#Interview

“Wir haben Stolpersteine in der Frühphase als Teamleistung gemeistert”

Embedded Capital und Co. investierten zuletzt 5 Millionen Euro in bezahl.de. Nun wollen die Gründer Lasse Diener und Ulrich Schmidt ihr Unternehmen als "neuen Standard für Zahlungsmanagement im deutschen Automotive-Bereich" etablieren.
“Wir haben Stolpersteine in der Frühphase als Teamleistung gemeistert”
Mittwoch, 18. Mai 2022VonAlexander Hüsing

Das Kölner FinTech bezahl.de, das 2018 von Lasse Diener und Ulrich Schmidt gegründet wurde, kümmert sich um Forderungs- und Zahlungsmanagement. “Im Automotive Umfeld konnte sich die Plattform mit ihrem ganzheitlichen und vertikalen Lösungsansatz bereits zum Branchenstandard für Forderungs- und Zahlungsmanagement entwickeln”, teilt das Unternehmen mit. Embedded Capital und Marco Schnabl investierten zuletzt 5 Millionen Euro in das junge Unternehmen.

“Wir haben unser Team von anfangs acht MitarbeiterInnen seit der Gründung im Sommer 2018 mittlerweile mehr als verzehnfacht – und sind dennoch “am Anfang” unserer Story und wachsen weiter stark. Den Umsatz konnten wir seither jedes Jahr mehr als verdreifachen und in den letzten 12 Monaten wurde über bezahl.de mehr als drei Milliarden Euro Plattformvolumen gemanagt”, sagt Gründer Diener zum Stand der Dinge bei bezahl.de.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der bezahl.de-Macher außerdem über Learnings, Geldwäsche und Wirecard.

Wie würdest Du Deiner Großmutter bezahl.de erklären?
Bisher wurden Prozesse von der Rechnungsstellung bis zur Zuordnung von Zahlungseingängen in der Verwaltung nur durch viel Aufwand, d.h. durch manuelle Prozesse und Papierchaos gelöst. Das kostet Unternehmen viel Zeit und Geld und bietet auch KundInnen wenig Komfort in der Zahlungsabwicklung. Durch unser Produkt bezahl.de werden diese Abläufe erstmals ganzheitlich und aus einer Hand automatisiert und digital dargestellt. Das macht Unternehmen deutlich effizienter in den internen Prozessen, spart somit Kosten ein und ermöglicht gleichzeitig, dass KundInnen einfach, schnell und mit der Wahl der präferierten Bezahlmethode bezahlen können.

War dies von Anfang an euer Konzept?
Die Grundidee und das große Bild, was wir mit bezahl.de tun und lösen möchten, war uns relativ klar. Im ersten Schritt haben wir diese Ideen in zahlreichen Workshops mit dem Markt validiert und bezahl.de gemeinsam mit unseren zukünftigen KundInnen konzipiert. Spätestens als wir uns damals in die Buchhaltung eines Autohauses gesetzt und die zahlreichen manuellen Prozesse sowie Aktenordner voller Rechnungen und Kontoauszüge mit eigenen Augen gesehen haben, war uns klar, wo die zentralen Needs und Probleme liegen – und damit auch die Potenziale. Auf dem Weg identifiziert man aber natürlich immer weitere spannende und passende Themen für die Produktentwicklung, die dann stufenweise erfolgt. An einen automatisierten Geldwäschepräventions-Check als Feature für den KFZ-Verkauf haben wir z.B. sicherlich nicht schon zum Start gedacht. Auch die Idee für unser Selfservice Bezahlterminal – bezahl.de smartkasse – für den Werkstattbereich kam uns erst durch Learnings und Gespräche mit dem Markt und war nicht vom ersten Tag klar.

Wie genau funktioniert denn euer Geschäftsmodell?
Wir bieten für den Automotive-Bereich eine Komplettlösung an, die angefangen von der Zahlungsforderung über die Zahlungsabwicklung bis zur sauberen Verbuchung im bestehenden Finanzbuchhaltungssystem das Zahlungsmanagement automatisiert und digital abwickelt. Statt Insellösungen über manuelle Prozesse zu verbinden, haben wir so den gesamten Prozess zwischen HändlerInnen und DebitorInnen zu Ende gedacht und uns in die bestehende Systemwelt im Automotive Bereich angebunden. KundInnen erhalten – ob Sales oder After-Sales-Prozess –  ihre Forderung automatisiert zum Beispiel per E-Mail, und können dann zwischen verschiedenen Zahlungsarten auswählen. Die Zahlung kann online oder autark an einem POS-System – bei uns die bezahl.de smartkasse – direkt beim Autohaus erfolgen. Unabhängig der Zahlungsart ordnet bezahl.de jede Zahlung korrekt zu und stellt der Buchhaltung die Daten für die automatisierte Verbuchung zur Verfügung. Auf Wunsch kann zusätzlich u.a. auch noch ein automatisiertes Forderungsmanagement bei ausstehenden Zahlungen oder ein Geldwäschepräventions-Check zu gebucht werden. Wir verdienen hier sowohl an einer monatlichen Systemgebühr je angeschlossenen Autohaus-Standort sowie an Gebühren je Transaktion.

Wie ist überhaupt die Idee zu bezahl.de entstanden?
Mein Co-Founder Ulrich und ich hatten bereits vor der Gründung der NX Technologies Erfahrungen im Bereich Payment und Automotive und haben frühzeitig erkannt, dass die Probleme der Branche deutlich weitreichender waren als “nur” das Thema Bargeld. In Workshops mit verschiedenen Autohandelsgruppen haben wir uns zeigen lassen, wie die Prozesse rund um die Zahlung im Autohaus heute funktionieren und sofort begriffen, wie groß das Disruptionspotential mit Blick auf eine ganzheitliche B2B-Lösung für digitales Zahlungsmanagement ist. Das war sozusagen die Geburt von bezahl.de und der Überzeugung, dass wir hier einen neuen Standard im Automobilhandel setzen können.

Wie hat sich bezahl.de seit der Gründung entwickelt?
Wir haben unser Team von anfangs acht MitarbeiterInnen seit der Gründung im Sommer 2018 mittlerweile mehr als verzehnfacht – und sind dennoch “am Anfang” unserer Story und wachsen weiter stark. Den Umsatz konnten wir seither jedes Jahr mehr als verdreifachen und in den letzten 12 Monaten wurde über bezahl.de mehr als drei Milliarden Euro Plattformvolumen gemanagt.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Da fallen mir gleich drei Dinge ein, die in der Frühphase echte Herausforderungen waren, die wir meistern mussten. Zum einem war es die Insolvenz unseres damals größten Kunden – und das in einer sehr frühen Phase und zu einem Zeitpunkt, an dem wir richtig durchstarten wollten. Anschließend kam der Wirecard-Crash und der damit zusammenhängende Switch zu einer neuen Partnerbank in Höchstgeschwindigkeit. Das hat viele Nerven gekostet. Zusätzlich gab es dann noch dank der Chipkrise Probleme beim Roll-out im Werkstattbereich mit unserem Self-Service-Terminals, sodass wir zeitweise nicht das liefern konnten, was wir verkauft haben, weil es einen Mangel an Kartenlesern gab. Das tut natürlich immer doppelt weh. Trotz dieser Umstände in der Frühphase haben wir die Stolpersteine als großartige Teamleistung gemeistert und viel daraus gelernt.

Und wo hat Ihr bisher alles richtig gemacht?
Die Zusammenstellung eines tollen, hoch motivierten und heterogenen Teams ist uns sicherlich sehr gut gelungen. Wir schaffen es gemeinsam, den Fokus auf Kernthemen zu legen und lassen wenig Ablenkung zu. Zudem haben wir uns in der großen Branche Automotive sehr gut positionieren können. Wir haben uns trotz vieler Hürden in die bestehende Systemlandschaft integriert, früh starke Kooperationen mit den führenden Händlerverbänden von VW/Audi, Mercedes, uvm. geschlossen und kennen uns im Markt und seiner Spezifika bestens aus, sodass uns diese Situation einen Wettbewerbsvorteil verschafft.

Welchen generellen Tipp gibst Du anderen Gründern mit auf den Weg?
Drei entscheidende Tipps: Fokus, Fokus und nochmal Fokus. Achtet darauf, dass Ihr das richtige Team aufstellt, wo ihr Euch und Eure Stärken ergänzt. Nur mit dem richtigen Team, viel Mut und Rückhalt könnt ihr das vermeintlich Unmögliche möglich machen. Und auch mal “Nein” sagen zu noch so spannenden Ideen, die Euch jedoch vom Kernvorhaben ablenken, gehört dazu und ist enorm wichtig.

Wo steht bezahl.de in einem Jahr?
Wir setzen ganz klar den neuen Standard für Zahlungsmanagement im deutschen Automotive-Bereich und nahezu alle der 100 größten Autohandelsgruppen haben sich für den Einsatz von bezahl.de entschieden. Wir haben unseren Plattformcharakter genutzt, um neue spannende Cross-Selling Produkte zu integrieren, die Mehrwert liefern und weitere Umsatzkanäle eröffnen. Zusätzlich konnten wir unsere Transaktionen weiter Monat zu Monat stark steigern und haben auch das Team auf über 150 MitarbeiterInnen verstärkt, um die dann nächsten großen Wachstumsschritte zu meistern.

Durchstarten in Köln – #Koelnbusiness

In unserem Themenschwerpunkt Köln werfen wir einen genaueren Blick auf das Startup-Ökosystem der Rheinmetropole. Wie sind dort die Voraussetzungen für Gründerinnen und Gründer, wie sieht es mit Investitionen aus und welche Startups machen gerade von sich reden? Mehr als 550 Startups haben Köln mittlerweile zu ihrer Basis gemacht. Mit zahlreichen potenziellen Investoren, Coworking-Spaces, Messen und Netzwerkevents bietet Köln ein spannendes Umfeld für junge Unternehmen. Diese Rubrik wird unterstützt von der KölnBusiness Wirtschaftsförderung. #Koelnbusiness auf LinkedInFacebook und Instagram.

KoelnBusiness

Foto (oben): bezahl.de

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.