#Interview

“Der Zwang zum schnellen Erfolg ist recht hoch, wenn externe Kapitalgeber:innen dabei sind”

mySheepi-Gründer Lars Reimann zog sein Unternehmen anfangs als Moonlight-Startup, also nebenbei, hoch. "Irgendwann reichte der Überschuss für ein Bürozimmer und die ersten Festangestellten - dies war Mitte 2019. Bis dahin habe ich mein Gehalt in einem Teilzeitjob verdient", erzählt Reimann.
“Der Zwang zum schnellen Erfolg ist recht hoch, wenn externe Kapitalgeber:innen dabei sind”
Dienstag, 6. April 2021VonAlexander Hüsing

Das Berliner Startup mySheepi setzt auf ergonomische und nachhaltige Kissen. “Die Geschäftsgründung habe ich aus eigenen Mitteln finanziert. Durch den frühen Erfolg konnten wir uns aber weiter aus dem Cashflow finanzieren. Unsere Gesellschaft hat bis dato keine Investoren, aber wir führen ab und zu Gespräche mit interessanten Menschen, die bereits Erfahrung und Erfolg im E-Commerce haben. Wir halten uns alle Optionen offen”, sagt Gründer Lars Reimann.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der mySheepi-Macher außerdem über Teilzeitjobs, gutes Marketing und Leidenschaft.

Wie würdest Du Deiner Großmutter mySheepi erklären?
Ganz einfach: Viele Beschwerden, die uns heutzutage plagen wie beispielsweise Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, Rückenschmerzen und sogar Schwindelgefühle sowie Tinnitus können als Ursache eine überbeanspruchte Nackenmuskulatur haben. Ganz konkret ist es die Atlas-Ringmuskulatur. Das Problem liegt oft in der falschen Lagerung des Kopfes, beispielsweise beim Schlafen, aber auch bei üblichen Haltungen am Schreibtisch oder beim ständigen nach unten sehen auf unser Handy. Da wir ein Drittel des Tages schlafend im Bett verbringen, sollte diese Zeit für geistige und körperliche Regeneration genutzt werden. Unser Kopf- Hals- und Nackenbereich ist eine sehr sensible Stelle, die es gilt, anatomisch korrekt zu lagern. Am Institut für angewandte Humankybernetik in Berlin wurden jahrelang diese Symptome und Ursachen untersucht und in einer patientenbasierten Studie nachgewiesen, dass Kissen mit einer beweglichen Nackenrolle den optimalen Lagerungszustand gewährleisten und so die genannten Probleme lindern können. Natürlich sollte man bei solchen Symptomen unbedingt mit einem Arzt sprechen, aber auch hier gibt es bereits eine Reihe an Orthopäden und Therapeuten, die mySheepi Ihren Patient:innen empfehlen. Außerdem können unsere Kissen auf die persönlichen Bedürfnisse angepasst werden. Das ist wichtig, weil jede:r von uns individuell ist, was den Körperbau und die Schlafgewohnheiten angeht. Mit mySheepi bieten wir also Kissen an, die einen gesunden und ergonomischen Schlaf fördern und zeigen: Gesunder Schlaf ist kein Luxus und ist für jede:n zugänglich.

Hat sich das Konzept, das Geschäftsmodell, in den vergangenen Jahren irgendwie verändert?
Das patentierte Kissenkonzept bestand bereits als Minimal Viable Product (MVP). Wir haben das Konzept in Teilen angepasst, um es markttauglich zu machen. Nach ungefähr einem Jahr waren wir selbst überrascht, wie vielen Menschen wir helfen konnten und das tun wir weiterhin täglich. Die Geschäftsgründung habe ich aus eigenen Mitteln finanziert. Durch den frühen Erfolg konnten wir uns aber weiter aus dem Cashflow finanzieren. Unsere Gesellschaft hat bis dato keine Investoren, aber wir führen ab und zu Gespräche mit interessanten Menschen, die bereits Erfahrung und Erfolg im E-Commerce haben. Wir halten uns alle Optionen offen.

Du hast mySheepi bisher ohne Fremd-Finanzierungen und Kapitalgeber aufgebaut. War dies von Anfang an eine bewusste Entscheidung?
Ja, das war definitiv eine bewusste Entscheidung. Die Vorteile das eigene Startup ohne jegliches Fremdkapital aufzubauen liegen dabei auf der Hand: Die Kontrolle über alle Entscheidungen liegen bei einem selbst. Denn wenn man sich für eine:n Investor:in entscheidet, ist es ein sehr langwieriger Prozess. Da müssen einfach auch die Vision für das Startup und die Werte übereinstimmen. Außerdem ist der Zwang zum schnellen Erfolg recht hoch, wenn externe Kapitalgeber:innen dabei sind. Es muss funktionieren und das in einem rasanten Tempo, am besten sofort positiven Cashflow und Gewinne erzielen. Für mich persönlich ist gesundes, organisches Wachstum wichtig. Dass wir uns recht schnell aus dem Cashflow finanzieren konnten, hat gezeigt, dass das Geschäftsmodell funktioniert und uns nur noch mehr darin bestärkt weiterzumachen.

Wie war der Start ohne fremdes Geld – was geht recht einfach, was ist als Bootstrapping-Startup recht schwierig?
Ganz klar ist das Budget anfangs sehr begrenzt. Eine sorgfältige Vorbereitung und Planung ist daher das A und O. Wir haben zu Beginn viel probiert und Dinge, die nicht funktioniert haben, wieder verworfen. Ganz konkret im Bereich Online-Marketing. Zu Beginn haben wir ganz klassisch aus dem Home Office gearbeitet und jeden Cent reinvestiert. Dann kam der Umzug in den Co-Working Space und irgendwann reichte der Überschuss für ein kleines Bürozimmer und die ersten drei Festangestellten – dies war Mitte 2019. Bis dahin habe ich mein Gehalt in einem Teilzeitjob verdient und nebenher das Business organisiert und sieben Tage die Woche Support gemacht. Das war anstrengend, hat aber riesigen Spaß gemacht, weil ich jeden Tag mit Menschen gesprochen habe, denen unsere Produkte geholfen haben.

Gab es denn viele Dinge, die Du einfach nicht umsetzen konntest, weil das Geld fehlte?
Um die richtigen Zielgruppen zu erreichen, musst du als E-Commerce Unternehmen natürlich viel in intelligentes Marketing investieren. Dazu zählt auch, gute Erklärvideos und -fotos zu produzieren. Hier fehlt oft das Geld, daher habe ich hier zu Beginn viel selbst gemacht – diese hatten natürlich keine optimale Qualität. Aber wenn man hinter der Idee steht, zieht man das einfach durch. Wie bereits erwähnt, fehlt zu Beginn oft das Geld für gutes Marketing und das zieht den Prozess sehr in die Länge – mit Finanzierung würde das natürlich schneller gehen.

Was rätst du anderen Gründer:innen, die sich für Bootstrapping entscheiden?
Ich kann meine Erfahrung nur im E-Commerce teilen und da lautet die Devise: Durchhalten und fest an die Idee glauben! Dann gilt es im Rahmen der Mittel Dinge auszuprobieren. Tauscht euch mit anderen Gründer:innen aus und belest euch viel. Es gibt viele gute Blogs und Bücher zu den unterschiedlichsten Themen. Akzeptiert Rückschläge und setzt euch auch sowohl Ziele als auch Grenzen. Seid also unbedingt ehrlich zu euch selbst. Außerdem ist ein Proof of Concept wichtig: Ist das vorher identifizierte Problem real, die Zielgruppe existent und der Markt verlangt nach dem Produkt oder der Dienstleistung? Dann sprecht mit den Kund:innen, lernt daraus und passt euer Produkt beziehungsweise die Dienstleistung weiter an. Habt ihr also nur wenige Versuche und begrenztes Kapital, solltet ihr diese Ratschläge beherzigen. Wenn ihr es bis hierher geschafft habt, findet ihr auch Menschen, die zu euch passen, eure Leidenschaft teilen und mit auf eure Reise gehen.

Wie genau hat sich mySheepi seit der Gründung entwickelt?
Seit der Gründung ist unser Team stark gewachsen – mittlerweile haben wir circa zehn Mitarbeiter:innen. Wir erweitern auch unser Produktportfolio – rund um das Kernprodukt – stetig weiter. Kund:innen können heute zwischen dem mySheepi HOME, dass es in drei verschiedenen Größen gibt, dem mySheepi TRAVEL und dem mySheepi KIDS wählen. Zudem gibt es eine Vielzahl an Füllungen und Zubehör. Und eins kann ich jetzt schon sagen: Schon bald wird es tolle neue Produktneuheiten geben.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Ach, da sind so einige Fettnäpfchen zusammen gekommen! Ich war beispielsweise überzeugt, dass ich mit meinem Background nur ein paar Bücher über SEO/ SEA und Online Marketing lesen muss und es dann losgehen kann. Nachdem ich dann aber einen nicht unerheblichen Betrag Geld sprichwörtlich verbrannt habe, habe ich mir professionelle Hilfe geholt. Auch haben wir die eine oder andere Fehlentscheidung bei der Auswahl von Software getroffen, die uns Zeit und viel Geld gekostet hat. Wenn man das alles durchsteht und Fehlentscheidungen nicht wiederholt, waren es einprägsame Learnings. Auch mit Stoffen, den entsprechenden Zertifikaten und der Produktion kannte ich mich zu Beginn kaum aus.

Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Man kann wohl nie sagen, dass man alles richtig gemacht hat, aber ich bin beispielsweise sehr stolz auf unser Team, unsere Unternehmenskultur und das, was wir bis hierher geschafft haben. Wir sind jeden Tag mit viel Leidenschaft dabei und werden jeden Tag aufs Neue motiviert, wenn uns Kund:innen anrufen oder schreiben, dass wir helfen konnten. Das macht einen großen Teil des Sinns unseres täglichen Tuns aus.

Wo steht mySheepi in einem Jahr?
Etwas visionär gedacht ist in einem Jahr ein mySheepi in jedem deutschen Bett. Wir möchten mySheepi zu einem Lifestyle-Produkt entwickeln, das hilft, gesunden und erholsamen Schlaf zu einer Selbstverständlichkeit zu machen. Zugleich möchten wir erreichen, dass folgende Message in der breiten Gesellschaft ankommt: Gesunder und erholsamer Schlaf ist wichtig – egal, ob groß oder klein, Büroangestellte, Sportler:innen, Reisende etc. Diese Liste ist endlos.

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Foto (oben): mySheepi

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.