#Interview

Über Thermostate, die lernen, ob jemand im Raum ist

"Wir sind mittlerweile 30 MitarbeiterInnen und können bereits diverse Kunden von Kiel bis in die Schweiz und von Köln bis Berlin als Teil unserer Klima-Mission zählen. Die Kunden sind dabei Länder, Kommunen, DAX-Unternehmen und KMUs", sagt  Christoph Berger, Gründer von vilisto.
Über Thermostate, die lernen, ob jemand im Raum ist
Freitag, 8. Mai 2020VonAlexander Hüsing

Das Hamburger Satrtup vilisto entwickelt eine digitale Wärmemanagement-Lösung, die auf Thermostaten mit integrierter Anwesenheitserkennung, lernenden Algorithmen und Raumklima-Sensoren basiert. “Wir haben vilisto mit einem B2C-Produkt gestartet, mussten aber recht schnell feststellen, dass dies für uns nicht der richtige Weg ist. Wir haben daher frühzeitig das Zielsegment geändert und adressieren seitdem nur noch B2B-Kunden mit Nichtwohngebäuden, also beispielsweise Bürogebäude oder Gebäude der öffentlichen Verwaltung. An dem Grundkonzept unserer Technologie und dem Thermostat hat sich seither nichts Fundamentales geändert. Natürlich verfeinern wir diese immer weiter. Dennoch vertreiben wir noch heute die Hardware, die wir 2016 konzipiert haben”, sagt Gründer Christoph Berger. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der Firmengründer außerdem über 

Wie würdest Du Deiner Großmutter vilisto erklären?
Oma Hannelore, weißt du noch damals, als man die Heizkörper nur an oder aus machen konnte? In den 80ern hat sich das ja schon einmal verbessert, als die Thermostate selbstständig den Heizkörper ausgemacht haben, als es warm genug war im Raum. Wir gehen mit vilisto noch einen Schritt weiter und schalten den Heizkörper zusätzlich herunter, wenn gar niemand im Raum ist. Denn warum sollte dein Büro nachts und am Wochenende beheizt werden, wenn du gar nicht da bist? Wir haben dazu verschiedene Sensoren in das Thermostat verbaut, um zu erkennen und zu lernen, wann der Raum genutzt wird. So verschwenden wir keine Energie und tun etwas für die Umwelt, damit meine Kinder, also deine Ur-Enkel, noch etwas von dieser großartigen und vielfältigen Welt haben. Du magst es ja gerne kuschelig warm und möchtest deine Temperatur noch selbst am Thermostat einstellen. Das kannst du weiterhin mit unseren Geräten so tun wie zuvor. Lediglich wenn du die Räume nicht mehr nutzt, senken wir die Temperatur und sparen dabei bis zu 32 % Heizkosten und CO2-Emissionen.

Hat sich das Konzept seit dem Start irgendwie verändert?
Wir haben vilisto mit einem B2C-Produkt gestartet, mussten aber recht schnell feststellen, dass dies für uns nicht der richtige Weg ist. Wir haben daher frühzeitig das Zielsegment geändert und adressieren seitdem nur noch B2B-Kunden mit Nichtwohngebäuden, also beispielsweise Bürogebäude oder Gebäude der öffentlichen Verwaltung. An dem Grundkonzept unserer Technologie und dem Thermostat hat sich seither nichts Fundamentales geändert. Natürlich verfeinern wir diese immer weiter. Dennoch vertreiben wir noch heute die Hardware, die wir 2016 konzipiert haben.

Die Corona-Krise trifft die Startup-Szene derzeit hart. Wie und in welcher Form spürt ihr die Auswirkungen?
Auch wir haben bereits erste Auswirkungen durch die Corona-Pandemie zu spüren bekommen. So wurden beispielsweise vereinbarte Installationen verschoben. Auch vertriebsseitig merken wir, dass die Kunden schwieriger erreichbar sind und viele andere Sorgen haben, als derzeit in Energieeffizienz zu investieren. Wir haben glücklicherweise einen starken Gesellschafterkreis aufgebaut, in dem auch unsere Investoren wie EIT InnoEnergy stark involviert sind. Insofern stehen wir mit den Problemen nicht allein da, sondern gehen gemeinsam durch diese Krise. Das hilft immens.

Welche langfristigen Auswirkungen erwartest du für vilisto?
Wir hoffen, dass es für uns nur kurz- bis mittelfristige Auswirkungen haben wird. Denn wie die Bundesumweltministerin Svenja Schulze auch in ihrer Videobotschaft an uns und die anderen Gewinner des Deutschen Innovationspreis für Klima und Umwelt 2020 sagte, wird es eine Zeit nach Corona geben, und die Themen Innovation und Klimaschutz bleiben ja ungeheuer wichtig. Vielleicht werden sie dann sogar noch wichtiger sein, wie man aus den zahlreichen Apellen für einen noch stärkeren Umwelt- und Klimaschutz schließen kann. Wir sehen zudem gerade intensive Bemühungen der Verbände wie dem Bundesverband Deutsche Startups oder auch der DENEFF, gemeinsam mit der Politik Lösungen zu erarbeiten, um die kurz- und langfristigen Auswirkungen insbesondere auf die Startup-Szene abzumildern.

Wie ist überhaupt die Idee zu vilisto entstanden?
Im Rahmen meines Energietechnikstudiums an der Technischen Universität Hamburg und UC Berkeley habe ich mich mit Vorhersagen von Raumtemperaturen in unbekannten Räumen und Gebäuden beschäftigt. Durch verschiedene Ereignisse, Begegnungen und auch durch etwas Glück hat sich aus dem Konzept der wissenschaftlichen Arbeit eine Produktidee ergeben, mit der wir ein EXIST-Gründerstipendium bekommen haben. Nach der Entwicklung eines MVP erhielten wir das erste Investment, konnten ein Serienprodukt entwickeln und sind inzwischen vier Jahre alt.

Wie genau funktioniert eigentlich euer Geschäftsmodell?
Wir vertreiben unser Produkt ausschließlich an Unternehmen, die öffentliche Verwaltung und an Bildungseinrichtungen – Nichtwohngebäude. Die Besonderheit in diesem Kundensegment ist die, dass die Nutzer der Energie – beispielsweise Angestellte – die Energiekosten nicht selbst tragen. Insofern ist ihre intrinsische Motivation zum Energiesparen kaum ausgeprägt. Dieses sogenannte Trittbrettfahrer-Problem kann am besten durch eine vollautomatisierte Lösung wie unsere gelöst werden. Mit unserem derzeitigen Geschäftsmodell adressieren wir sogenannte Selbstnutzer von Immobilien. Diese können die Geräte kaufen und müssen zusätzlich einen Servicevertrag mit vilisto abschließen. Wir arbeiten jedoch derzeit auch daran, unser Geschäftsmodell auszuweiten.

Wie hat sich vilisto seit der Gründung entwickelt?
vilisto hat sich seit Gründung durchaus positiv entwickelt. Wir haben zu dritt mit einem EXIST-Gründerstipendium 2016 gestartet und damit unser erstes MVP entwickelt. Nach etwa einem Jahr haben wir unsere Ausrichtung geändert, um nur noch B2B-Kunden zu fokussieren, da wir hier mit unserer Technologie das Trittbrettfahrer-Problem lösen. Es kamen die ersten Investoren hinzu. Neben Business Angels ist mit EIT InnoEnergy schon in unserem Gründungsjahr 2016 ein auf Innovationen im Bereich nachhaltige Energie spezialisierter Investor bei uns eingestiegen, von dessen Knowhow und Ökosystem wir seitdem stark profitiert haben. Es hat ein weiteres Jahr gedauert, bis wir das Produkt so weiterentwickelt hatten, dass wir es in größerer Stückzahl produzieren konnten. Nachdem wir die ersten Kunden gewonnen hatten, ging es stetig weiter nach vorne. Inzwischen haben wir einen starken Gesellschafterkreis, ein super Team mit 30 KollegInnen und Kunden in Deutschland und der Schweiz. Im April feiern wir zudem unseren vierten Geburtstag. Die Einsparergebnisse, die wir bei unseren Kunden nachweisen können, sind beeindruckend. Hier sind teilweise über 30 % drin, und wir haben noch einiges vor.

Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist vilisto inzwischen?
Wir sind mittlerweile 30 MitarbeiterInnen und können bereits diverse Kunden von Kiel bis in die Schweiz und von Köln bis Berlin als Teil unserer Klima-Mission zählen. Die Kunden sind dabei Länder, Kommunen, DAX-Unternehmen und KMUs. Wir planen unseren Kundenstamm weiter auszubauen, flankierend durch eine Series A-Finanzierung, auf die wir für das Frühjahr 2021 hinarbeiten. Neben dem Gewinn von Preisen wie dem Deutschen Innovationspreis für Klima und Umwelt, oder dem Perpetuum Energieeffizienzpreis haben wir auch unsere Vertriebspartnerschaften, beispielsweise mit der ENTEGA ausgebaut. 

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
In jedem Startup gibt es Ups und Downs, sei es bei der Einführung neuer Technologien, bei einem Geschäftsmodellwechsel oder sogar beim notwendigen Wechsel der Zielkundengruppe. Auch die Suche nach Kapital, insbesondere für Hardware-Startups, ist in Deutschland nicht zu unterschätzen. Natürlich sind wir von diesen Herausforderungen auch nicht verschont geblieben, jedoch haben wir es immer wieder geschafft schnell aus den Fehlern und Herausforderungen zu lernen und uns zu verbessern sowie auf die sich veränderten Umstände anzupassen.

Und wo hat Ihr bisher alles richtig gemacht?
Bereits zu Beginn war für uns ausschlaggebend, dass wir in den B2B-Markt gewechselt sind. Hier haben wir eine Nische entdeckt, die derzeit noch nicht besetzt ist. Zudem hat dieser Markt ein sehr großes Potential, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ökologisch, was auf unsere Kernmotivation einzahlt. Mit unseren Kunden ermitteln wir zusammen die Bedürfnisse der Branche und entwickeln damit unser Leistungsportfolio erfolgreich weiter. Es freut uns sehr, dass wir mit unseren Entwicklungen und Ideen gut ankommen. Wir haben im letzten Jahr unseren Einstellungsprozess für neue MitarbeiterInnen überarbeitet und angewandt. Hiermit konnten wir außerordentlich qualifizierte und motivierte Mitstreiter für vilisto gewinnen.

Wo steht vilisto in einem Jahr?
Wir arbeiten derzeit an weiteren Lösungen für unsere Kunden, die wir innerhalb der nächsten 12 Monate auf den Markt bringen werden. Zudem planen wir für das Frühjahr 2021 unsere Series A Finanzierung, für die wir Investoren aus den Bereichen Impact, CleanTech/GreenTech und PropTech suchen.

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Foto (oben): vilisto

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.