte Helming – ebenso wie ihr Mitgründer Pütz – bei “Passado”, einer Community für Schulfreunde. Während eines gemeinsamen Aufenthaltes in der russischen Hauptstadt Moskau entstand bereits 2005 die erste Idee für ein eigenes Startup und “DaWanda” (eigentlich ein afrikanischer Frauenname).

Eva K. Hinte – bondea

Eva K. HinteDie Idee zum Frauen-Netzwerk “bondea” kam der Wirtschaftsstudentin Eva K. Hinte während eines Gesprächs mit Freundinnen, die gerade Mütter geworden waren. Ein reines Mütternetzwerk wollte die Berlinerin aber nicht ins Leben rufen. Ihr schwebte von Anfang an ein “ganzheitliches Konzept” vor. Schließlich “verlieren Mütter nicht plötzlich das Interesse an anderen Dingen”, sagt Hinte. Deswegen können Frauen bei “bondea” nicht nur “andere Mütter an den Schulen ihrer Kinder ausfindig machen”, sondern auch über ihre Lieblingsserie diskutieren, Freundschaften pflegen sowie über Kultur, Mode und Kosmetik plaudern. Den Start von “bondea” haben Hinte und ihre beiden Mitgründer Florian Nöll und Sascha Schubert mit Unterstützung eines Business Angels selbst finanziert. Gespräche mit weiteren Investoren laufen bereits.

Beate Rank – tradoria

Beate RankDamit mehr kleine Händler den Weg ins Netz finden, startete Beate Rank gemeinsam mit Tobias Kobier (beide auch Geschäftsführer der Online-Agentur isynion) im April dieses Jahres “tradoria“. Das Multi-Commerce-System soll laut Unternehmensangaben “Händlern eine Lösung anbieten, die alle Prozesse des Internethandels abbildet”. “tradoria” fungiere dabei als zentraler Fulfillment-Anbieter und gewährleiste die Einhaltung der Rechtsvorschriften, die Payment-Abwicklung mit Treuhandservice, das Versand- und Retourenmanagement sowie den Support. Händler können sich mit “tradoria” ihren ganz persönlichen Cyber-Verkaufsstand zimmern und diesen unter ihrer eigenen Domain betreiben. Zusätzlich bündelt “tradoria” alle kleinen Shops in einem großen Warenhaus. Der Clou: Kunden können alle Produkte in einen gemeinsamen Warenkorb legen.

Julia Schneider – schwarzekarte.de

Julia SchneiderZusammen mit Jan Becker und Felix Baltes hat Julia Schneider die Web-Community “schwarzekarte.de” ins Leben gerufen. Das geschlossene Netzwerk richtet sich an 20 bis 30-jährige Studenten, die gerne verreisen und viel Zeit in Freundschaften investieren. Teil der Community kann man nur werden, wenn man von einem Mitglied eingeladen wird. Rund 100.000 Mitglieder hat “schwarzekarte.de” nach eigenen Angaben bisher. Ein Massennetzwerk soll “schwarzekarte.de” nicht werden. Das Nutzerpotenzial sieht Schneider bei rund 200.000 Mitgliedern. Neben schwarzekarte.de wollen die Kölnerin und ihre Mitstreiter künftig weitere Nischen-Communitys starten. Mit “mywuff.com” ging der erste Ableger bereits ins Netz. Das Lifestyleportal für Hundefreunde soll Tier und Mensch verbinden. Im Gegensatz zu “schwarzekarte.de” steht das tierische Netzwerk allen Onlinern offen.

Stephanie Staar und Tanja Prinzessin zu Waldeck und Pyrmont – netmoms

Stephanie Staar, Tanja Cassandra Prinzessin zu Waldeck und Pyrmont, CharlotteSeit April helfen Stephanie Staar und Tanja Prinzessin zu Waldeck und Pyrmont Deutschlands Müttern mit “netmoms” bei der Kontaktpflege. “Bei \’netmoms\’ können Mütter andere Mütter kennen lernen, Erfahrungen austauschen und über Themen, die ihnen am Herzen liegen, diskutieren”, sagt Staar. Zur Seite steht den beiden Gründerinnen als dritter im Bunde Jens Echterling. Alle haben früher für McKinsey gearbeitet. Zuletzt wirkte Staar allerdings als Head of Strategy bei Avarto, der Druck- und Servicesparte von Bertelsmann. Ihren Zweitjob als Managing Director bei “Plazes” hat Staar inzwischen an den Nagel gehängt. Nun steckt sie ihre ganze Arbeitskraft in den Auf- und Ausbau von “netmoms”. Für authentische Muttergefühle im “netmoms”-Gründerteam sorgt Tanja zu Waldeck und Pyrmont. Töchterchen Charlotte kam im Februar zur Welt.

Christine Stumpf – weblin

Christine Stumpf Im Sommer des vergangenen Jahres jagte Christine Stumpf gemeinsam mit Heiner Wolf das Alter-Ego-System “Zweitgeist” ins Internet. Mit der kostenlosen Software der Karlsruher kann sich jeder Onliner einen virtuellen Charakter aussuchen und wird so im Netz sichtbar. Auf diese Weise ist es möglich, dass sich Besucher einer Website unterhalten können, ohne dass der Betreiber dafür einen besonderen Service anbieten muss. Um die internationale Expansion voranzutreiben, haben die beiden Gründer ihren Dienst inzwischen in weblin umbenannt. Die Zahl der Nutzer gibt Stumpf mit “deutlich fünfstellig” an. Finanzieren soll sich die Avatarwelt über Online-Werbung, ein Premium-Modell und den Verkauf von virtuellen Gegenständen. Vor Zweitgeist/weblin hat Stumpf bei der Softwareschmiede bluehands gearbeitet und davor das Unternehmen Cyland gegründet.

Rebecca Wölflick – jobtastic

Rebecca WölflickAngst vor großen Tieren hat Rebecca Wölflick keine. Sonst hätte sie sich vermutlich auch nicht in den heiß umkämpften Markt für Online-Jobbörsen gewagt. Gemeinsam mit Jochen Meyer schickte sie im Februar den Stellenmarkt “jobtastic” ins Rennen. Im Gegensatz zu der etablierten Konkurrenz müssen Unternehmen bei der jungen Jobbörse nicht jede Anzeige einzeln bezahlen. Bei “jobtastic” läuft alles über eine Flatrate (1000 Euro). “Diese hat eine Laufzeit von 12 Monaten und ermöglicht es Unternehmen eine unbegrenzte Anzahl an Stellenanzeigen zu veröffentlichen”, sagt Wölflick. In der Premium-Version übernehmen die Gründer sogar die gesamte Einstellung der Stellenanzeigen. Dieser Service kostet allerdings 10 Euro mehr pro Anzeige. Vor “jobtastic” arbeitete Wölflick in einer Personalvermittlung. Mit dem Thema Jobbörsen kennt sie sich somit also aus.

Weitere wichtige Web-Gründerinnen *

Sharon Adler (Aviva-Berlin), Petra Bedford (Mamarella), Ellen Bendin (wunschenken), Pia Bohlen-Mayen (femity), Calina Fontanesi & Carina Runge-Mathis (mamiweb), Silke Haffner (NetDoktor.de), Ute Jansing (Pitopia), Silke Thao Pross (mummynetwork), Anja Rauhut (Jobmixer), Nicole Roiger (7just7), Corina Schukraft-Wadle (Ibambiboo), Maike Senger (Luxusbabe), Verena Simon (manolitoswelt.de), Julia Soergel (mite), Maren Winter (Lütte leihen).

Noch in den Startlöchern stehen *

Sarah Fenner (manoolia), Nina-Julia Kunath (paulsmama.de), Irmgard Leveling & Katja Zukic (1-2-3-family), Ute-Gabriela-Maria Moritz (3 Founder – One way – Web 2.0), Cornelia Müller (Waiting for Jason), Elke Ratke (Kultohr).

* Wir haben jemanden vergessen? Ergänzungen nehmen wir gerne entgegen.

Links für Gründerinnen
* bundesweite gründerinnenagentur
* Deutsches Gründerinnen Forum e.V.
* FrauenmachenKarriere
* WeiberWirtschaft eG

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.