#Interview

Über ein Startup, das nicht ins Home Office wechseln kann

Das Kölner Startup Appmatics konnte sich in den letzten Wochen nicht ins Home Office zurückziehen. "Wir sind vorsichtig und agieren nach den offiziellen Empfehlungen. Früher oder später werden wir mit dieser neuen Ordnung leben müssen", sagt Gründer Ayk Odabasyan.
Über ein Startup, das nicht ins Home Office wechseln kann
Donnerstag, 7. Mai 2020VonAlexander Hüsing

Das 2014 gegründete Unternehmen Appmatics prüft mobile Anwendungen auf Funktionalität, Usability und Performance. Im Home Office funktioniert das Modell leider nicht. “Beim Inhouse-Testing sind wir auf den physischen Austausch der Geräte zwischen den Testern angewiesen, dies gilt insbesondere für IOT-Produkte, die einen großen Anteil unserer Testungen ausmachen. Wir arbeiten mit einem eigenen Testkonzept, das sehr stark auf die Kollaboration unter den Testern und Testmanagern ausgelegt ist. In gewissen Teilen ließe sich dieser Prozess in einem Homeoffice-Setup abbilden, jedoch haben wir dafür bis jetzt noch keine ganzheitliche Lösung gefunden. Darüber hinaus bringt Homeoffice für uns völlig neue Herausforderungen im Bereich Datenschutz mit sich, da wir unseren Kunden stets höchste Datenschutzmaßnahmen zusichern”, sagt Gründer Ayk Odabasyan (Foto: links). Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der Rheinländer einmal ausführlich über die aktuelle Situation.

Die Corona-Krise trifft die Startup-Szene derzeit hart. Wie und in welcher Form spürt ihr die Auswirkungen?
Aktuell sind die Auswirkungen bei uns noch gering bzw. kaum spürbar. Aber wir gehen davon aus, dass es zumindest zeitweise zu einem Rückgang der Auslastung im Projektgeschäft kommen wird. Das liegt jedoch hauptsächlich an der Umstrukturierung der Unternehmen: Viele unserer Ansprechpartner haben ihre Prioritäten auf interne Themen gelegt. Die größten Aufwände haben wir jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit, da der digitale Konsum an den Feiertagen bei den Verbrauchern sehr hoch ist und die Entwickler dementsprechend Versionen “rausschießen”. Wir werden sehen, wie sich diese Entwicklung in diesem Jahr fortsetzen wird und kann. Unsere Prognose für das erste “Corona-Weihnachten” fällt hier deutlich ernüchternder aus. Aber wir sehen ein großes Problem bei den Studenten: Unsere rund 90 Werkstudenten sind leider nicht durch die Möglichkeit der Kurzarbeit abgesichert. Sollte es also wider erwarten dazu kommen, dass wir einen Teil des Teams auf Kurzarbeit umstellen müssen, wären die Studenten die Leidtragenden. Denn sie müssen, wie alle anderen, Miete zahlen und für ihren Lebensunterhalt aufkommen. Dieses Problem betrifft sicherlich auch weitere Startups, da Studenten in diesen Unternehmen wichtige Aufgaben übernehmen. Seitens Appmatics setzen wir natürlich alles daran, es nicht soweit kommen zu lassen.

Während die meisten Startups zuletzt im Home Office gearbeitet haben, konntet ihr dies nicht. Warum?
Beim Inhouse-Testing sind wir auf den physischen Austausch der Geräte zwischen den Testern angewiesen, dies gilt insbesondere für IOT-Produkte, die einen großen Anteil unserer Testungen ausmachen. Wir arbeiten mit einem eigenen Testkonzept, das sehr stark auf die Kollaboration unter den Testern und Testmanagern ausgelegt ist. In gewissen Teilen ließe sich dieser Prozess in einem Homeoffice-Setup abbilden, jedoch haben wir dafür bis jetzt noch keine ganzheitliche Lösung gefunden. Darüber hinaus bringt Homeoffice für uns völlig neue Herausforderungen im Bereich Datenschutz mit sich, da wir unseren Kunden stets höchste Datenschutzmaßnahmen zusichern.

Wie haben denn eure Mitarbeiter darauf reagiert, dass sie im weiter Büro arbeiten müssen?
Unsere Mitarbeiter gehen sehr unterschiedlich mit der Situation um. Wir haben grundsätzlich ein sehr junges und verantwortungsbewusstes Team. Es gibt manche, die besorgter sind als Andere und das respektieren wir natürlich. Wir arbeiten tagtäglich miteinander und haben ein großes Vertrauen auf den gegenseitigen verantwortungsvollen Umgang mit der Situation.

Welche Vorsichtsmaßnahmen habt ihr deswegen für eure Mitarbeiter getroffen?
Grundsätzlich achten wir im Team auf möglichst viel Abstand und weitreichende Hygienemaßnahmen. Am Morgen und am Abend werden Tische, Geräte und Türklinken desinfiziert. Unsere HR-Managerin schickt fast täglich Hygiene-Hinweise an das gesamte Team. Ein paar wenige Kollegen arbeiten auch vom Homeoffice aus, sofern dies möglich ist. Wir sind vorsichtig und agieren nach den offiziellen Empfehlungen. Früher oder später werden wir mit dieser neuen Ordnung leben müssen und aktuell gilt es, das richtige Maß für sich und andere zu finden.

Wie ist denn die Stimmung im Team?
Bei uns ist die Stimmung im Team trotz der Corona-Krise unverändert gut. Wir haben sogar den Eindruck, dass uns diese Situation “zusammenschweißt” und den Zusammenhalt stärkt. Die alltäglichen Probleme wirken zumindest manchmal etwas kleiner. Es geht weniger um die Jahresziele, Boni und Urlaubstage. Dadurch wird zeitgleich der Arbeitsalltag etwas entschleunigt und das persönliche Wohlbefinden gesteigert.

Welche langfristigen Auswirkungen erwartest du wegen der Corona-Krise für Appmatics?
Wenn wir auf die Entwicklungen in den vergangenen Wochen seit dem Beginn der Pandemie zurückblicken, hat der Digitalkonsum stark zugenommen und digitale Themen werden in unserem Alltag mehr denn je fokussiert. Die Menschen sind vor allem in diesen Krisenzeiten auf die Funktionalität von digitalen Services angewiesen. Besonders jetzt werden viele neue Apps auf das Smartphone geladen und entdeckt. Die Zufriedenheit und Treue der Nutzer kann aber nur langfristig gewährleistet werden, wenn die Angebote reibungslos und “frustfrei” funktionieren. Hier kommt das professionelle App-Testing und die kontinuierliche Weiterentwicklung der Apps und Webseiten ins Spiel. Wir sind als führender Testing-Dienstleister daher eine wichtige Komponente, um Unternehmen dabei zu unterstützen, ihre Nutzer auch nach der Corona-Krise noch für sich zu begeistern.

Wie genau bereitet ihr euch auf die Zeit nach der Corona-Pandemie vor?
Wir erhoffen uns, gestärkt aus dieser Zeit hervorzugehen. Durch die Einschränkungen mussten wir uns anpassen und neue Prozesse etablieren. Einige davon sind sehr effizient und auch sicher nach Corona von Nutzen, bei vielen Meetings und Abstimmungen auf dem digitalem Weg beispielsweise. Wir sehen, dass wir viele positive Eigenschaften bereits jetzt angenommen haben. Ebenso werden einige Hygienevorschriften sicher in den Köpfen haften bleiben. Wir können uns gut vorstellen, dass es noch Jahre dauert bis man wieder beherzt Hände schüttelt. Konkrete Maßnahmen für die Zeit danach gibt es jedoch keine.

Wo steht Appmatics in einem Jahr?
Wir hatten unsere Wachstumspläne insbesondere für 2020/21 konkretisiert und haben nach wie vor große Ziele. Durch die gesamtwirtschaftliche Lage sind natürlich Unsicherheiten entstanden, aber grundsätzlich beobachten wir schon jetzt, dass verstärkt in neue digitale Prozesse, darunter fassen wir auch das professionelle App-Testing, investiert wird. Einige unserer Kunden sind auch vermehrt auf externe Ressourcen angewiesen und fragen uns, ob wir weiterhin unsere Dienstleistung für sie gewährleisten können. Das ist zumindest eine gute Indikation für die weitere Auftragslage und Zusammenarbeit – und damit auch das geplante Wachstum von Appmatics in den nächsten zwölf Monaten.

Durchstarten in Köln – #Koelnbusiness

In unserem Themenschwerpunkt Köln berichten wir gezielt über die Digitalaktivitäten in der Rheinmetropole. Mit circa 400 Startups, über 60 Coworking Spaces, Acceleratoren und Inkubatoren sowie attraktiven Investoren, zahlreichen Veranstaltungen und Netzwerken bieten Köln und das Umland ein spannendes Ökosystem für Gründerinnen und Gründer. Diese Rubrik wird unterstützt von der KölnBusiness Wirtschaftsförderungs-GmbH#Koelnbusiness auf LinkedInFacebook und Instagram.

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Foto (oben): Appmatics

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.