So gewinnen Start-ups begehrte Entwickler für sich: Der Tag der Wahrheit

Willst Du mit mir gehen? So gewinnen Start-ups begehrte Entwickler für sich. Teil 4: Der Tag der Wahrheit – Gastbeitrag von Lars Fink (siehe links), Gründer der IT-Personalberatung next level. Eine der größten […]

Willst Du mit mir gehen? So gewinnen Start-ups begehrte Entwickler für sich. Teil 4: Der Tag der Wahrheit – Gastbeitrag von Lars Fink (siehe links), Gründer der IT-Personalberatung next level.

Eine der größten Herausforderungen beim Aufbau eines Tech-Start-ups besteht darin, gute Entwickler für sich zu gewinnen. Denn beim Aufbau eines IT-Teams betreten die Gründer häufig Neuland. Wenn sie nicht zufällig Geschäftsführer, Developer und Recruiter in einer Person sind, kann sich die Mitarbeitersuche schnell in die Länge ziehen. Diese kurze Serie liefert die wichtigsten Tipps für die vier entscheidenden Phasen des Recruiting-Prozesses – der sehr viel Ähnlichkeiten mit der Partnersuche aufweist. Nachdem das das erste Date gemeistert wurde, geht es in der letzten Phase um die Antwort auf die Frage: Willst Du mit mir gehen?

Teil 4 – Der Tag der Wahrheit

Nach Augenkontakt, zweitem Blick und erstem Date steht nun die Entscheidung an: Bleibt es bei einer kurzen “Affäre” oder streben Entwickler und Start-up eine langfristige Beziehung an? Die dazu notwendige Leidenschaft muss auf beiden Seiten entstehen. Und nur, wenn man wirklich vom Bewerber überzeugt ist, sollte man ihn auch einstellen. Denn Kandidaten, die zu 80% passen, passen bei genauem Hinsehen meist überhaupt nicht. Solche “Zweckbeziehungen” bzw. Kompromisslösungen können sehr nervenaufreibend werden und enden in aller Regel mit der Trennung. Sie kosten unglaublich viel Kraft in der Einarbeitung, zerstören schlimmstenfalls sogar die Teamstruktur – und nach einer Kündigung in der Probezeit startet man seine Suche wieder von vorne.

Drum prüfe, wer sich (ewig) bindet: Für die meisten Start-up-Unternehmer gibt es keine größere und wichtigere Investition, als die in die eigenen Mitarbeiter. Hat man dann aber mit “Mr. Right” einen guten Kandidaten gefunden, muss man auch mutig sein und “zuschlagen”. Wer lieber abwartet, ob nicht vielleicht in den nächsten Wochen noch ein besserer Kandidat um die Ecke kommt, riskiert zu viel. Es besteht sicherlich eine (sehr) kleine Wahrscheinlichkeit, dass sich der absolute Traumkandidat sich noch meldet. Dem steht aber die (nahezu) 100%ige Wahrscheinlichkeit entgegen, dass in der weiteren Such- und Wartezeit der wirklich gute Entwickler, den man ursprünglich im Auge hatte, nicht mehr zur Verfügung steht.

Wie überzeuge ich?
Um dem auserkorenen Entwickler die Entscheidung leicht zu machen, heißt es: Möglichst schnell, unbürokratisch und gleichzeitig verbindlich auftreten. Start-ups können hier punkten: Die Entscheidung ist schnell getroffen und mit dem/den Mitgründern abgestimmt. Es gibt in aller Regel keinen Betriebsrat, dessen Reaktion abgewartet werden muss. Und auch die vertraglichen Regelungen selbst können klar und einfach getroffen werden – anstatt auf langwierige Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen verweisen zu müssen. Doch vor dem Vertragstext steht erst einmal die Einigung über die finanziellen Rahmenbedingungen:

Geld oder Liebe?
Bevor die nackten Zahlen auf den Tisch kommen, ist es wichtig, sich selbst klare Ziel-Bandbreiten zu setzen. Gegebenenfalls verschafft man sich vorher einen Überblick der aktuellen IT-Gehälter. Diese sind je nach Unternehmensstandort und Expertise sehr unterschiedlich. In Berlin liegt das Einkommen von PHP-Experten beispielsweise über den Gehältern von Java-Profis, während es in den meisten anderen Regionen Deutschlands umgekehrt ist. Dies liegt an den vielen auf PHP-Commerce-Plattformen ausgerichteten Start-ups in der Hauptstadt.

Üblicherweise klärt man spätestens im ersten persönlichen Gespräch die Gehaltsvorstellung des Kandidaten, um einzuschätzen, ob man überhaupt in diesem nicht ganz unwichtigen Aspekt zusammenfinden kann. Das Zweitgespräch ist dann der Zeitpunkt, in dem konkret verhandelt wird. Bei den einzelnen Vergütungskomponenten achten IT-Spezialisten nach unserer Erfahrung vor allem auf das Fixgehalt. Variable Bestandteile sollten sich aus klaren Kriterien herleiten, die der Entwickler auch selbst beeinflussen kann. Ein Bonus in Abhängigkeit vom Unternehmenserfolg wird als deutlich weniger “lohnenswert” wahrgenommen, als sein mathematischer Erwartungswert. In einer Vielzahl von Gehaltsverhandlungen konnten wir beobachten, dass die meisten Entwickler das Grundgehalt verhandeln und sich auf dieser Basis entscheiden. Die variablen Komponenten werden “on top” einfach mitgenommen. Unter dieser Annahme ist eine variable Vergütung nicht nur sehr teuer, sondern hat auch nur eine begrenzte Anreizwirkung.

Es gibt natürlich Ausnahmen: Unternehmerisch eingestellte Personen gehen gerade deshalb zu einem Start-up, weil sie eine Unternehmensbeteiligung erhalten können. Die Modelle reichen von GmbH-Anteilen und Aktien bis hin zu Darlehen und stillen Beteiligungen. Eine ausführliche Darstellung der Vor- und Nachteile von Mitarbeiterbeteiligungen würde den Raum dieser Artikelserie allerdings sprengen.

Allgemein gilt, dass nur wenige Menschen bereit sind, große Gehaltsrückschritte in Kauf zu nehmen und beispielsweise 15.000 Euro weniger zu verdienen als bei einem anderen Arbeitgeber. Insofern muss auch ein Start-up für die gewünschten Gurus eine angemessene monetäre Vergütung bieten. Dennoch können Start-ups mit vielen anderen Aspekten punkten. Ganz oft sind nicht die wirklich teuren Benefits entscheidend. Die Stimmung allgemein und die developer-orientierte Philosophie können Entrepreneure auf vielfältige Weise glaubwürdig verdeutlichen. Etwa, indem der neue Coder-Guru nicht auf der Medion-Kiste arbeiten muss, sondern einen Apple mit Cinema-Display zur Wahl hat. Oder er erhält gleich zum Start die Headphones von Sennheiser. Einige Hundert Euro sind zwar auch hier zu investieren – oft haben die aber ein stärkeres Gewicht bei der Entscheidung als einige Tausend Euro mehr an Gehalt. Wahre Wertschätzung drückt sich in Beziehungen schließlich nicht (nur) durch den Kontostand aus.

Ja? – Nein? – Vielleicht?
Ist man sich selbst über das genaue Angebot an den neuen Master of Coding klar geworden, sollte es schnell gehen: Entweder vor oder unmittelbar nach Übersendung des Vertrags zunächst als PDF sollte man den Traumkandidaten anrufen und mit ihm die wesentlichen Vertragsinhalte am Telefon durchsprechen. Hier bekommt man auch gleich mit, wo ggf. noch der Schuh drückt. Dieses Gespräch ist umso wichtiger, wenn besondere Bestimmungen (etwa zur variablen Vergütung) im Vertrag enthalten sind.

Wenn alle Rahmenbedingungen geklärt sind, liegt die Entscheidung beim Entwickler. Doch wie schnell sollte man eine Zu- oder Absage einfordern? Hier gibt es keine verbindliche Richtlinie. Letztlich ist es ähnlich wie in der Liebe: Wenn man sich erst nach einigen Wochen Bedenkzeit dazu entschließen kann, den anderen regelmäßig zu daten, ist das nicht gerade das beste Signal. Daher ist es nach unserer Erfahrung am besten, auch eine schnelle Rückmeldung beim Kandidaten einzufordern, z.B. nach drei Tagen oder nach einem Wochenende. (Voraussetzung ist natürlich, dass man selber mindestens so schnell war.)

Und dann ist es so weit: Die letzte und spannendste Recruiting-Phase ist vorbei. Der Vertrag ist unterzeichnet, der Arbeitsplatz vorbereitet, das Equipment am Start. Der ersehnte Entwickler erscheint auf der Türschwelle, um die coole neue Plattform zu bauen. Die neue Eroberung wird liebevoll willkommen geheißen – und nicht so schnell wieder losgelassen!

Zur Person
Lars Fink ist Geschäftsführer der next level GmbH (www.nextlevel.de), einer Personalberatung, die auf die Vermittlung von IT-Experten spezialisiert ist . Bereits seit 1995 ist er als Serial Entrepreneur im Internet unterwegs. U.a. hat er die Performance Marketing-Plattform Ligatus erfolgreich aufgebaut und 2008 an Gruner+Jahr verkauft. Mit next level gründete er eine Personalberatung, die er sich selbst früher gewünscht hätte. Bei Fragen meldet Euch einfach gerne bei: lars.fink(a)nextlevel.de.

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