#Gastbeitrag

Berlin, Berlin, wir fahr’n nicht nach Berlin – 8 unterschätzte deutsche Tech-Hotspots

Deutschland hat kein Silicon Valley, Innovation ist hierzulande dezentral. Um dieses Gefühl zu untermauern, haben wir uns die Tech-Hotspots der Bundesrepublik einmal genauer angeschaut und acht Unternehmer:innen gefragt, was sie an dem Standort so schätzen. Ein Gastbeitrag von Paul Gärtner.
Berlin, Berlin, wir fahr’n nicht nach Berlin – 8 unterschätzte deutsche Tech-Hotspots
Donnerstag, 26. Januar 2023VonTeam

In Jena stecken die Kompetenz und der Teamgeist, um einen Leuchtturm der Digitalisierung mit Strahlkraft nach Deutschland und darüber hinaus zu bilden. Mit über 3.500 Beschäftigten in mehr als 140 Unternehmen der Digitalwirtschaft sowie 1.500 Fachleuten in den High-Tech-Unternehmen und Forschungseinrichtungen ist die Stadt das Ballungszentrum Thüringens für Digital- und E-Commerce- Expertise. Sowohl aufstrebende Start-ups wie rooom als auch etablierte Player wie Accenture und Wissenschaftseinrichtungen wie die Ernst-Abbe Hochschule oder die Friedrich-Schiller-Universität bilden als vielfältiges Netzwerk den Verband Jena Digital, der branchenübergreifenden Wissensaustausch und Kooperation fördert. Von E-Commerce bis Metaverse, von Cybersicherheit bis Datenkompetenz sind in Jena alle Themenbereiche vertreten – eine perfekte Ausgangsposition als wachstumsorientierter Digital-Standort.
Hans Elstner, Gründer und CEO der rooom AG und stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Vereins Jena Digital

“Haiger ist ein zentral gelegener und gut erreichbarer Wirtschaftsstandort in der Wirtschaftsregion Mittelhessen. Wir haben bewusst die Kleinstadt gewählt, um nah an den alltäglichen Herausforderungen Lösungen zu entwickeln. Es gibt keine Blasenbildung, da die Größe des Standorts Vernetzung befördert. Haiger ist wirtschaftsstark und innovativ. Die wirtschaftliche Vielfalt ist eine der großen Stärken der Stadt: Kleinbetriebe und Gewerbe gehören ebenso dazu wie weltweit agierende Unternehmen mit Visionen und ambitionierten Zielen. Gleichzeitig liegt Haiger geografisch in der Mitte – von Hessen, Deutschland und Europa. Im Herzen Europas können wir global handeln, aber auch lokal agieren. Genau das macht die Zentralität und Wirtschaftsstärke von Haiger aus. Dass der größte, schnellste und intelligenteste 3D-Drucker in Haiger steht, ist absolut kein Zufall, sondern taktisch bewusst gewählt.
David Schlawer, Leitung Vertriebsinnendienst Mark3D

“Die gängige Meinung, die Stadt Bielefeld in Ostwestfalen-Lippe (OWL) gäbe es ja gar nicht, lässt sich schnell widerlegen, Stichwort: Hinterland of Things. Auf der jährlich stattfindenden Konferenz verbinden sich Tech-Start-ups mit Mittelständlern. So auch das Bielefelder Unternehmen Diamant Software, das KI-basierte Software für Rechnungswesen und Controlling entwickelt. Die Vision von Diamant Software ist nichts Geringeres, als die intelligenteste Rechnungswesen-Software der Welt anzubieten. Aus diesem Grund investieren wir auch in KI-Grundlagenforschung. Dank der örtlichen Start-up-Szene mit dem Pioneers Club und der Founders Foundation ist Bielefeld ein sehr inspirierender Standort für uns. Auch die Vielzahl an renommierten erfolgreichen Traditionsunternehmen und Hidden Champions machen die Stadt zu einem idealen Ort für kollaboratives und innovatives Arbeiten zwischen Wirtschaft und Wissenschaft.“
Haiko van Lengen, CEO von Diamant Software.

“Heilbronn ist der Place to be, wenn es um Start-Ups und Innovation geht – warum? Weil der wenig  mehrwert-stiftende Großstädte-Hype des Start-Up-Ökosystems einfach wegfällt! In der Region der Weltmarktführer trifft wirtschaftliche Kompetenz auf Innovation und Technologie sowie Gründergeist. Da platzen nicht marktreife Gründungsballons schon bevor sie viel Geld verschlungen haben. Zukunftsfähige Gründungsideen vernetzen sich sofort mit Unternehmen, die weltweit aktiv und wirtschaftlich erfolgreich sind. Ideale Voraussetzungen für Heilbronn-Hohenlohe-Franken zur begehrtesten Gründungsregion in Deutschland zu werden.”
Daniel Nill, Partner Lingner

“Es ist ganz erstaunlich, welche Innovationskraft in Ostdeutschland steckt, und der Standort bei der breiten Öffentlichkeit trotzdem immer noch unter dem Radar fliegt. Mehr als 2300 Unternehmen mit insgesamt 60.000 Beschäftigten sitzen in diesem Gebiet, und die Universitäten in der Umgebung haben sich zur Halbleiter-Kaderschmiede entwickelt. Wir bei Cowen Europe sitzen in Leipzig und kennen das Potential der Region bestens, und auch Investoren weltweit haben die Halbleiterproduktion und ihre Zulieferer aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen längst auf dem Schirm. Wenn Sie in NRW jemanden auf der Straße fragen, hätte die Person Silicon Saxony voraussichtlich noch nie gehört.”
Philipp Schlüter, Partner Cowen 

“Stuttgart als geheimen Tech-Hot-Spot zu bezeichnen wäre ein klares Understatement – Stuttgart ist die Innovationsregion Nr. 1 innerhalb von Europa. Nirgendwo sonst wird so viel in Forschung und Entwicklung investiert wie hier. Das Herz der KI schlägt im Südwesten besonders laut: Nicht umsonst startete hier mit dem Cyber Valley Europas größtes Forschungskonsortium im Bereich der künstlichen Intelligenz. Unternehmen, Universitäten, Institute und das Bundesland Baden-Württemberg vernetzen Forschung und Praxis. Die rege Stuttgarter Startup-Szene ist gleichermaßen kreativ wie solide und hat daher öfter langfristigen Erfolg. Neue B2B-Lösungen für die Logistik und den Maschinenbau werden direkt auf der hiesigen Spielwiese an Industrie- und High-Tech-Unternehmen getestet. Aus meiner Sicht ist es das gesamte Ökosystem, das den Raum Stuttgart so innovativ macht: Große Technologie-Player, wie Bosch, Festo, Trumpf und IBM arbeiten neben einer starken Riege an Mittelständlern. Exzellenz-Unis in Stuttgart oder Tübingen bilden neben Forschungseinrichtungen die neuen innovativen Köpfe aus – und das mit einer gehörigen Prise Praxiserfahrung vor der Haustür. Kombiniert mit durchdachten Förderungen durch das Land Baden-Württemberg ergibt das den Nährboden sowohl für Startups als auch weitere Top-Tech-Entwicklungen aus dem Südwesten. Das Ländle war bekannt für die Tüftler und Denker – jetzt sind es die Innovator*innen und Inkubatoren.”
Katharina Mattes, Senior Manager bei mm1 a valantic company

„Köln als Tech Hot Spot ist absolut unterschätzt: Marktführende Unternehmen und eine lebendige Tech-Startup-Szene treffen hier aufeinander. Als Drehkreuz gehört Köln zur bevölkerungsreichsten Region in Deutschland und bietet mit seiner offenen Mentalität eine hervorragende Basis für Studenten und damit der Tech-Community von Morgen. Zudem bringen die Kölner Universitäten (Uni zu Köln unter den Top 9 Prozent im diesjährigen THE-Ranking) und technischen Hochschulen (die TH Köln ist die größte Fachhochschule Deutschlands) regelmäßig exzellent ausgebildete IT-Expert:innen hervor. Und nicht zuletzt ist Köln eines der Zentren für die digitale Infrastruktur unseres Landes. Mit der Nähe zum Rechenzentrumsstandort Frankfurt, großen überregionalen Glasfasertrassen in der Region sowie dem geplanten XXL-Rechenzentrum im Rhein-Erft-Kreis spielt sich in und um Köln ganz klar die Zukunft der Digitalisierung in Deutschland ab. Kurzum, in Köln treffen klassische Branchen, Entrepreneurship und High-Tech aufeinander.”
Anke Mittelstädt, Director Marketing & Communications bei plusserver

Schon ganz schwindelig geworden von all den geheim-geheimen Hot Spots? Einer darf bei Deutschlands Tech-Standorten natürlich nicht fehlen: Mit gewohnt stolz geschwellter Brust und nicht ganz so geheim präsentiert sich die Bayerische Landeshauptstadt mit wohlbekannter Technischer Universität und Startup-Größen wie etwa Holidu. Doch München hat noch viel mehr zu bieten, und zwar aus der Impact-Ecke.

“München mit seiner starken TU ist traditionell spezialisiert auf Tech-Gründungen mit dementsprechenden Überfliegern wie etwa Personio. Die Stadt verfügt über die entsprechenden Informations- und Austauschplattformen. Daneben gibt es ortsansässige Inkubatoren und viele verschiedene regionale Förderprogramme, um Gründer:innen und ihre Geschäftsideen nach München zu locken. Auch VC-Größen wie Earlybird können einen Standort in München vorweisen. Als Impact-Personalberatung freut es uns aber ganz besonders, dass auch die Climatetech-Gründungen sich sehen lassen können, denn eine nachhaltige Umgebung und Lebensweise fördert unser aller Gesundheit. Technologien und Software können uns in der Hinsicht aktiv unterstützen.”
Sofia Borodulina, Senior Recruitment Consultant bei Talent Tree

Über den Autor
Paul Gärtner ist Practice Director PIABO PR.

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Foto (oben): Shutterstock