#Interview

“Wir haben gelernt, dass wir viel erfolgreicher arbeiten, wenn wir erfahrene Mitarbeiter holen”

Bei Freachly dreht sich alles um lokales Marketing. Inzwischen arbeiten 70 Mitarbeiter für das junge Berliner Unternehmen. "Wir stehen bei etwa 900 Kunden. Mit einem großen sechsstelligen wiederkehrenden Monatsumsatz", sagt Mitgründer Steffen Allesch.
“Wir haben gelernt, dass wir viel erfolgreicher arbeiten, wenn wir erfahrene Mitarbeiter holen”
Dienstag, 9. Februar 2021VonAlexander Hüsing

Das junge Unternehmen Freachly, das 2017 von Mario Geiß und Steffen Allesch gegründet wurde, positioniert sich als SaaS-Marketing-Plattform für lokales Marketing. Zum Start setzte das Startup dabei auf Influencer-Marketing. “Zu diesem Zeitpunkt war uns aber schon klar, dass es weitere Bausteine braucht, um wirklich ganzheitlich online zu werben. Inzwischen bieten wir sechs Service-Leistungen. Unser Ziel: eine Marketingplattform, auf der sich wirklich alles als Software-Lösung findet, was ein lokaler Unternehmer braucht”, sagt Mitgründer Geiß.

Inzwischen setzt rund 900 Kunden auf Freachly, das von HV Capital und Partech finanziert wird. “Mit einem großen sechsstelligen wiederkehrenden Monatsumsatz. Trotz Corona-Krise sind wir über den Jahresverlauf 2020 sehr, sehr stark gewachsen. Unser MRR ist deutlich höher als vor Corona. Mit der KPI-Entwicklung sind wir sehr zufrieden”, sagt Mitstreiter Allesch. Zurzeit beschäftigt Freachly rund 70 Mitarbeiter. Im Interview mit deutsche-startups.de sprechen die Freachly-Macher außerdem über Office-Neubezüge, Kultur und Vertriebsnetzwerke.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Freachly erklären?
Geiß: Ganz simpel: Liebe Oma, jedes lokale Unternehmen, also jedes Restaurant, jeder Buchladen, jedes Cafe muss bekannt werden, muss Werbung machen, damit es neue Gäste bekommt. Oder neue Kunden. Das nennt man Marketing. Und ein Großteil der Marketingaktivitäten heutzutage findet online statt. Warum? Dort sind die Menschen eben heute unterwegs. Im Durchschnitt eineinhalb bis zwei Stunden pro Tag. Sie surfen im Internet, vernetzen sich über soziale Medien mit ihren Freunden und informieren sich eben auch über lokale Unternehmen online, bevor sie dort Kunden werden. Und wir mit Freachly ermöglichen es diesen lokalen Unternehmen, dort ein gutes Bild abzugeben. Und neue Kunden genau dann für sich zu gewinnen, wenn diese nach einem Angebot wie dem ihren suchen.

Hat sich das Konzept seit dem Start irgendwie verändert?
Allesch: Nein, grundsätzlich nicht. Gestartet sind wir mit einem Influencer-Produkt. Das war unser erster Baustein. Zu diesem Zeitpunkt war uns aber schon klar, dass es weitere Bausteine braucht, um wirklich erfolgreich und ganzheitlich online zu werben. Inzwischen bieten wir unseren Kunden sechs ausgefeilte Service-Leistungen: Influencer-Marketing, Instagram Account Management, professionelle Fotografen-Shootings, Werbeanzeigen auf Social Media, ein Feature zum Cross-Plattform-Marketing und ganz neu im Portfolio: Ein Tool, mit dem lokale Unternehmen professionell Bewertungen sammeln. Für mehr Sichtbarkeit und ein besseres Ranking auf Google. Alle Produkte sind smarte und erschwingliche Software-as-a-Service-Leistungen. Unser Ziel: eine Marketingplattform, auf der sich wirklich alles als Software-Lösung findet, was ein lokaler Unternehmer braucht, um online neue Kunden zu gewinnen.

Die Corona-Krise traf die Startup-Szene zuletzt hart. Wie habt ihr die Auswirkungen gespürt?
Geiß: Logischerweise sind viele Kunden von uns direkt oder indirekt betroffen. Durch Schließungen, Teilschließungen oder verminderten Publikumsverkehr. Mit dem abrupten Lockdown Mitte März kam es bei vielen Kunden zu Panik. Sie hatten das Gefühl, ihr wirtschaftliches Fundament wird ihnen unter den Füßen weggezogen. Wir haben dann sehr schnell einen Action-Plan aufgesetzt, wie wir unseren Kunden helfen können.

Allesch: Auf der anderen Seite hat die Corona-Krise uns dann eigentlich sehr geholfen: Das Service-Portfolio vieler Kunden hat sich zum Beispiel verändert. Da gab es Restaurants, die plötzlich ein Take-Away- oder Liefergeschäft gestartet haben. Oder einen Friseur, bei dem jetzt online Termine reserviert werden mussten. Das war für uns wiederum eine Chance, darauf durch unsere Dienstleistungen aufmerksam zu machen. Soziale Marketingkanäle gewannen in der Krise zunehmend an Bedeutung für lokale Unternehmen. Sie erlebten, dass sie über die sozialen Medien auch im Lockdown Kontakt zu ihren Kunden halten konnten. Folge: In Q3 hatten wir dann ein Rekordquartal. Unser gesamtes Leistungsportfolio war so stark nachgefragt wie noch nie. Das hat uns auch bestätigt, was wir immer dachten: Social-Media-Marketing ist wichtig. Und mit unserem preiswerten Total-Marketing-Ansatz haben wir einen Nerv getroffen.

Wie ist überhaupt die Idee zu Freachly entstanden?
Geiß: Steffen und ich, wir kannten uns schon aus dem Studium. Wir hatten immer viel über Startups gesprochen. Und dann sind wir beide für das letzte Studienjahr ins Ausland. Steffen ist nach Paris. Ich bin nach Mailand. Und dort haben wir beide simultan dieselbe Erfahrung gemacht: Nämlich dass man so eine neue Stadt heute gar nicht so sehr über die traditionellen Kanäle erkundet. Also sich nicht irgendwie einen Reiseführer kauft und schaut, was sind die coolen Plätze, Cafes und Restaurants. Man informiert sich online. Und bekommt dort über Blogs, Portale und vor allem Influencer einen weit lebendigeren Vorgeschmack auf Locations, die Stimmung in einem Restaurant oder was man in einem bestimmten Museum alles erleben kann. Uns beiden war schnell klar: Das ist ein mega Kanal für lokale Unternehmer. Und dann haben wir so ein bisschen eins und eins zusammengezählt. Auf der einen Seite diese lokalen Unternehmer, die sich sehr schwertun mit Digitalmarketing. Mit Influencermarketing insbesondere. Und auf der anderen Seite die Möglichkeit, das zu systematisieren und eine Plattform zu bauen.

Wie genau funktioniert eigentlich euer Geschäftsmodell?
Allesch: Grundsätzlich ist das ein Subscription Modell. Wir bauen Software-Tools, die der lokale Unternehmer für ein monatliches Entgelt nutzen kann.

Wie hat sich Freachly seit der Gründung entwickelt?’
Geiß: Superschnelles Wachstum seit Tag eins. Wir haben 2017 gegründet und inzwischen fünf Office-Neubezüge hinter uns. Am Anfang sind die Anforderungen natürlich ganz anders. Da haben wir zum Beispiel selber Sales gemacht, waren maximal operativ involviert. Nach der ersten größeren Finanzierungsrunde konnten wir dann systematischer agieren. Wir haben dann damit begonnen, zielgerichtet Teams aufzubauen. Sind in verschiedene Länder expandiert. Jetzt kürzlich haben wir einen CMO gehired, weil wir auch unsere eigene Brand stärken wollen. Wir wollen damit heranwachsen zu einem Category Leader im Bereich Softwarelösungen für lokales Marketing .

Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist Freachly inzwischen?
Allesch: Mittlerweile 70 Mitarbeiter, großes Produkt-Team, großes Software-Team, großes Vertriebsnetzwerk. Wir stehen bei etwa 900 Kunden. Mit einem großen sechsstelligen wiederkehrenden Monatsumsatz. Trotz Corona-Krise sind wir über den Jahresverlauf 2020 sehr, sehr stark gewachsen. Unser MRR ist deutlich höher als vor Corona. Mit der KPI-Entwicklung sind wir sehr zufrieden.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Geiß: Was mir spontan einfällt: Dass wir nach der ersten großen Finanzierungsrunde durch HV Capital im Jahr 2018 so ein bisschen den Glauben hatten, dass wir mit einem sehr juniorigen Team erfolgreich werden können. Dann haben wir gelernt, dass wir viel, viel erfolgreicher und effizienter arbeiten, wenn wir erfahrene Mitarbeiter mit ins Boot holen.

Und wo habt ihr bisher alles richtig gemacht?
Allesch: Im Sales zum Beispiel. Wir haben uns früh darauf konzentriert, nicht nur Produkte zu entwerfen, sondern die Produkte auch im Markt zu erproben. Dadurch haben wir uns immer schnell Feedback geholt von unserer Kundengruppe und konnten auch herausfinden, ob beispielsweise unsere Pricing-Struktur stimmig ist. Wir haben es so geschafft, über 2017, 2018, 2019 und 2020 hinweg immer Wachstum zu generieren und uns gleichzeitig auch produktseitig weiterzuentwickeln. Ansonsten haben wir sehr ressourceneffizient gearbeitet und haben eine sehr starke Kultur aufgebaut. Davon profitieren wir jetzt.

Wo steht Freachly in einem Jahr?
Geiß: Wir haben uns in den Köpfen der Merchants etabliert als die ultimative Brand für lokales Marketing. Auf unserer Plattform bieten wir lokalen Unternehmern ein umfassendes und gut strukturiertes Angebot smarter Software-Lösungen. Damit ihre Produkte und Services in den Momenten, in denen es darauf ankommt, bei ihrer Zielgruppe überzeugen.

Startup-Jobs: Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung? In der unserer Jobbörse findet Ihr Stellenanzeigen von Startups und Unternehmen.

Foto (oben): Freachly

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.