#Interview

“Mit Individualisierung kommt auch Komplexität ins Spiel”

Das junge Berliner Fintech finmid, 2021 gegründet, konnte bereits über 12 Millionen einsammeln - unter anderem von Earlybird, Blossom Capital und N26-Gründer Maximilian Tayenthal. Derzeit arbeitet das Team an der Expansion in "weitere europäische Märkte".
“Mit Individualisierung kommt auch Komplexität ins Spiel”
Montag, 11. Dezember 2023VonAlexander Hüsing

Das Berliner Startup finmid, das 2021 von den beiden ehemaligen N26-Mitarbeiter Max Schertel und Alexander Talkanitsa gegründet wurde, positioniert sich als “Financial services infrastructure for software businesses”. Earlybird Ventures, Blossom Capital sowie Angel-Investoren wie N26-Gründer Maximilian Tayenthal, smava-Gründer Alexander Artope und ausmoney-Gründer Raffael Johnen investierten bereits über 12 Millionen in das Unternehmen. Rund 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wirken derzeit für finmid.

“finmid öffnet kleinen und mittelständischen Unternehmen die Tür zu bisher unzugänglichem Kapital. Diese Unternehmen stehen nämlich häufig vor der Herausforderung, dass bisher gängige Finanzierungsoptionen zu unflexibel sind. Genau dort setzt unsere Technologie an: sie versetzt Softwareplattformen in die Lage, ihren Unternehmenskunden maßgeschneiderte Finanzierungslösungen ohne eigenen Aufwand anzubieten”, erklärt Gründer Schertel das Konzept hinter finmid.

Das finmid-Team, dass sich bei der Neobank N26 kennen gelernt hat, konnte inzwischen auch ihren ehemaligen Chef als Geldgeber gewinnen. “Kurz danach konnten wir auch Earlybird Ventures überzeugen. Der Kontakt zu unserem jüngsten Geldgeber Blossom Capital kam über gemeinsame Kontakte und Empfehlungen zustande. In der Branche kennt man sich, eine neue Idee spricht sich schnell herum und man wird mit möglichen Investoren vernetzt. Überzeugen muss man dann natürlich selbst”, blickt Schertel zurück.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der finmid-Gründer außerdem über gemeinsame Visionen, die geplante Expansion und den Stahlhandel.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Finmid erklären?
Wenn ich es in einem Satz zusammenfassen müsste: finmid öffnet kleinen und mittelständischen Unternehmen die Tür zu bisher unzugänglichem Kapital. Diese Unternehmen stehen nämlich häufig vor der Herausforderung, dass bisher gängige Finanzierungsoptionen zu unflexibel sind. Genau dort setzt unsere Technologie an: sie versetzt Softwareplattformen in die Lage, ihren Unternehmenskunden maßgeschneiderte Finanzierungslösungen ohne eigenen Aufwand anzubieten. Die Plattformen profitieren durch ein zusätzliches Standbein und die Unternehmen von mehr Lösungen für ihre Bedürfnisse komplett aus einer Hand. Um es an einem Beispiel festzumachen: Bietet der Lieblingsitaliener etwa den Verkauf seiner Pizzen über eine Lieferplattform an, kann er über die vertraute Lieferplattform durch unsere Lösung jetzt auch unmittelbar eine Finanzierungsmöglichkeit für einen neuen Steinofen erhalten, und das schneller und einfacher als über die eigene Hausbank.

Wie genau funktioniert euer Geschäftsmodell?
Die Integration unserer digitalen Infrastruktur für Softwareplattformkunden ist kostenlos. finmid verdient dann Geld, wenn die kleinen und mittelständischen Unternehmen über die Softwareplattformen tatsächlich eine Finanzierungsmöglichkeit in Anspruch nehmen, die durch unsere Technologie ermöglicht wurde. An der zustande kommenden Transaktion ist finmid prozentual beteiligt. Unser Interesse ist also nicht der einmalige Verkauf einer Technologie zu einem möglichst hohen Preis. Die langfristige Partnerschaft mit Plattformen und die Zufriedenheit ihrer Kunden stehen für uns im Mittelpunkt jeder Zusammenarbeit.

Wie ist die Idee zu finmid entstanden?
Vor der Gründung von finmid waren Alex und ich beide bei der Neo-Bank N26 beschäftigt. N26 hat den B2C Banking Sektor enorm aufgewühlt als erste Bank in Europa, die das Banking dorthin gebracht hat, wo die Menschen die meiste Zeit sind: am Smartphone. Und das bei vollständigem Verzicht auf ein eigenes Filialnetz. Wir bringen nun Finanzierungslösungen dorthin, wo kleine und mittelständische Unternehmen die meiste Zeit verbringen für die Abwicklung ihrer Geschäfte: auf die Softwareplattformen. Mit finmid eröffnen wir Finanzierungsmöglichkeiten, die so individuell auf die Bedürfnisse der kleinen und mittelständischen Unternehmen passen wie ein Schlüssel ins Schloss und bringen so mehr Dynamik und Flexibilität in den B2B-Markt.

Wie oder wo hast Du Deinen Mitgründer kennengelernt?
Alex und ich haben uns bei unserem ehemaligen gemeinsamen Arbeitgeber N26 kennengelernt. Ursprünglich war Alex in einem anderen Team als ich, ich konnte ihn dann aber davon überzeugen, dass wir enger zusammenarbeiten sollten. Mit welcher analytischen Schärfe er die Entwicklungen der Branche verfolgt und einordnet, fand ich von Beginn an ziemlich beeindruckend. Zusätzlich haben sich unsere Aufgabenbereiche schon damals gut ergänzt. Wir haben schnell festgestellt, dass wir eine gemeinsame Vision für die Platform Economy haben – und ähnlich viel Handlungsbedarf sehen. Aber natürlich ist auch wichtig, dass wir persönlich immer gut zusammengepasst haben. Wir können Berufliches und Privates trennen, und gleichzeitig verstehen wir uns in beiden Lebensbereichen schon immer gut.

Was waren die größten Herausforderungen, die Ihr bisher überwinden musstet?
Wir entwickeln eine hoch individualisierbare technologische Infrastruktur für Finanzierungen im B2B-Bereich. Mit dieser Individualisierung kommt auch Komplexität ins Spiel, ganz klar. Schließlich ist es unser Anspruch, vom Stahlhandel Expansion bis zur Vermietungsplattform alle möglichen Branchen mit unserer Lösung abzudecken. Das Gute ist aber, dass wir nach der komplexen Entwicklungsphase enorm viele mögliche Anknüpfungspunkte und Anwendungsfälle für unsere Technologie haben. Eine zweite größere Herausforderung war sicherlich die Gründung unseres Unternehmens während der Corona-Zeit. Gerade wenn man fast vollständig remote arbeitet, ist es umso wichtiger, viel Zeit und Raum für kulturelle Fragen freizuhalten. Das war ein wichtiger Lernprozess, durch den wir da durchgegangen sind. Heute treffen wir uns zum Beispiel alle drei Monate zu einem großen Team-Event. Außerdem haben wir unser Berliner Büro als festen Ort, an dem sich das Team jederzeit treffen und physisch vor Ort zusammenarbeiten kann. Gegenseitiges Vertrauen, ein gemeinsames Ziel, auf das man hinarbeitet, und die Möglichkeit, sich auch jenseits von virtuellen Meetings regelmäßig zu sehen, sind unserer Erfahrung nach die Schlüssel.

Ihr konntet bereits Investorengelder einsammeln. Wie seid ihr mit euren Geldgebern in Kontakt gekommen?
Unseren Angel-Investor Max Tayenthal kennen wir natürlich noch aus der N26-Zeit und freuen uns über seine frühe Unterstützung unserer Idee. Kurz danach konnten wir auch Earlybird Ventures überzeugen. Der Kontakt zu unserem jüngsten Geldgeber Blossom Capital kam über gemeinsame Kontakte und Empfehlungen zustande. In der Branche kennt man sich, eine neue Idee spricht sich schnell herum und man wird mit möglichen Investoren vernetzt. Überzeugen muss man dann natürlich selbst.

Wo steht finmid in einem Jahr?
Momentan konzentrieren wir uns vor allem auf die Expansion in weitere europäische Märkte und die Zusammenarbeit mit weiteren Plattformpartnern. Zuletzt konnten wir zum Beispiel mit einem neuen Kunden den italienischen Markt für uns erschließen. Jetzt arbeiten wir zusammen an der Implementierung unserer Lösung.

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Foto (oben): finmid

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.