#Interview

“Die Krise hat für uns als Wachstumsbooster hergehalten”

Beim jungen Münchner Probier-Supermarkt utry.me gibt es keine Preise. "Als wir 2018 live gingen, sind wir mit 5.000 Euro gestartet, eigenfinanziert wohlgemerkt. Nun sind wir 10 Teammitglieder und vergrößern uns stetig", sagt Gründer André Moll.
“Die Krise hat für uns als Wachstumsbooster hergehalten”
Montag, 17. August 2020VonAlexander Hüsing

Beim Münchner Startup Utry.me, das 2018 an den Start ging, können Onliner wie in einem ganz normalem Supermarkt einkaufen gehen. Mit einem Unterschied: Es gibt bei Utry.me keine Preise. Ein kleiner Ladebalken, der sich füllt, wenn man etwas in den Warenkorb packt, bestimmt, wie viele Produkte jeder Nutzer kaufen kann. “Wenn der Ladebalken voll ist, gehst du zur Kasse und bezahlst nur die Service und Versandgebühr von 24,90 Euro”, heißt es dazu auf der Website.

“Jeder FMCG-Hersteller hat bei uns die Möglichkeit, seine Produkte zu präsentieren. Die Community darf sich diese dann auswählen. Wir packen die Boxen zusammen und senden den Probanden ihre Probierboxen. Zudem verfolgen wir den Ansatz des FMCG-Entertainments. Für Endkunden soll Spaßmachen Teil von Utry.me zu sein. Und für Hersteller soll der entstehende Mehrwert aus Bekanntheit und präziser Markforschung ohne Streuverluste möglichst hoch sein”, erklärt Gründer André Moll das Konzept von Utry.me.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der Utry.me-Macher außerdem über Glückstreffer, Weltreisen und festgefahrene Denkweisen.

Wie würdest Du Deiner Großmutter utry.me erklären?
Wir machen neue Produkte aus dem Supermarkt bekannt.

Hat sich das Konzept seit dem Start irgendwie verändert?
Das Grundkonzept hat sich nach nun zwei Jahren als “Glückstreffer” bewiesen, jedoch sind insbesondere auf B2B-Seite viele neue Features im Bereich der Marktforschung und Performance-Möglichkeiten hinzugekommen. Das heißt, dass das Modell in der jetzigen Form perspektivisch mehr und besser Chancen auf Wachstum hat.

Die Corona-Krise traf die Startup-Szene zuletzt hart. Wie habt ihr die Auswirkungen gespürt?
Wir hatten seit Beginn der Corona-Krise circa 100 % Wachstum. Man könnte sagen, dass die Krise für uns als Wachstumsbooster hergehalten hat. Das bedeutet, dass wir neue Mitarbeiter einstellen mussten bzw. konnten, unser Produktportfolio größer und breiter geworden ist, viele neue Partner u. Brands hinzukamen. Natürlich stieg damit aber auch der Druck. Um den Bedarf zu decken, musste nicht zuletzt auch ein deutlich größeres Lager beschafft werden. So traurig die Gesamtsituation für die Startup-Szene ist, sind wir so etwas wie ein “Gewinner” der Krise.

Wie ist überhaupt die Idee zu utry.me entstanden?
In meinen 20ern war ich mit einer Überraschungsbox unterwegs. Die fehlende Möglichkeit zur Skalierung sowie der fehlende Mehrwert für die Hersteller haben mich dazu bewogen den nächsten logischen Schritt im FMCG-Sampling zu gehen. Digital statt analog. Pull statt Push und vor allem: Community statt Abo. Zudem habe ich mich irgendwann gefragt, wieso die Menschen, mich miteingeschlossen, fast immer dasselbe aus dem Supermarkt kaufen. Ich stellte mir die Frage, wie man diese festgefahrene Denkweise ändern könnte. Kurzerhand entschloss ich mich, den Markt noch genauer zu untersuchen, konnte aber kein entsprechendes Angebot finden. Und so führte am Ende eins zum anderen.

Wie genau funktioniert eigentlich euer Geschäftsmodell?
Jeder FMCG-Hersteller hat bei uns die Möglichkeit, seine Produkte zu präsentieren. Die Community darf sich diese dann auswählen. Wir packen die Boxen zusammen und senden den Probanden ihre Probierboxen. Zudem verfolgen wir den Ansatz des FMCG-Entertainments. Für Endkunden soll Spaßmachen Teil von Utry.me zu sein. Und für Hersteller soll der entstehende Mehrwert aus Bekanntheit und präziser Markforschung ohne Streuverluste möglichst hoch sein.

Wie hat sich utry.me seit der Gründung entwickelt?
Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung, nachdem das Konzept von Beginn an aufging. Sowohl Endkunden als auch Hersteller waren von Anfang an begeistert. Nun sind es mehr als 30.000 registrierte User und über 200 Hersteller, die wir zueinander führen. Auf beiden Seiten kommen täglich neue hinzu.

Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist utry.me inzwischen?
Als wir 2018 live gingen, sind wir mit 5.000 Euro gestartet, eigenfinanziert wohlgemerkt. Nun sind wir 10 Teammitglieder und vergrößern uns stetig. Daher sind wir auf der Suche nach neuen Mitarbeitern. Für 2021 haben wir uns vorgenommen, weiterhin ohne Fremdfinanzierung zu bleiben und die 2 Millionen Euro Umsatz im dritten Geschäftsjahr zu knacken.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Meine erste Company, mit der ich Ende 20 vor dem Aus stand. Danach bin ich auf eine Weltreise gegangen und habe die Idee zu Utry.me konzipiert.

Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Bei der Auswahl der Partner und unserer Mitarbeiter. Wir pflegen bei uns ein sehr enges und familiäres Verhältnis. Erwähnenswert ist auch, dass wir bislang – trotz zahlreicher Anfragen – auf Inverstoren und Venture Capital Unternehmen, die bei Utry.me einsteigen wollten, verzichtet haben. Wir wachsen gesund und organisch, haben Kontrolle über alle Vorgänge und entwickeln uns noch besser als gedacht.

Wo steht utry.me in einem Jahr?
In einem stehen wir bei 100 000 Community-Mitgliedern und arbeiten mit mehr als 400 Herstellern zusammen, haben zwei- bis dreimal Mal so viele Mitarbeiter und können bestenfalls auch internationale Märkte bedienen.

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Foto (oben): utry.me

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.