Gastbeitrag von Sven Krahn

Darauf sollten Start-ups beim IT-Outsourcing achten

Sollten Gründer die Entwicklung ihrer Software in fremde Hände geben? Neben dem Geschäftsmodell sind der Umfang der auszulagernden Entwicklungsleistung entscheidend: Auch für Startups kann es sich lohnen, Projekte extern entwickeln zu lassen – etwa wenn das eigene Team ausgelastet ist.
Darauf sollten Start-ups beim IT-Outsourcing achten
Donnerstag, 4. Dezember 2014VonTeam

Der Mangel an Fachkräften in der IT verstärkt die Nachfrage nach IT-Dienstleistern. Doch wann lohnt sich Outsourcing wirklich? Und worauf sollten insbesondere Startups achten, wenn sie Software extern entwickeln lassen? Ein Leitfaden über die Do’s and Dont’s des IT-Outsourcings.

953.000 Mitarbeiter zählt die IT-Branche zurzeit – mehr als jeder andere Industriezweig, mit Ausnahme des Maschinenbaus. Diesen neuen Beschäftigungsrekord gab der BITKOM am 20. Oktober bekannt. Keine Frage, die digitale Wirtschaft gewinnt immer mehr an ökonomischer Relevanz und mit ihr wächst auch die Zahl der Bewerbungen, die Startups Tag für Tag erreichen.

Eine luxuriöse Situation? Nicht unbedingt. Jeder Gründer weiss um die Schwierigkeit, wirklich qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und möglichst langfristig zu binden. Das gilt vor allem für Product Manager, QA-Manager und Software-Entwickler. Auf 42.000 Stellen beziffert der BITKOM die Zahl der offenen und auch langfristig nur schwer zu besetzenden Stellen in der IT. Schnelles Wachstum – vor allem für Startups in wettbewerbsintensiven Märkten überlebenswichtig – wird oft durch knappe personelle Ressourcen gebremst.

Entsprechend groß ist die Nachfrage, die IT-Diensleister verzeichnen. Einer im August veröffentlichten Techconsult-Studie zufolge, arbeiten in Deutschland branchenübergreifend bereits 34 Prozent der Unternehmen mit Software-Agenturen. Weitere 33 Prozent gaben an, zukünftig externe IT-Dienstleister beauftragen zu wollen. 15 Prozent der Unternehmen haben sogar ihre komplette IT-Infrastruktur ausgelagert. Doch kann Outsourcing wirklich als „Allheilmittel“ für alle offenen Personalfragen dienen?

Schadet das Outsourcing der IT dem Unternehmenswert?

Ein Blick auf die größten Exits der letzten Jahre zeigt, wie sehr Technologien zum Unternehmenswert beitragen: Im Mai übernahm die Londoner Private Equity-Gesellschaft Premira den Fernwartungs-Dienst Teamviewer für kolportierte 1,1 Milliarden Dollar. Für 350 Millionen Dollar sicherten sich Summit Partners und TA Associates im April 2011 die Mehrheit an der Spieleschmiede Bigpoint. Die Akquise durch den Tesco-Ableger Dunhumby brachte den Gesellschaftern im März 2014 bis zu 200 Millionen Dollar ein. Und selbst bei der Übernahme von DailyDeal durch Google waren die Technologien des Couponing-Portals dem Suchmaschinenriesen 11 Millionen Dollar wert – etwa zehn Prozent des Kaufpreises in Höhe von 114 Millionen Dollar.

Sollten Gründer die Entwicklung ihrer Software also wirklich in fremde Hände geben? Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Tech-Startups sind auf den ersten Blick gut beraten, ihre Kernkompetenz im eigenen Haus zu behalten. Für E-Commerce-Unternehmen hingegen ist es eher nebensächlich, wer die Plattform entwickelt, über die das eigentliche Geschäft – der Verkauf von Waren – realisiert wird. Das Outsourcing der IT bietet ihnen die Möglichkeit, sich auf Marketing und Vertrieb zu konzentrieren.

Neben dem Geschäftsmodell sind die Art und der Umfang der auszulagernden Entwicklungsleistung entscheidend: Auch für Tech-Startups kann es sich lohnen, einzelne Projekte oder Komponenten extern entwickeln zu lassen – etwa dann, wenn das eigene Team ausgelastet ist oder nicht über die nötigen Fähigkeiten verfügt. So hat Lycos 2002 beispielsweise seine Core-Billing-Plattform in Armenien entwickeln lassen, über die das Internet-Portal alle Premium-Services im Wert von fast 100 Millionen Euro jährlich in zwölf Währungen und über 16 Zahlungswege abgerechnet hat.

Letztlich kommt es bei der Bewertung eines Start-ups nicht zwangsläufig darauf an, wer die Software entwickelt hat. Von wesentlich zentralerer Bedeutung für die erfolgreiche Due Dilligence ist die Rechtssituation. Zählt der entwickelte Code zur intellecutal property eines Startups oder verfügt dieses lediglich über eine Nutzerlizenz? Von dieser Frage sollten sich Gründer und ihre CTOs bei der Entscheidung zum Outsourcing und den Verhandlungen mit einem möglichen IT-Dienstleister leiten lassen.

So finden Startups den für sie passenden IT-Dienstleister

Haben sich die Gründer und ihr CTO fürs Outsourcing entschieden, sehen sie sich mit einer Vielzahl an IT-Dienstleistern konfrontiert. Alleine die Plattform IT-Dienstleister-Guide.de verzeichnet in ihrer Datenbank über 3.700 Einträge von Systemhäusern, Resellern, Softwareentwicklern und sonstigen IT-Dienstleistern. Hinzu kommen oft preiswertere Anbieter aus Nearshore-Ländern wie Armenien, Ungarn oder Polen und Offshore-Staaten wie Kambodia, Indien oder Vietnam, die auch um deutsche Kunden werben. Verfügen die Entscheider nicht über Erfahrungen aus früheren Unternehmen, gestaltet sich die Wahl des passenden Partners schnell zur zeitraubenden Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen.

Bei der Wahl des passenden Dienstleisters empfiehlt es sich, zunächst nach Kompetenzen zu filtern. Python und NoSQL beherrschen längst nicht alle Dienstleister und ein auf iOS spezialisierter App-Entwickler verfügt nicht immer auch über ausreichende Erfahrungen in der Programmierung von Applikationen für Android- oder Windows-Smartphones. Neben der Erfahrung der Aufragnehmer spielt auch der Umfang der eingekauften Leistung eine entscheidende Rolle. Müssen Mitarbeiter des eigenen Unternehmens das Projektmanagement und die Qualitätssicherung verantworten oder handelt es sich um einen Full-Service-Dienstleister? Zudem sollte das Recht, Zwischenstände einzusehen und Korrekturen vornehmen zu lassen, vertraglich garantiert werden.

Fällt die Wahl auf einen Nearshore- oder Offshore-Dienstleister drängen sich weitere Fragen auf: Neben den sprachlichen und kulturellen gilt es auch die rechtlichen Unterschiede zu beachten: Erfüllt der infrage kommende Dienstleister die Reglements des deutschen Datenschutz- und Datensicherheitsrechts und ist er darüber hinaus fähig, den unternehmenseigenen Compliance-Vorgaben zu sprechen?

Erst, wenn alle offenen Fragen beantwortet sind, sollten Startups den Auftrag vergeben. Transparenz und gegenseitiges Vertrauen sind bei der Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern unverzichtbar.

Das richtige Projektmanagement: Fördern und Fordern nicht vergessen

Ist die Tinte unter dem Vertrag getrocknet, sind wenige Wochen später die letzten Zeilen Code geschrieben? So leicht gestaltet sich die Zusammenarbeit mit externen Partnern meist erst nach längerer Zusammenarbeit. Auch bei Dienstleistern greifen die von Alexandra Schwarz-Schilling geschilderten Grundprinzipien der Mitarbetermotivation. Über das Pflichtenheft hinaus benötigen sie konkrete Anweisungen und ein offenes Ohr, sollten während der Arbeit am Projekt Fragen auftreten. Für Startups bedeutet dies, dass sie einen Projekt-Manager abstellen sollten, der – falls nötig – auch mehrere Stunden pro Woche für die Kommunikation mit dem Dienstleister aufwenden kann und mindestens über IT-Grundkenntnisse verfügt.

Vor allem beim Nearshoring und Offshoring empfiehlt sich zusätzlich der Besuch vor Ort – zu Beginn und während der Realisation des Projekts. Nicht nur die Erwartungshaltung lässt sich auf der Tonspur charmanter kommunizieren. Der persönliche Kontakt und gemeinsame Erlebnisse erleichtern die spätere Kommunikation. Sie schaffen eine positive Vorstellung vom Gegenüber und steigern zudem die Loyalität der externen Entwickler und ihre Einsatzbereitschaft für den gemeinsamen Erfolg.

Zur Person
Sven Krahn ist Gründer und Geschäftsführer der Berliner Singlepoint GmbH, einem Full-Service-Dienstleister für die Realisation von Software-Projekten in Nearshore-Ländern wie Armenien, der Ukraine und Weißrussland. Sven Krahn verfügt über mehr als 20 Jahre in der Entwickung von Software-Projekten und gilt als einer der Pioniere in der Zusammenarbeit mit externen Entwickler-Teams. In jeweils leitender Position war Sven Krahn in der Vergangenheit für führende Internetkonzerne wie 1&1, AOL, eBay und Lycos tätig. Als Chief Information Officer (CIO) verantwortete er zuletzt den gesamten IT-Bereich der Leipziger Unister-Holding mit mehr als 500 Mitarbeitern.