#Interview

“Wir haben den Nerv der Zeit getroffen, bevor KI zum Hype wurde”

Das junge Haut- und Haardiagnose-Tool IQONIC.AI entwickelte sich zuletzt von einem B2C-Produkt zu einem B2B-Konzept. "Wir haben gemerkt, dass die Nachfrage nach Lösungen wie unserer groß ist und haben den Moment genutzt", sagt Gründer Martin Pentenrieder.
“Wir haben den Nerv der Zeit getroffen, bevor KI zum Hype wurde”
Dienstag, 2. April 2024VonAlexander Hüsing

Das Berliner Startup IQONIC.AI, 2021 von Martin Pentenrieder und Maria-Liisa Bruckert als SQIN gegründet, bietet eine “KI-basierte Hautanalyse als SaaS-Lösung für Marken und Händler im Beauty-Segment an”. Accel, APX, YZR Capital und Business Angels wie Thomas Hayo investierten bereits in das Unternehmen. “In Vorbereitung auf die Finanzierungsrunde haben wir einen Schwerpunkt auf Networking gelegt. Die Sichtbarkeit über diese verschiedenen Kanäle hat uns viele direkte Kontakte ermöglicht”, sagt Gründer Pentenrieder zum Fundraising. 

Wie viele andere Startups auch entwickelte sich IQONIC.AI zuletzt von einem “reinen B2C-Produkt” zu einem B2B-Konzept. “Wir haben massiv in die Technologie investiert, diese verbessert und ausgeweitet. Den Impact unserer Technologie sehen wir jetzt schon, denn wir können auf zufriedene Kunden blicken, die die Ergebnisse der Zusammenarbeit mit uns spürbar erkennen können. Auf Basis dieser Ergebnisse konnten wir zusammen mit unseren Kunden die weitere, auch internationale Expansion wagen”, sagt Pentenrieder. 15 Mitarbeiter:innen arbeiten in Berlin, Dresden und München derzeit für IQONIC.AI.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der Jungunternehmer außerdem über Sachsen, Feedback und Anspruch.

Wie würdest Du Deiner Großmutter IQONIC.AI erklären?
Beauty-Marken, Geschäfte und Apotheken nutzen unsere Software, um Haut und Haare ihrer Kund:innen digital zu analysieren. Im Laden oder im Webshop werden Haut- und Haarmerkmale mittels eines Fotos analysiert. Das ist so, als ob du eine virtuelle Schönheitsberatung bekommst. Die Software versteht dann, welche Bedürfnisse deine Haut und Haare haben, und schlägt dir individuell zu dir passende Produkte vor. 

War dies von Anfang an euer Konzept?
Wir haben mit IQONIC.AI von Anfang an KI-basierte Hautscans entwickelt. Zu Beginn sind wir allerdings noch unter dem Namen SQIN aufgetreten, seit Anfang des 2023 agieren wir als IQONIC.AI. Der Namenswechsel war für uns ein wichtiger Schritt.

Warum?
Der Name SQIN war zu sehr auf das Thema Haut zentriert – das ist aber nicht mehr unser alleiniger Fokus. Außerdem hat sich unser Geschäftsmodell massiv verändert. Wir setzen unsere Algorithmen nicht mehr nur in eigenen Anwendungen ein, wie noch zu Beginn, sondern bieten sie als White Label SaaS-Lösung an. Wir haben gemerkt, dass die Nachfrage nach Lösungen wie unserer in der Beauty-Branche groß ist und haben den Moment genutzt.

Zuletzt konntet ihr eine Millionensumme einsammeln. Wie seid ihr mit euren Investor:innen in Kontakt gekommen?
In Vorbereitung auf die Finanzierungsrunde haben wir einen Schwerpunkt auf Events und Networking gelegt. Die Sichtbarkeit über diese verschiedenen Kanäle, einschließlich LinkedIn, hat uns viele direkte Kontakte ermöglicht. Wirklich spannend wurde es, als wir unsere Marktrelevanz durch den Product-Market-Fit bewiesen haben – dann kamen Investoren von selbst auf uns zu. Aus über hundert Investorengesprächen konnten wir schließlich die beste Zusammensetzung für das Unternehmen auswählen. Eine durchdachte Entscheidung ist hierbei auch wirklich wichtig, damit die Zusammenarbeit mit den Stakeholdern langfristig funktioniert.

Es herrscht weiter Krisenstimmung in der deutschen Startup-Szene. Mit welchen Erwartungen blickst Du auf die kommenden Monate?
Durch den hohen Leitzins fließt immer noch vergleichsweise wenig Geld in Startups. Die Branchen, in denen wir uns bewegen – KI, Beauty, Health -, sind allerdings sehr krisenfest. In Verbindung mit einem validierten und nachhaltigen Geschäftsmodell blicken wir daher sehr optimistisch auf die kommenden Monate und das geplante Wachstum. 

Wie hat sich IQONIC.AI seit der Gründung entwickelt?
Wir haben den Fokus von einem reinen B2C-Produkt um eine substantielle B2B-Komponente erweitert. Wir haben massiv in die Technologie investiert, diese verbessert und ausgeweitet. Alles, was unsere KI anbelangt, entwickeln wir in-house. Den Impact unserer Technologie sehen wir jetzt schon, denn wir können auf zufriedene Kunden blicken, die die Ergebnisse der Zusammenarbeit mit uns spürbar erkennen können. Auf Basis dieser Ergebnisse im deutschen Markt konnten wir zusammen mit unseren Kunden die weitere, auch internationale Expansion wagen.

Eure Wurzeln liegen in Dresden. Inzwischen seid ihr aber ein Berliner Unternehmen. Wie kam es dazu?
Dresden und Sachsen insgesamt gehören zu den besten Technologie-Standorten der Bundesrepublik. Wir haben mit der TU Dresden, an der wir uns während des Studiums kennengelernt haben, eine der besten technischen Universitäten Deutschlands. Insofern gibt es hier für uns als Unternehmen, das KI-Software entwickelt, einen riesigen Pool an Talenten. Mit Blick auf die bestehende Investor:innen-Landschaft steht das Land Sachsen allerdings noch am Anfang. Es entwickelt sich natürlich viel, aber das Berliner Ökosystem ist in dieser Hinsicht deutschlandweit immer noch das Non-plus-ultra. Hinzu kommen viele andere Faktoren, die uns sehr wichtig sind: Fördermöglichkeiten, ein vielseitiges Netzwerk, verschiedenste Events und eine Vielzahl unserer Kunden sind in Berlin. Diese Mischung hat uns am Ende überzeugt, deshalb war für uns der Schritt zum Umzug nur folgerichtig.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist seit der Gründung so richtig schief gegangen?
Der Erfolg des Unternehmens fällt und steht mit der Komposition des Teams. “Hire considerately, fire fast”, klingt vielleicht ein wenig überspitzt, ist aber letztlich maßgeblich für den Erfolg. Außerdem muss man bereit sein, Entscheidungen zu treffen und Veränderungen herbeizuführen, auch wenn man das Ergebnis noch nicht kennt. Es gibt immer Faktoren, auf die man selbst keinen Einfluss hat. Feedback von außen ist hierbei eine besonders große Hilfe, in unserem Fall insbesondere von Angel Investoren. Genauso wichtig ist es aber auch, der eigenen Linie treu zu bleiben und einen kühlen Kopf zu bewahren. Das ist uns in den vergangenen Jahren gelungen.

Und wo habt ihr bisher alles richtig gemacht?
Zunächst können wir feststellen, dass wir mit unserem Business Case den Nerv der Zeit getroffen haben, sogar bevor KI zum Hype wurde. Einige haben vor Open AI und ChatGPT nicht ganz an das Potential von IQONIC.AI geglaubt und es gab auch einigen Gegenwind. Das hat sich mittlerweile geändert. Unsere in-house entwickelte KI, die wir gemeinsam mit Dermatologen aufgebaut haben, sind State of the Art-Technologie. Ein positiver Cash-Flow war uns von Anfang an wichtig und in dieser Hinsicht haben wir unsere Hausaufgaben gemacht. Dass wir zugleich schon in mehreren Ländern Europas als auch in den USA operieren und bisher zwei Finanzierungsrunden erfolgreich abschließen konnten, rundet unsere positive Entwicklung ab.

Welchen generellen Tipp gibst Du anderen Gründer:innen mit auf den Weg?
“It’s all about the founders team.” Gründet mit jemandem, dem ihr blind vertraut. Legt besonderen Wert darauf, die Investorenauswahl zweimal zu überdenken. Denn auch mit euren Stakeholdern müsst ihr langfristig gut zusammenarbeiten. Ein starkes, belastbares Netzwerk aufzubauen hilft in vielen Situationen und Feedback anzunehmen ist immer richtig. Aber dein eigenes Bauchgefühl enttäuscht dich selten bis nie. Darüber hinaus empfehlen wir jedem, eine Idee zu gründen, die ein tatsächliches Problem löst. Dafür sollte man auf die Wünsche seiner Zielgruppe eingehen und das Produkt am Markt validieren.

Wo steht IQONIC.AI in einem Jahr?
Wir haben die Ambition, uns von einem Local Hero zum Global Player zu entwickeln. Ob uns das in einem Jahr gelingt, werden wir sehen. Aber unter den fünf größten Playern in unserem Segment zu landen, ist unser Anspruch.

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Foto (oben): IQONIC.AI

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.