Gründeralltag

Businessplan? “Kommt eh alles anders als geplant”

"Je reifer das Unternehmen ist, desto besser kann man planen. In sehr frühen Phasen macht es wenig Sinn, auf einem detaillierten, langjährigen Businessplan herumzureiten, denn in aller Regel kommt eh alles anders als geplant", sagt Anton Waitz von Project A Ventures.
Businessplan? “Kommt eh alles anders als geplant”
Dienstag, 24. Januar 2017VonAlexander Hüsing

In den vergangenen Monaten und Jahren haben wir unzählige Gründerinnen und Gründer nach ihrer Einschätzung zum Dauerbrenner Businessplan gefragt. Bei den Antworten auf die Frage “Wie wichtig und bindet ist ein Businessplan?” gingen die Meinungen in der Gründerszene dabei weit auseinander.

“Unwichtig, wenn man weiß, warum Abweichungen entstehen”, sagt etwa Gunnar Froh von Wunder. “Für die Gründer selbst, sehr wichtig”, meint dagegen Christian Wiens von GetSafe – siehe “Wie wichtig ist ein Businessplan? 25 Gründer antworten“. Nun drehen wir den Spieß um und fragen Investoren. Hier die spannenden Antworten.

Wie wichtig und bindend ist ein Businessplan?

Das A und O. Natürlich können sich Dinge weiter entwickeln, neue Chancen auftun, erfolglose Testfelder geschlossen werden und der Plan sich so verändern. Aber ein zentrales Dokument – und ich rede hier nicht einfach von einer Excel-Tapete – zu haben, an dem man sich orientiert und misst, ist wirklich unerlässlich. Und die enthaltenen KPIs sollten regelmäßig beobachtet werden.
Christoph Neuhaus, Endeit Capital

Ein Businessplan ist für Investoren wichtig, um zu sehen, dass die Gründer die Mechaniken und vor allem entscheidenden KPIs ihres Geschäftes sowie deren Abhängigkeiten verstehen und generell in der Lage sind, realistisch zu planen. Der Plan fungiert gleichzeitig wie ein Brain Teaser in einem Bewerbungsgespräch. Gerade in frühen Phasen treffen manche Gründer tlws. sehr unrealistische Annahmen zu KPIs/Unit Economics. Da kann auch mal bei einem ansonsten guten Gründer und einer guten Idee deutlich werden: Der ist einfach noch nicht erfahren genug, braucht entweder mehr Zeit oder wir müssen ihm jemanden an die Seite stellen. Die Wichtigkeit des Businessplans hängt grundsätzlich auch stark von der Phase ab. Je später die Phase, desto wichtiger wird der Businessplan, um Budgets zu allokieren, den Cashflow zu planen etc. Je später die Phase, desto mehr Gewissheit hat ein Unternehmen natürlich auch über seine KPIs und Unit Economics – und je bindender sollte ein Businessplan auch sein. In frühen Phasen hingegen ist das anders: Die Gründer suchen noch nach ihrem Product-/Marketfit, haben noch wenig historische KPIs und probieren viel aus. Da kann die Bindung an einen vorab gemachten Plan sogar schnell kontraproduktiv sein. Jeder vernünftige Investor weiß um die Eintrittswahrscheinlichkeiten von Businessplänen bei frühphasigen Startups. Hier geht es wie gesagt viel mehr darum, zu sehen, ob die Gründer die Mechaniken ihres Modells verstehen.
Iskender Dirik, Bauer Venture Partners

Den klassischen Businessplan – 80 Seiten Word-Dokument – gibt es ja gar nicht mehr, außer vielleicht zum Abheften bei Fördergeld-Projekten. Was benötigt wird, ist ein 15-30-seitiges Pitchdeck und ein Excel-Sheet mit den Ist- und Soll-GuV-Zahlen, den wichtigsten Unit Economics, der Mittelverwendung und dem “more important than your mother” Cash Flow. Das Unterlagen-Set ist schon wichtig, aber anders als manche First-Time-Founder vielleicht denken: Gerade in frühen Phasen geht der Wahrheitsgehalt der Zahlen ja gegen null: Im Excel finden sich dann Multiplikationen mit acht Faktoren, die jeweils alle unbewiesen sind. Aber wie die Gründer strukturell und qualitativ/methodisch arbeiten, kann man durchaus an der Handschrift des ganzes Sets ablesen. Sowieso ist ganz viel der Diskussion mit einem VC ein Psycho-Asessment: Oft ist nicht das “Was“-Sage-Ich relevant, sondern vielmehr das “Wie”. Der Investor will ja einen Eindruck bekommen, wie das Team agiert, auch untereinander, und wie es auch auf kritische Fragen des Investors eingeht etc. Je später man investiert, desto mehr Qualität haben die Daten natürlich, aber auch dann bleibt ein Plan ein Plan. Verbindlich ist da nichts. Was aber schon stimmen sollte, sind die abgegebenen Ist-Daten. Dazu gibt es in der Regel ja auch Garantie-Erklärungen. Da ist schon jedem Gründer anzuraten, dass die Daten stimmen, sonst ist das Vertrauen schnell verspielt und das ist das wichtigste gut in jeder Beziehung.
Nikolas Samios, German Startups Group

Das kommt auf die Phase des Unternehmens an. Je reifer das Unternehmen ist, desto besser kann man planen. In sehr frühen Phasen macht es wenig Sinn, auf einem detaillierten, langjährigen Businessplan herumzureiten, denn in aller Regel kommt eh alles anders als geplant. Vor allem in Bezug auf die kommenden 12-18 Monate, was den typischen Zeitrahmen bis zur nächsten Finanzierungsrunde darstellt, sollten die Gründer aber überzeugend erklären können, wie sie das Geld ausgeben und welche Meilensteine sie in der Zeit erreichen wollen. Bei kapitalintensiveren Modellen wollen wir zudem wissen, ob der Gründer Fragen zum Gesamtfinanzierungsbedarf und Break-Even-Plänen schlüssig beantworten kann.
Anton Waitz, Project A Ventures

Ein Businessplan in der Seed-Phase eines Startups bildet vor allem die Kostenseite und Liquiditätsseite ab und gibt den Gründern den Handlungsspielraum und die Budgets, über die sie verfügen können. Außerdem zeigt es gewisse Annahmen, wie KPIs erreicht werden können und welche zeitliche Projektplanung und Ausgaben dahinter stehen. In der Regel kommen Startups mit sehr idealtypischen Hockey-Stick-Planungen zu uns. Aus unserer Erfahrung dauert es meist aber doppelt so lange und kostet rund doppelt so viel ein Startup aufzubauen. In ein Neuinvestment fließt durch uns bereits sehr viel Know-How mit ein, um den Businessplan möglichst realistisch abzubilden. Sollte der Businessplan massiv unter- oder überschritten werden, verabschieden wir unterjährig auch einen neuen. In jedem Fall reporten die Startups neben den Ist-Zahlen auch einen monatlich oder quartalsweise angepassten und rollierenden P&L- und Cash Flow-Forecast, der meist deutlich näher an der Realität ist. Je älter ein Startup wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einen Businessplan auch wirklich einzuhalten.
Jan Alberti, bmp

Passend zum Thema: “6 kostenlose Excel-Finanzplanvorlagen im Vergleichstest” und “Businessplan: So demonstriert man kraftvoll Ambitionen

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Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.