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Sirplus – oder darf man die Welt auch verbessern, wenn man dabei Geld verdient?

Auftritt der SIRPLUS-Gründer gab es in der Höhle viel Kritik: Von „moralisierendem Schöngerede“ des Geschäftsmodells war die Rede und als „unglaubwürdig“ wurden sie empfunden. Doch was genau stört die Löwen so sehr am Geschäftsmodell?
Sirplus – oder darf man die Welt auch verbessern, wenn man dabei Geld verdient?
Freitag, 27. September 2019VonRuth Cremer

Die Gründer Raphael Fellmer und Martin Schott schocken bereits in ihrem Pitch mit einer alarmierenden Zahl: 50% aller Lebensmittel in Europa werden früher oder später weggeworfen. Die meisten auf Grund des Mindesthaltbarkeitsdatums, obwohl sie oft noch weit danach genießbar sind. Damit will SIRPLUS Schluss machen: Das Unternehmen kauft abgelaufene und anderweitig aussortierte Lebensmittel auf, führt sensorische Prüfungen durch und gibt sie erneut in den Verkauf. Verbraucher können so Lebensmittel vergünstigt einkaufen, die noch völlig in Ordnung sind. Eine Marge bleibt trotzdem noch, zumal der Einkaufspreis der sonst zur Vernichtung bestimmten Lebensmittel natürlich auch unter dem Normalpreis liegt. 

Doch die wirtschaftliche Ausrichtung schien die Löwen gestört zu haben, auch in Verbindung mit der Vorgeschichte des Gründers Raphael. Natürlich ist die ausufernde Lebensmittelvernichtung in Industriestaaten für viele ein sehr emotionales Thema, und die meisten Menschen mit einem Ansatz von grünem Gewissen tun sich eher schwer damit, Lebensmittel wegzuwerfen. Wenn man also von der horrenden Verschwendung im Lebenshandel hört, darf man genauso wie bei allen anderen drängenden Themen unserer Zeit die Frage stellen, ob es moralisch gewollt ist, dass Unternehmen mit der Lösung eines solchen Problems Geld verdienen.

Doch genau das ist praktisch die Definition von „Social Entrepreneurship“ oder auch „Impact Startups“. Eine Kategorie, der immer mehr Startups zuzuordnen sind und für die es bereits spezifische Wettbewerbe, Auszeichnungen, Inkubator-Programme und sogar Investoren gibt. Es handelt sich hierbei eben um „ganz normale“ Unternehmen, was in erster Linie bedeutet, dass auch sie mehr Einnahmen als Ausgaben generieren wollen. Doch anstatt ein Problem einer bestimmten Gruppe zu lösen oder ein Bedürfnis zu stillen, adressieren diese Unternehmen gesellschaftliche oder ökologische Probleme, die ihren Kunden meistens auch am Herzen liegen. Und genau dies kann sich auch in den knallharten Kennzahlen wiederspiegeln: So haben Impact Startups oft niedrigere Kundenakquisekosten, gute Conversion Rates und eine hohe Wiederkehrrate ihrer Kunden. Im Falle vom SIRPLUS konnten so bereits 6-stellige monatliche Umsätze ohne große Marketingausgaben generiert und ein beachtlicher Stamm an loyalen Kunden aufgebaut werden. Ersteres kann oft auch dadurch erreicht werden, dass das Interesse der Medien höher ist und es viele Veranstaltungen und Wettbewerbe mit guter Reichweite für junge Startups in diesem Bereich gibt, wovon SIRPLUS ebenfalls reichlich Gebrauch gemacht hat.

Natürlich ist auch hier wieder die ideelle Diskussion zulässig, ob es wünschenswert ist, dass das Gewissen der Konsumenten praktisch zu einem Wettbewerbsvorteil für ein Unternehmen wird. Weniger diskutabel ist der Vorteil für das potenzielle Wachstum und damit auch für die Verbreitung eines Lösungskonzepts: Denn wer wirtschaftlich arbeitet, also Gewinne macht, kann diese schnell und flexibel in weiteres Wachstum investieren, um mehr Gewinne abzuwerfen und noch weiter zu wachsen, anstatt für jeden Schritt langwierig Spendengelder einzutreiben oder umständlich staatliche Unterstützung zu beantragen. Dass letzten Endes der Kunde die Macht hat, solche Konzepte zu unterstützen oder abzulehnen, widerspricht offensichtlich weder marktwirtschaftlichen noch demokratischen Prinzipien.

Natürlich kann man immer die wahren Motive eines Gründers in Frage stellen, und dass Investoren die Vergangenheit der Gründer genauer beleuchten, um Faktoren wie ihre Vertrauenswürdigkeit und Motivation besser einzuschätzen, ist ein völlig üblicher und normaler Vorgang während eines Investitionsprozesses.

In diesem Fall könnte man jedoch die Gegenfrage stellen, ob man nicht auch die Vorteile eines Geschäftsmodells des Social Entrepreneurship erkennen und verfolgen kann, wenn man zuvor demonstriert hat, dass man ein an Geld orientiertes System nicht grundsätzlich gut heißt. Das Prinzip „Geld verdienen UND Gutes tun“ beschreibt Impact-Geschäftsmodelle vielleicht oft nicht ganz so gut wie die leichte Abwandlung „Geld verdienen, UM noch viel mehr Gutes tun zu können“.

Investor Tim Schumacher, der für Impact Investments bekannt ist, wird jedenfalls eines dieser Prinzipien bei SIRPLUS überzeugt haben, wie die Bekanntgabe seines Einstiegs und der weiterer Investoren bei SIRPLUS nach der Ausstrahlung verlauten ließ.

Lesetipp: “Die Höhle der Löwen” – Deals (2018), “Die Höhle der Löwen – Deals (2017)“, Die Höhle der Löwen – Deals (2016)“, “Die Höhle der Löwen – Deals (2015)“, “Die Höhle der Löwen – Deals (2014)“. Für mehr Spaß vor der Glotze am besten unser “‘Die Höhle der Löwen’– Bullshit-Bingo” herunterladen.

Tipp: Alles über die Vox-Gründer-Show gibt es in unserer DHDL-Rubrik

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Foto (oben):  TVNOW / Bernd-Michael Maurer

Ruth Cremer

Ruth Cremer ist Mathematikerin und als Beraterin, Coach und Speaker tätig. Außerdem ist sie Hochschuldozentin im Bereich Unternehmertum und eCommerce. Die ehemalige Investment-Managerin kennt die Szene in- und auswendig und hilft Startups insbesondere dabei, Pitches vorzubereiten und Investment- sowie Akquisitionsprozesse zu meistern. Ruth Cremer ist bereits seit der fünften Staffel als externe Beraterin für das Format „Die Höhle der Löwen“ tätig und unterstützt die Auswahl und Vorbereitung der Kandidaten. Mehr zu ihr auch unter www.ruthcremer.de.