Gründerinnen. “Glaubhaftigkeit ist unser wichtigstes Gut” – Claudia Langer von Utopia
Die deutsche Online-Gründerszene ist ein Männerverein. Auf Kongressen, Tagungen und sonstigen Branchenhöhepunkten sind Frauen die große Ausnahme. Aber es gibt sie! Jeden Mittwoch stellt deutsche-startups.de in der Reihe “Gründerinnen” eine interessante, wichtige oder erfolgreiche Web-Unternehmerin vor.
Thomas Morus veröffentlichte 1516 den Roman “Utopia”, in welchem er die “ideale” Gesellschaft beschreibt. 490 Jahre später gründet Claudia Langer unter demselben Namen eine Plattform für strategischen Konsum. Mit Utopia (www.utopia.de) wirkt die Münchnerin an einer besseren Welt mit, indem sie möglichst viele Verbraucher dafür begeistert, einen ersten Schritt in Richtung Nachhaltigkeit zu gehen. “Es gibt zu fast allen konventionellen Produkten und Handlungsweisen eine bessere Alternative, wenn wir sie kaufen, senden wir ein Signal an Wirtschaft und Politik”, ist sie fest überzeugt. Eine Überzeugung, die sie nicht immer teilte. Zwar kommt sie aus einem Haushalt, in der sie diese Themen von Kindheit an mitaufsog: Ihr Vater ist Pfarrer, die Mutter Sozialpädagogin. Doch als junge Erwachsene packte sie angesichts globaler Erwärmung und saurem Regen Frust und Hoffnungslosigkeit: “Ich hatte regelrechte Weltuntergangsphantasien und entschied mich, lieber \’Party zu machen\’, wenn die Welt doch eh untergeht. Hinzu kam, dass ich wahrscheinlich der politischen Korrektheit zu Hause entfliehen musste, um mich abzulösen.” Also wählte sie zum Entsetzen der Eltern “den oberflächlichen Weg” und gründete noch während ihres Abiturs eine Veranstaltungsagentur, mit der sie junge Modemacher förderte. “Schnell waren wir ganz groß und ziemlich pleite.” Woraufhin die heute 44-Jährige, die in ihrem Leben weder eine Ausbildung absolviert noch studiert hat, ihr zweites Unternehmen gründete: eine Werbeagentur.
Der Bruch kam mit der Geburt ihrer drei Kinder und der Frage: “Wie erkläre ich meinen Sprösslingen mal, dass ich für Unternehmen wie Deutsche Bank und Burger King arbeite, die sicher nicht genug zur Lösung der globalen Probleme beitragen?” Langer entschied, dass es ihre “heilige Pflicht” sei, sich für die Welt ihrer Kinder zu engagieren anstatt in Lethargie zu verharren. Mit der Plattform, die eine Mischung aus redaktionellen Beiträgen und aktiver Community ist, animiert das Team Nutzer zu nachhaltigen Verhaltensweisen im Alltag. “Verführen” wolle man die Menschen, zum Beispiel zum Flugzeugverzicht: “Sommerfrische im eigenen Umfeld ist dabei, ein echter Trend zu werden und zum Beispiel hier in Oberbayern gibt es alles, was wir brauchen!” Auch die Mitglieder bringen viele Beiträge und Fragen ein, zum Beispiel inwiefern das neue Energiesparlampengebot berechtigt ist und welche Akkus am nachhaltigsten sind. Immer mehr Unternehmer und Manager kämen hinzu, vor allem Unternehmensberater. “Sie sagen mir dann, dass sie zwar viel arbeiten, aber dass ihnen abends das Glück fehlt, etwas wirklich Wichtiges geleistet zu haben.”
Jeden Monat sind 150.000 bis 200.000 Besucher auf der Seite
Langer möchte, dass die “Utopisten” zu einer gesellschaftlichen Bewegung werden, die kräftig mitmischt, da deutsche NGOs wie Greenpeace ihrer Meinung nach keine gesellschaftliche Kraft mehr besitzen. Das Anliegen wird von vielen honoriert: Utopia hat 48.000 Mitglieder, jeden Monat sind 150.000 bis 200.000 Besucher auf der Seite. Es verwundert nicht, dass angesichts soviel Idealismus das Thema “Geld” in den Hintergrund rückt: Utopia trägt sich noch nicht selbst, obwohl der Name zu einem Gütesiegel für Unternehmen geworden ist. Aber das Team ist überaus kritisch, was Sponsoren und Werbeträger angeht. Partnerunternehmen werden auf Herz und Nieren geprüft, müssen auf dem “richtigen Weg” zu mehr Nachhaltigkeit sein und die Ziele von Utopia unterstützen. “Glaubhaftigkeit ist unser wichtigstes Gut, dafür verzichten wir schon mal auf Rendite. Rendite ist schließlich ein vielfältiger Begriff, es gibt auch eine Umwelt- und Gesellschaftsrendite. Wir wollen beides: einen finanziellen Return on Investment und wir wollen Impact.”
Langer sieht ihren Job als Berufung an. “Klar, meine Kinder müssen manche Kompromisse eingehen, ich reise viel. Aber sie verstehen die Werte ihrer Eltern und sind mit unserem Beruf sehr einverstanden.” Mit dem, was direkt nach Utopia folgen soll, beschäftigt sich Langer noch nicht, dafür mit der Frage, wie sie und ihr Mann das Alter gestalten wollen. “Am liebsten möchte ich mit der erweiterten Groß- und Wahlfamilie in der Stadt zusammenleben können. Ich halte halt alles gerne zusammen.” Doch bis dahin wird vermutlich noch einiges passieren im Leben dieser Frau.
Zur Person
Claudia Langer ist Serienunternehmerin: Bereits mit 19 Jahren gründete sie die Eventagentur Avantgarde. In den neunziger Jahren folgte die Werbeagentur Start, die durch Kampagnen für MTV, EON, Burger King und die Deutsche Bank bekannt wurde. Im November 2007 ging Langer mit der Kommunikations-Plattform Utopia.de an den Start, die in Medien und Politik als Sprachrohr von Konsumenten wahrgenommen werden soll.
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