Andreas Schroeter im Interview

“Alle müssen hinter der neuen Vision stehen”

"Der grundlegende Wandel des Zuschauerverhaltens zu einer parallelen Nutzung eines Smartphones während des Fernsehens war da, nur das B2C-Geschäftsmodell nicht das richtige", sagt Andreas Schroeter von wywy im Pivot-Interview mit deutsche-startups.de
“Alle müssen hinter der neuen Vision stehen”
Montag, 5. Dezember 2016VonAlexander Hüsing

In unserem Themenschwerpunkt Pivot geht es um Start-ups, die ihren Kurs geändert haben. Grundsätzlich hat sich ein strategischer Kurswechsel bei vielen Startups bewährt. Statt ein totes Pferd zu reiten, ist ein Pivot immer die bessere Entscheidung. Im Pivot-Interview mit deutsche-startups.de spricht Andreas Schroeter vom AdTech-Unternehmen wywy, unser Start-up des Jahres 2012, über Zuschauerverhalten, Team-Meetings und Konsequenzen.

wywy ging 2012 als Social-TV-App an den Start. Später schaltete das Unternehmen seine B2C-App dann an und konzentrierte sich komplett auf das B2B-Geschäft zu. Warum habt ihr Euer Geschäftsmodell geändert?
Unsere Social TV-App wurde zwar intensiv genutzt, aber nicht von genügend Leuten. In Gesprächen mit TV-Werbetreibenden, Agenturen und TV-Sendern gab es aber großes Interesse, die TV-Zuschauer auf ihrem Second Screen zu erreichen und die Wirkung von TV zu messen. Der grundlegende Wandel des Zuschauerverhaltens zu einer parallelen Nutzung eines Smartphones während des Fernsehens war da, nur das B2C-Geschäftsmodell nicht das richtige.

Was war die größte Herausforderung, was die größte Schwierigkeit bei diesem Wandel?
Die ganze Organisation war auf die App ausgerichtet, wir wurden deshalb sogar zum Start-up des Jahres gewählt. Das bisher erreichte alles liegen zulassen und sich dann als B2B-AdTech-Player auszurichten, was aus meiner Sicht das schwierigste. Nicht technisch, sondern mental. Wir brauchten eine neue Vision, um alle zu begeistern. Wir haben jetzt in jedem Team-Meeting dieselbe Folie, wo unsere neue Vision drauf steht. Und die hat sich seitdem nicht mehr geändert, auch wenn die Mitarbeiter lächeln, wenn sie diese Folie immer wieder sehen.

Waren auch Veränderungen in Sachen Personal nötig, braucht ein B2B-Unternehmen andere Mitarbeiter als ein B2C-Start-up?
Wir haben keine einzige Person ausgetauscht. Alle waren von der neuen Vision überzeugt und das Team stimmte. Der Markt war ja komplett neu, Erfahrung zählte nicht, aber dafür die richtige Einstellung. Und die haben alle mitgebracht.

Wie haben Eure Investoren auf Euren Pivot reagiert?
So etwas entscheidet man nicht an den Investoren vorbei und die “reagieren”, sondern das war eine gemeinsame Entscheidung. Gründer und Investoren wollen ein erfolgreiches Unternehmen aufbauen. Wenn man sieht, dass ein anderes Geschäftsmodell attraktiver ist als das aktuelle oder gar dass das aktuelle Geschäftsmodell in bestimmten Punkten nicht so funktioniert wie ursprünglich gedacht, muss man die Konsequenzen ziehen, da sitzen alle im gleichen Boot.

Wie lange haben die Diskussionen über den Pivot gedauert?
Das waren sicherlich Monate. Wir tauschen uns regelmäßig aus und diskutieren dann den Geschäftsverlauf. Der Pivot war ja keine Hau-Ruck Entscheidung, sondern auf Basis der gesammelten Erfahrungen im Markt, durch Gespräche mit potenziellen Kunden und Marktteilnehmern, gereift. Die Neuausrichtung war dann die logische Konsequenz.

Und was haben Eure Kunden zur Veränderung gesagt?
Die App-Nutzer waren traurig, da viele die App intensiv genutzt hatten. Die Agenturen und TV-Werbetreibenden waren begeistert, weil sie den Wandel des TV-Zuschauerverhaltens jetzt aktiv begleiten konnten.

Hat sich der Wandel insgesamt gelohnt?
Ja. Keine der Social TV-Apps hat sich durchgesetzt. TV-Sync und TV-Analytics sind heute Standard bei vielen TV-Werbekampagnen.

Welchen Tipp gibst du anderen Gründern, die vor einem Pivot stehen?
Mit allen Shareholdern diskutieren, was für und gegen einen Pivot spricht und warum ein Pivot notwendig ist. Alle, und das beinhaltet Gründer, Investoren und Mitarbeiter, müssen hinter der neuen Vision stehen. Nur dann gelingt es, vorauszuschauen und nicht laufend zurückzuschauen und dem alten hinterherzutrauern.

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Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.