#Interview

“Glaube, dass wir gestärkt aus der Krise gehen”

"Nach dem ersten Schock glaube ich, dass wir langfristig gestärkt aus der Krise gehen werden, da wir bereits jetzt sehen, dass das Thema Hygiene gerade rasant an Fahrt aufnimmt", sagt Daniel Vollmer, Gründer der Hygiene-App Flowtify.
“Glaube, dass wir gestärkt aus der Krise gehen”
Mittwoch, 27. Mai 2020VonAlexander Hüsing

Das Kölner Startup Flowtify, das Unternehmen – insbesondere der Gastronomie – beim Thema Hygiene-Management hilft, wurde von der Corona-Krise zuletzt hart getroffen. “Wir hatten ab der dritten Märzwoche 100 % Rückgang im Neukundengeschäft, sowie erste Insolvenzen und Sonderkündigungen bei Bestandskunden”, sagt Gründer Daniel Vollmer. Die vergangenen Wochen nutzte das Unternehmen, um mit Unlock, eine “unbürokratische digitale Lösung für eine sichere Wiedereröffnung unter Einhaltung der durchaus strengen ‘Corona-Checks’ im Gastgewerbe zu entwickeln”.

Die neue App kommt bereits gut an! “Durch Unlock hoffe ich, dass wir es schaffen in den nächsten Monat vielleicht bis zu 20.000 Gastronomen auf unsere Plattform zu ziehen. Wie viele wir davon in Zukunft in zahlende Kunden konvertieren können, wird sich zeigen. Dies liegt leider nicht nur an unserem Geschick oder der tollen Software, sondern auch zu einem großen Teil an den wirtschaftlichen Möglichkeiten des Gastgewerbes wieder profitabel arbeiten zu können. Wenn wirklich 30 % der Gastrobetriebe in Deutschland Corona wirtschaftlich nicht überleben sollten, hilft uns auch keine Konvertierung von Freemium in Paid Modell”, sagt Vollmer.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der Flowtify-Macher außerdem über Strukturen, Kreative und den Nahverkehr.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Flowtify erklären?
Flowtify verhilft Unternehmen, die mit Lebensmitteln umgehen, also der Gastronomie oder dem LEH, zu einer digitalen, lückenlosen und rückverfolgbaren Dokumentation ganz ohne Stress.

Hat sich das Konzept seit dem Start irgendwie verändert?
Eigentlich überhaupt nicht. Vom Prototypen bis heute ist das Kernprodukt identisch. Es sind lediglich weitere Bereiche wie die Integration von Sensoren oder eines kompletten Audit-Tools hinzugekommen.

Die Corona-Krise trifft die Startup-Szene derzeit hart. Wie und in welcher Form spürt ihr die Auswirkungen?
Da unsere Zielgruppe die Hotellerie und Gastronomie ist, hat uns der Shutdown voll getroffen. Wir hatten ab der dritten Märzwoche 100 % Rückgang im Neukundengeschäft, sowie erste Insolvenzen und Sonderkündigungen bei Bestandskunden.

Welche langfristigen Auswirkungen erwartest du für Flowtify?
Nach dem ersten Schock glaube ich, dass wir langfristig gestärkt aus der Krise gehen werden, da wir bereits jetzt sehen, dass das Thema Hygiene gerade rasant an Fahrt aufnimmt. Auch das Thema Digitalisierung ist bei unserer Kundschaft in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt worden, was sich gerade zwangsläufig ändert.

Wie ist überhaupt die Idee zu deinem Startup entstanden?
Ich war selber über 10 Jahre Gastronom und habe dabei die Pain Points einer papierbasierten Dokumentation kennengelernt. Bei mir im Betrieb waren es jedoch “nur” 30 bis 40 % Hygiene Dokumentationen zum Nachweis gegenüber den Behörden und 60 bis 70 % operative Themen. Das ist aber heute auch unser großer Vorteil, das unser Tool weitaus mehr kann, als EU VO 852/2004 konform zu dokumentieren.

Wie genau funktioniert eigentlich euer Geschäftsmodell?
Wir haben ein klassisches SaaS-Modell. Der Kunde bucht unsere Dienstleistung in Form von unterschiedlichen Modulen, zahlt eine Jahresgebühr im Voraus und kann dann alle Funktionen cloudbasiert nutzten. Konkret heißt dass Kunde A benötigt unsere HACCP-Dokumentations-Software sowie die IoT-Integration für Sensoren, Kunde B unser Audit Tool um selbstständig seine 100 Filialen zu auditieren. Will Kunde A nun Upgraden, kann er jederzeit das Audit-Modul hinzubuchen.

Wie hat sich Flowtify seit der Gründung entwickelt?
Alles war zu Beginn noch sehr improvisiert. Jeder hat so sein Thema bei uns gehabt und sich darum gekümmert ohne so genau zu wissen wie. Dank dem Metro Accelerator Program for Food and Hospitality sowie durch unseren ersten Investor, dem HTGF, haben wir uns stark professionalisieren können. Ich glaube wir sind noch 100 % so kreativ und engagiert wie vor fünf Jahren, aber wesentlich effizienter durch professionelle Strukturen.

Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist Flowtify inzwischen?
Wir sind zwischenzeitlich 9 Vollzeit-Mitarbeiter und drei studentische Mitarbeiter. Umsatztechnisch sind wir noch ein ganzes Stück vom Break Even entfernt, aber das ist bei einem bisherigen Sales Cycle von circa 20 Monaten nicht anders zu erwarten. Durch unsere Freemium Unlock-Version könnte sich das nun aber schlagartig ändern. Im Januar haben unsere über 600 Kunden in sieben Ländern über 500.000 Prüfpunkte verarbeitet.

Wo steht Flowtify in einem Jahr?
Wenn wir trotz Corono-Krise überhaupt noch stehen ist dies schon ein riesen Erfolg! Aber im Ernst, durch Unlock hoffe ich, dass wir es schaffen in den nächsten Monat vielleicht bis zu 20.000 Gastronomen auf unsere Plattform zu ziehen. Wie viele wir davon in Zukunft in zahlende Kunden konvertieren können, wird sich zeigen. Dies liegt leider nicht nur an unserem Geschick oder der tollen Software, sondern auch zu einem großen Teil an den wirtschaftlichen Möglichkeiten des Gastgewerbes wieder profitabel arbeiten zu können. Wenn wirklich 30% der Gastrobetriebe in Deutschland Corona wirtschaftlich nicht überleben sollten, hilft uns auch keine Konvertierung von Freemium in Paid Modell.

Reden wir zudem noch über Köln. Wenn es um Startups in Deutschland geht, richtet sich der Blick sofort nach Berlin. Was spricht für Köln als Startup-Standort?
Naja, ich würde sagen, dass was immer für Köln spricht: Karneval! Nein im Ernst, wirtschaftlich kenne ich keine Highlights die die Stadt oder das Land bieten, weshalb ich als Gründer nach Köln gehen sollte. Für die gute geographische Lage oder das wirklich tolle Lebensgefühl welches durch Gastro, Clubs und Kultur in Köln herrscht kann die Stadtverwaltung nichts -zumindest habe ich in 10 Jahren Gastro die Stadt nicht als Unterstützer der Lebensart gesehen. Aber ich glaube genau das macht Köln aus. Gerade Entwickler oder Kreative lieben das an Köln, warum es auch einfacher ist Talente nach Köln zu holen als vielleicht nach Hildesheim.

Was genau macht den Reiz der Startup-Szene in Köln aus?
Ehrlich Gesagt weiß ich das nicht. Auch wenn ich es liebe zu Netzwerken, ich glaube in Köln habe ich mein geringstes Netzwerk. Wie so häufig schaffe ich es selten zu Startup-Events in Köln zu gehen. Wenn ich in anderen Städten bin, nehme ich mir häufiger dafür Zeit, da ich ja sonst nichts anderes zu tun habe. In Köln hat man Familie, Freunde etc. wo man ohnehin schon aufpassen muss, dass die nicht zu kurz kommen.

Was ist in Köln einfacher als im Rest der Republik?
Menschen kennenlernen. Das ist ganz einfach und unkompliziert in Köln!

Was fehlt in Köln noch?
Das Meer! Ich liebe Städte wie Barcelona, Marseille oder Den Haag.

Zum Schluss hast Du drei Wünsche frei: Was wünscht Du Dir für den Startup-Standort Köln?
Erstens: Mehr Digitalisierung in der Verwaltung. Vom Finanzamt bis zum Einwohnermeldeamt Zweitens: Mehr Support der Kreativ-Szene durch bezahlbare, attraktive Standorte. Egal ob IT-Startup oder Club. Drittens: Kostenloser, funktionierender öffentlicher Nahverkehr.

Durchstarten in Köln – #Koelnbusiness

In unserem Themenschwerpunkt Köln berichten wir gezielt über die Digitalaktivitäten in der Rheinmetropole. Mit circa 400 Startups, über 60 Coworking Spaces, Acceleratoren und Inkubatoren sowie attraktiven Investoren, zahlreichen Veranstaltungen und Netzwerken bieten Köln und das Umland ein spannendes Ökosystem für Gründerinnen und Gründer. Diese Rubrik wird unterstützt von der KölnBusiness Wirtschaftsförderungs-GmbH#Koelnbusiness auf LinkedInFacebook und Instagram.

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Foto (oben): Shutterstock

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.