Neuer Markt 2.0: “Ein Börsengang ist reine Geldverschwendung”

Der angedachte neue Neue Markt entzweit weiter die deutsche Gründerszene. Einer, der dieses Vorgaben für “totalen Blödsinn” hält, ist Michael Urban, der 1999 – und somit in der New Economy-Hochphase – buch.de (www.buch.de) […]
Neuer Markt 2.0: “Ein Börsengang ist reine Geldverschwendung”
Montag, 26. August 2013VonAlexander Hüsing

Der angedachte neue Neue Markt entzweit weiter die deutsche Gründerszene. Einer, der dieses Vorgaben für “totalen Blödsinn” hält, ist Michael Urban, der 1999 – und somit in der New Economy-Hochphase – buch.de (www.buch.de) an die Börse brachte. Und dies alles, obwohl es buch.de noch heute gibt, das Unternehmen weiter börsennotiert ist (jetzt im geregelten Markt) und Urban finanziell vom Gang aufs Parkett profitiert hat.

Sie haben 1999 mit dem Online-Shop buch.de ein Start-up an die Börse gebracht, würden Sie dies heute noch einmal machen?
Ich würde das nie wieder machen. Man wird mit einem Börsengang als Unternehmer völlig aus dem operativen Geschäft gerissen und ist nur noch mit dem Kapitalmarkt beschäftigt. Vor, während und nach dem Börsengang konnte ich nur noch ein Viertel meiner Zeit meiner eigentlichen Arbeit widmen, nämlich ein Unternehmen aufzubauen. Als Chef oder Gründer sitzt man nur noch mit Wirtschaftsprüfer und Juristen zusammen. Mit einem Börsengang fördert man kein Unternehmertum, es geht damit verloren. Zudem ist ein Börsengang reine Geldverbrennung – und verschwendung. Die Nebenkosten eines Börsengang sind nicht zu unterschätzen. Für Banken, Berater und sonstige Unterstützer und Auflagen gehen locker 20 % des zu erlösenden Börsengeldes drauf. Und es gibt jedes Jahr Kosten, denn auch die jährlichen Hauptversammlungen kosten jeweils Geld – sowie Zeit und Nerven.

Was kommt noch auf Gründer zu, die mit der Börse liebäugeln?
Hinzu kommen alle denkbaren Auflagen. Eigentlich unterliegen Unternehmensgründer, die an der Börse sind, im Grunde einem Redeverbot. Gleichzeitig muss man aber jedem Journalisten und Analysten Rede- und Antwort stehen und ihnen eine börsenreife Geschichte erzählen. Gerade Analysten erzählen einem ständig, was man mit seinem Geld alles machen müsste und sie erwarten zudem ständig Umsatzzuwächse, die man gar nicht alle erfüllen kann. Man gerät dann schnell in einen Kreislauf, in dem es nur noch darum geht, Zukäufe zu tätigen, ohne darauf zu achten, ob diese sinnvoll für das eigene Geschäft sind. Es geht dann nur noch darum, wie sehr diese Meldung aufgegriffen wird und wie der Aktienkurs daraufhin steigt. Einige Unternehmen, die vor dem Börsengang solide gewirtschaftet haben, sind durch solche Dinge regelrecht versaut worden – und existieren deswegen heute nicht mehr.

Der Startup-Verband sieht den neuen Neuen Markt als Chance, für Start-ups, die einen Umsatz von 30 bis 50 Millionen Euro – oder aufwärts machen und nennt rund ein Dutzend Start-ups, die deswegen für einen Börsengang in Frage kommen. Lohnt sich für diese Start-ups dieser finanzielle Aufwand?
Der erhebliche Aufwand lohnt sich nur, wenn man 100 Millionen oder mehr an der Börse einsammeln möchte. Am Ende des Tages sind die meisten Start-ups, wir reden hier von jungen Unternehmen, die ein oder zwei Jahre im Markt sind, somit zu klein für einen Börsengang. Auch Banken, die man für einen Börsengang braucht, wollen schließlich an diesem verdienen, gerne Millionen – und dies lohnt sich für alle Seiten kaum, wenn man nur 10 Millionen an der Börse einsammeln möchte. Unternehmen aber, die 100 Millionen und mehr brauchen, können sich auch direkt an die ganz großen Fonds wenden, oder direkt an die ‘normale Börse’ gehen. Die Finanzierungslücke, wir reden hier von sechsstelligen oder gerade siebenstelligen Beträgen, die besonders ganz junge Start-ups haben, wird mit einem neuen Neuen Markt oder einen neueren Markt, wie auch immer das Segment mal heißen soll, nicht geschlossen.

Was fordern Sie stattdessen?
Junge Start-ups brauchen ganz andere Instrumente als ein neuen Neuen Markt. Wir müssen die Instrumente, die wir bereits haben, verbessern und ausbauen – beispielsweise beim Crowdfunding. Wenn Start-ups via Crowdfunding, ohne Prospekte, Auflagen, Bafin-Überwachung, kleine und mittlere Millionenbeträge einsammeln können, haben wir in Deutschland ein Problem mit Finanzierungen weniger. Die 100.000 Euro-Grenze muss abgeschafft werden. Einfach eine Null hinten dran, dann ist alles wie bisher geregelt, nur die Summen könnten ohne Tricksereien größer sein. Dies ist aber nicht so spektakulär, wie ein neues Börsensegment zu fordern. Damit kein Wildwuchs folgt, gerne auch mit Beschränkungen, wenn es um Beträge von mehr als 500.000 Euro geht, aber immer noch so, dass es auch Mit-Zwanziger mit wenig Kapitaleinsatz stemmen können. Wichtig ist nur, dass diese Rahmenbedingungen für größere Finanzierungen auch erfüllbar sind.

Zur Person
Michael Urban gründete den Online-Shop buch.de und die Online-Druckerei logiprint.com. Mit Nabru Ventures investiert er sein einigen Jahren in junge Start-ups. Zuletzt gründete er mit bonusinside (www.bonusinside.de) ein Bonussystem, das mit einer gewöhnlichen EC-Karte funktioniert.

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Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.