#Interview

“Wir haben geackert und geschuftet, manchmal rund um die Uhr”

Finanzguru konnte gerade 8 Millionen einsammeln. Inzwischen setzen mehr als 500.000 registrierte Kunden auf den Finanzdienst. 40 Mitarbeiter:innen arbeiten derzeit für das FinTech. Der Umsatz lag zuletzt bei 2 Millionen Euro.
“Wir haben geackert und geschuftet, manchmal rund um die Uhr”
Montag, 24. Januar 2022VonAlexander Hüsing

Das FinTech Finanzguru, das 2015 von den Zwillingen Alexander und Benjamin Michel sowie Sandro Sonntag und Florian Hirsch gegründet wurde, positioniert sich als “digitaler und individueller Finanzassistent auf Basis künstlicher Intelligenz”. VR Ventures, Coparion, Venture Stars und Co. investierten gerade 8 Millionen Euro in das Unternehmen, das durch einen Auftritt in der VOX-Show “Die Höhle der Löwen” bundesweit bekannt geworden ist. Damals stieg auch Carsten Maschmeyer bei Finanzguru ein.

“Seit unserer Gründung hat sich das Unternehmen sehr positiv entwickelt. Mittlerweile vertrauen uns mehr als 500.000 registrierte Kunden ihre Finanzen an. Heute haben wir 40 Mitarbeiter:innen und im Jahr 2021 betrug der Umsatz 2 Millionen Euro”, sagt Gründer Alexander Michel zum Stand der Dinge bei Finanzguru. Das frische Geld soll nun insbesondere in die “persönliche Beratung für Finanz- und Versicherungsthemen” fließen.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der Finanzguru-Macher außerdem über  den langfristigen Schub durch die Teilnahme an “Die Höhle der Löwen”, Krisen und Selbstbewusstsein.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Finanzguru erklären?
Früher musstest Du an den Geldautomaten gehen, um herauszufinden, wie viel Geld Du auf dem Konto hast. Mit Stift und Papier hast Du ein Haushaltsbuch geführt, damit Du wusstest wieviel Du im Monat noch ausgeben darfst. Und du hattest einen Leitz-Ordner mit der Übersicht über alle Deine Verträge. Das kannst Du heute viel einfacher haben: Alles, was Du über Dein Geld und Deine Versicherungen wissen musst, findest Du akkurat, übersichtlich und einfach in der Finanzguru-App auf Deinem Smartphone.

Wie genau funktioniert euer Geschäftsmodell?
Wir fahren zweigleisig: Es gibt ein Freemium Modell, mit Basisfunktionen, die kostenlos sind, und kostenpflichtigen Premium-Diensten, die weitergehende Informationen und zusätzliche Erleichterungen bieten wie etwa ein automatisiertes Haushaltsbuch und unlimitierte Analysen. Wenn wir unseren Kunden helfen, neue und bessere Verträge zu finden etwa für Energie oder Versicherungen, dann erhalten wir dafür auch Provisionen der Anbieter.

Wie ist überhaupt die Idee zu Finanzguru entstanden?
Wir haben festgestellt, wie mühsam es oft ist, den Überblick über Finanzen und Versicherungen zu behalten und das eigene Geld richtig zu lenken. Viele nehmen sich vor, mehr zu sparen, Geld besser auszugeben oder auch zu teure Verträge rechtzeitig zu kündigen. In der Praxis ist das aber sehr beschwerlich – zu oft bleibt es dann bei guten Vorsätzen. Hier haben wir angesetzt und gesagt, das können wir den Kunden digital viel leichter machen. Bei einem API-Hackathon der Deutschen Bank haben wir unsere Vision des kundenfreundlichen Bankings  entwickelt und das Ganze Finanzguru getauft: Eine App, die den Umgang mit Geld magisch einfach macht. Im Wettbewerb mit 150 Teams aus der ganzen Welt um die cleverste digitale Banking-Lösung haben wir den ersten Platz gemacht – und 30.000 Euro Preisgeld gewonnen. Das war die Geburtsstunde und die Anschubfinanzierung für Finanzguru.

Wie hat sich Finanzguru seit der Gründung entwickelt?
Seit unserer Gründung hat sich das Unternehmen sehr positiv entwickelt. Mittlerweile vertrauen uns mehr als 500.000 registrierte Kunden ihre Finanzen an. Heute haben wir 40 Mitarbeiter:innen und im Jahr 2021 betrug der Umsatz 2 Millionen Euro.

Gerade habt ihr 8 Millionen Euro eingesammelt. Wofür braucht ihr das Geld?
Wir haben im vergangenen Jahr unser Geschäftsmodell um die persönliche Beratung für Finanz- und Versicherungsthemen erweitert. Ein Geschäftsfeld, in dem wir heute bereits mehr als 20.000 Kunden betreuen, Tendenz steigend. Dieses Wachstum wollen wir weiter beschleunigen. Dafür werden wir das jetzt eingesammelte Kapital einsetzen.

Wie viele andere Startups habt ihr bereits an der Vox-Show “Die Höhle der Löwen” teilgenommen. Hat sich die Teilnahme an der Show für euch – auch abseits des Investments – langfristig gelohnt?
Ja, die Sendung hat uns einen enormen Popularitätsschub gebracht. Vor einigen Tagen habe ich in meiner Wohnung einen neuen Internetanschluss bekommen und der Mitarbeiter der Telekom konnte sich an unseren Auftritt in der Höhle der Löwe erinnern. Und das nach mehr als drei Jahren! Kurz: Die Arbeit und der Auftritt haben sich definitiv gelohnt. Nach der Sendung haben wir innerhalb einer Woche mehr als 200.000 Kunden gewonnen. Carsten Maschmeyer ist bei uns ja mit dem größten Einzelinvestment eingestiegen, das es in der Sendung je gab. Der Marketing-Effekt und das Kapital haben uns einen Riesenschritt nach vorne gebracht. Fast noch wertvoller ist aber die Hilfe von Carsten, der uns jederzeit mit Rat und Netzwerk unter die Arme greift.

Was rätst Du anderen Gründer, die bei der Gründershow mitmachen wollen?
Vorbereiten, vorbereiten vorbereiten. Die Situation in der Sendung ist schon Stress: Ihr müsst vor laufender Kamera euer Geschäft einfach und verständlich erklären und die Fragen der Investoren überzeugend beantworten. Das ist ein Pitch im grellen Licht einer Bühne vor einem Millionenpublikum. Und nach der Sendung geht’s erst richtig los. Am Abend der Ausstrahlung werdet ihr förmlich überrannt – vorausgesetzt ihr habt einen guten Pitch abgeliefert und ein spannendes Produkt. Dann könnt ihr innerhalb von Minuten Abertausende neue Kunden gewinnen. Dafür müsst ihr eure Technik und die entsprechenden Systeme auch fit machen. Stellt euch also nach der Ausstrahlung der Sendung auf ein paar Nächte mit wenig Schlaf ein.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen? 
Die Einführung einer neuen, verbindlichen EU-Richtlinie hat uns Ende 2019 schon an den Rand gebracht. Von einem auf den anderen Tag lief unsere App plötzlich nicht mehr richtig und wir haben deshalb sage und schreibe rund 100.000 Kunden verloren. Aber wir haben die Zähne zusammengebissen und uns der technischen und organisatorischen Herausforderung gestellt. Wir, meint unser Rockstar-Team. Gemeinsam haben wir geackert und geschuftet, manchmal buchstäblich rund um die Uhr. Und nach knapp einem Jahr hatten wir die Probleme tatsächlich gelöst und als eines der ersten FinTechs die EU-Regulierung vollständig umgesetzt. Aus dieser Krise sind wir gestärkt hervorgegangen, mit neuer, besserer Technik und dem Selbstbewusstsein, dass wir auch ernste Probleme lösen können.

Und wo hat Ihr bisher alles richtig gemacht?
Bei allem was wir tun, kommen unsere Kund:innen immer zuerst. Wir zerbrechen uns wirklich den ganzen Tag den Kopf darüber, wie wir unseren Kund:innen noch besser helfen können, ihre Finanzen, Verträge und Versicherungen zu überschauen und zu optimieren. Und unsere Lösungen bauen wir dann in die App ein. Das zeichnet unser Unternehmen aus und wird auch in den App Stores mit über 90.000 Bewertungen mit im Durchschnitt 4.7 von 5 Sternen bestätigt. Die Kund:innen lieben Finanzguru. Und das soll so bleiben.

Wo steht Finanzguru in einem Jahr?
Wir wollen viele neue und motivierte Mitarbeiter:innen einstellen. Dafür haben wir jetzt das notwendige Kapital. Dabei werden wir sehr darauf achten, dass unsere Kultur erhalten bleibt, in der wir immer zuerst fragen, was ist gut für unsere Kund:innen. Wenn wir es hinkriegen, dass wir uns stets damit beschäftigen, die Aufgaben und Probleme unserer Kund:innen zu lösen, dann bin ich sicher, dass wir bei den Kund:innen erfolgreich sind und so auch unser Unternehmen Erfolg hat.

TippFinanzguru-Megadeal: Umsatz ist nicht immer alles

Startup-Jobs: Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung? In der unserer Jobbörse findet Ihr Stellenanzeigen von Startups und Unternehmen.

Foto (oben): azrael74

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.