Gründerinnen. “Wenn mir langweilig wird, kommt das nächste Spiel” – Agnes Reissner von Sauspiel

Die deutsche Online-Gründerszene ist ein Männerverein. Auf Kongressen, Tagungen und sonstigen Branchenhöhepunkten sind Frauen die große Ausnahme. Aber es gibt sie! Jeden Mittwoch stellt deutsche-startups.de in der Reihe “Gründerinnen” eine interessante, wichtige oder […]
Gründerinnen. “Wenn mir langweilig wird, kommt das nächste Spiel” – Agnes Reissner von Sauspiel
Mittwoch, 30. September 2009VonYvonne Ortmann

Die deutsche Online-Gründerszene ist ein Männerverein. Auf Kongressen, Tagungen und sonstigen Branchenhöhepunkten sind Frauen die große Ausnahme. Aber es gibt sie! Jeden Mittwoch stellt deutsche-startups.de in der Reihe “Gründerinnen” eine interessante, wichtige oder erfolgreiche Web-Unternehmerin vor.

Nein, es ist kein versautes Spiel, das sich hinter der Plattform Sauspiel (www.sauspiel.de) verbirgt, sondern das gute alte, bayrische Traditions-Kartenspiel Schafkopf. Gründerin Agnes Reissner ist Süddeutsche im Exil, und da es viele von ihrer Sorte gibt, hat das Start-up mittlerweile 100.000 Mitglieder, von denen sie viele persönlich kennt. “Vor allem kennen viele mich, da ich viel poste und Ansprechparterin für sämtliche Anliegen bin.”

Agnes Reissner im Kreise ihrer Mit-Gründer

Eigentlich kommt Reissner aus Baden-Württenberg, zum Soziologie-Studium verschlug es sie aber nach München. Dort kam sie nicht drum herum, Schafkopf zu lernen: “Am Anfang natürlich nur als Aushilfe, wenn ein \’richtiger\’ Spieler ausfiel.” Aus Neugier auf die Hauptstadt wollte sie in Berlin weiter studieren, hatte aber Pech: “An der FU streikten sie gerade und die HU wollte mich nicht, weil ich den Schwerpunkt bisher nicht auf politische Soziologie sondern auf Umweltsoziologie gelegt hatte!” Also landete sie an der Uni in Potsdam, zog aber nach Kreuzberg. Eines vermisste sie in der Hauptstadt, die sie ansonsten sehr liebt, ganz besonders: “Wir haben hier nie eine Schafkopfrunde gefunden!” Also gründete sie gemeinsam mit Martin Kavalar, einem Freund, die Spielcommunity Sauspiel. Später kamen noch Jan Bromberger und Stephan Eichler dazu.

Die privilegierte Mitgliedschaft kostet 5 Euro im Monat

Neben dem reinen Spielspaß setzt Sauspiel auf Nostalgie. Man spielt in typisch bayrisch aussehenden “Wirtschaften”, kleidet die Avatare in Dirndl und Lederhosen und hat Bier auf dem Stammtisch stehen – zumindest als Premiummitglied. Premiummitglieder halten sich außerdem in einem eigenen Raum auf, wo sie nicht von Unwissenden genervt werden, die das Spiel nur mal ausprobieren wollen. Außerdem kommunizieren sie über einen Sprachchat und können verschiedene Spielvarianten spielen. Die privilegierte Mitgliedschaft kostet 5 Euro im Monat und 2 Euro, “wenn man glaubhaft versichern kann, dass man Student oder anderweitig bedürftig ist”. Die zweite Einnahmequelle für das Unternehmen ist das Geldspiel. Wer will, spielt um Geld, der Gewinner tritt einen Teil des Erlöses an Sauspiel ab. Mittlerweile kann das Unternehmen über die Erlösmodelle sechs Vollzeitangestellte, drei Teilzeitangestellte und drei Freelancer unterhalten.

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Im Open-Air-Konferenzraum lässt sich gut plaudern und entspannen

Konkurrenten sind vor allem sämtliche Multi-Spieleplattformen, die auch Schafkopf im Repertoire haben. Für “echte” Fans, die auch die Community und das entsprechende Ambiente suchen, ist dies aber keine Alternative. “Wir haben mittlerweile Mitglieder, die sich nur wegen der Community angemeldet haben und das Spiel gar nicht können”, schmunzelt Reissner. Überhaupt ist die Community sehr entscheidend: Bei Live-Events in München liegen sich plötzlich Leute in den Armen, die ein Jahr lang online kommuniziert und gespielt haben. Vor Kurzem wurde das erste Sauspiel-Kind geboren, die Eltern haben sich in der Community kennen gelernt. Interessant ist: Obwohl Schafkopf in der realen Welt “eher ein Männerspiel” ist, sind 50 % der Sauspiel-Nutzer Frauen. Es sind viele Alleinerziehende, die Pausen im Alltag für ein Spiel zwischendurch nutzen.

“Wir würden alles dafür tun, Job und Familie unter einen Hut zu bekommen”

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Seit Anfang des Jahres gibt es nun auch die Skatstube (www.skatstube.de), die Skatfans ebenso begeistern soll wie Sauspiel die Schafkopffans. Deswegen soll es auch hier bald eine Premiummitgliedschaft geben sowie die Möglichkeit, um Geld zu spielen. Aktuell hat die Plattform 20.000 Mitglieder. “Und wenn mir langweilig wird, kommt das nächste Spiel, zum Beispiel das schwäbische Binokel”, lacht Reissner. Sie hat als Jungunternehmerin sehr gute Erfahrungen gemacht, was unter anderem daran liegt, dass die Teammitglieder alles Freunde und Bekannte sind. “Dadurch schätzen wir uns alle, keiner muss sich hier behaupten.” Sie selbst kümmert sich um Organisation und Kundenbetreuung, das “Technische” übernimmt Kavalar. Sie ist die einzige – aber fussballbegeisterte – Frau im Team, was sie sichtlich genießt: “Die kümmern sich alle rührend um mich.” Dafür ist sie es, die das Gespür für das Zwischenmenschliche hat und oft als Ansprechpartnerin für alle möglichen Dinge dient. Sollte irgendwann eine eigene Familie dazu kommen, ist das für sie kein Problem: “Wir würden bei uns alles dafür tun, Job und Familie unter einen Hut zu bekommen, ob bei den Jungs oder bei mir.” Vielleicht wird sie sich mit ihrem Soziologie-Hintergrund aber auch eines Tages wissenschaftlich mit dem Thema “Online-Community” und “Networking” beschäftigen.

Zur Person
Agnes Reissner, Jahrgang 1980, studierte Soziologie in München und Potsdam. Ihr Studium schloss sie 2007 mit Diplom ab. Bereits Ende 2007 Start des Schafkopfportals Sauspiel. Anfang 2009 folgte ein weiteres Spieleportal, die Skatstube. Reissner ist bei beiden Start-ups als Geschäftsführerin tätig.

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Yvonne Ortmann

Seit Mai 2009 schreibt Yvonne für deutsche-startups.de Gründerportraits, Start-up-Geschichten und mehr – ihre besondere Begeisterung gilt Geschäftsideen mit gesellschaftlich-sozialer Relevanz. Sie tummelt sich auch im Ausland – immer auf der Suche nach spannenden Gründerpersönlichkeiten und Geschäftsideen.