#Interview

Ein Startup, das HR-Teams hilft “die besten Teams aufzubauen”

Recscout aus Köln verknüpft HR-Teams und Personalberater. "Recscout ist wohl das erste Tool, was den Personalberater:innen passiv Anfragen generiert, ohne das die Personalberater:innen selbst aktiv werden müssen", sagt Gründer Timo König.
Ein Startup, das HR-Teams hilft “die besten Teams aufzubauen”
Mittwoch, 13. Oktober 2021VonAlexander Hüsing

Hinter dem jungen Kölner Startup Recscout verbirgt sich eine digitale Recruiting-Plattform. “Wir helfen den HR-Teams über Referenzen, Regulierungen, Transparenz und im Einklang mit den Personalberater:innen die besten Teams aufzubauen”, sagt Timo König, der das Unternehmen gemeinsam mit Sajad Ghawami und Kevin Manski gegründet hat. Die Rheinländer sehen sich mit ihrem Konzept im Wettbewerb mit “anderen technologisch betriebenen Recruiting-Plattformen, die HR-Teams von Firmen mit wechselbereiten Kandidat:innen zusammenbringen”.

Aus Sicht der Recscout-Macher gehe dabei “allerdings ein besonders begehrter Teil an Kandidat:innen verloren. Nämlich die Kandidat:innen, die noch gar nicht wissen, ob sie zum Wechseln bereit sind und sich auf solchen Plattformen gar nicht erst zur Verfügung stellen”. Im Interview mit deutsche-startups.de stellt Recscout-Gründer König das Konzept hinter seinem Startup einmal ganz ausführlich vor.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Recscout erklären?
Oma schau‘, du suchst eine Pflegekraft? Aber du weißt nicht, wo du suchen sollst und wem du vertrauen kannst. Zudem kannst du nur gering einordnen, ob die nötigen Fähigkeiten vorhanden sind. Wir bieten dir eine Online-Plattform, über die du die beste Berater:in mit der Suche einer Pflegekraft finden, beauftragen und verwalten kannst. Komplett kostenfrei. So kannst du deine ideale Pfleger:in einstellen. So wie dir, geht es dort draußen auch den vielen HR-Teams unserer wunderbaren Firmenlandschaft. Wir helfen den HR-Teams über Referenzen, Regulierungen, Transparenz und im Einklang mit den Personalberater:innen die besten Teams aufzubauen. Und weißt du Oma, auch die Personalberater:innen haben Vorteile. Sie können sich und ihre Stärken unabhängig von Raum und Zeit auf der Plattform präsentieren und ihre Arbeit mit Referenzen belegen. So erhalten sie über Recscout ganz einfach neue Aufträge. Es gewinnen also beide Seiten.

Welches Problem genau wollt Ihr mit Recscout lösen?
Wir alle haben die Arbeit zwischen Firmen und Personalberater:innen erlebt. Von der Akquise über die Geschäftsanbahnung und Auftragserteilung bis hin zum Abschluss gibt es viele Stolpersteine. Mit ein klein wenig Technologie und Daten lassen sich die Meisten zur Seite schubsen. Oft haben wir erlebt, dass fähige Personalberater:innen bei Akquisetelefonaten abgewimmelt werden, obwohl sie eine perfekte Kandidat:in startbereit hätten und eine schnelle Stellenbesetzung ist für Firmen enorm wichtig. Hier stehen dann oft sehr alte Rahmenverträge oder schlicht die – oft berechtigte – Skepsis der HRler:innen entgegen, da sie am Tag zig Akquise-Anrufe zu “bekämpfen” haben. Selbst ehemalige Personalberater:innen, die jetzt auf Seiten der HR-Teams arbeiten, haben Probleme damit, die richtigen Personalberater:innen zu finden, ihnen zu vertrauen und zur Unterstützung zu beauftragen. Bei den Aufträgen geht es ja auch um eine Menge Geld. In der nahen Vergangenheit haben Personalberater:innen für eine Besetzung im Schnitt 27.000 Euro in Rechnung gestellt. Wir wollen Recscout zusammen mit den Personalberater:innen und deren Ideen weiterentwickeln. Ähnlich wie für Vermieter:innen bei AirBnb, ist Recscout als Community eine gewinnbringende Ergänzung der bestehenden Vertriebskanäle. Recscout ist wohl das erste Tool, was den Personalberater:innen passiv Anfragen generiert, ohne das die Personalberater:innen selbst aktiv werden müssen. Zudem haben die Berater:innen über Recscout einen extra Vorteil! So kann eine Berater:in, statt rein telefonisch, wohl den gleichen Auftrag über Recscout gar Committed und mit Anzahlung annehmen, da über Recscout Referenzen und Stärken direkt valide präsentiert werden. So ist es für die Personalberater:in leichter, über Recscout bezahlte Aufträge zu generieren. Zudem vergeben HR-Teams ihre Aufträge sicher gerne in einem vertraulichen Umfeld. Wir wollen mit Recscout die Plattform bieten, auf der HR-Teams und Personalberater:innen schnell und effizient zueinander finden. Dann macht die Arbeit auch einen riesen Spaß. Unsere Vision ist es, dass eine Firma global und zugeschnitten auf die individuelle Vakanz die besten Personalberater:in beauftragen kann – egal ob für einen Standort in Deutschland oder in den USA.

Jede Woche entstehen dutzende neue Startups, warum wird ausgerechnet Recscout ein Erfolg?
Der Zeitpunkt, das Team und die Technologie. Zeitlich steht die Personalberater-Branche besser da als vor Corona. Personalberatungen suchen händeringend nach eigenen Mitarbeiter:innen, um all die zum Wechsel bereiten Kandidat:innen bei hochinteressanten Firmen platzieren zu können. Stellenausschreibungen spezialisieren sich laufend und gefragte Fachkräfte sind auch bei ihren aktuellen Arbeitgeber:innen heiß begehrt. Hier sind erfahrene Personalberater:innen gefragt, die den Firmen beim Aufbau starker Teams unterstützend zur Seite stehen, die richtigen Experten finden, ansprechen und von einem Wechsel überzeugen können. Hier bedarf es an Fachwissen, Überzeugungskraft und Gespür. Unser Team setzt sich aus erfahrenen Gründer:innen, Entwickler:innen, Personalberater:innen, Unternehmensberater:innen und HR-Business Partnern:innen zusammen. Recscout ist mein viertes Startup und dieses Team ist etwas besonderes. Denn wir vereinen die verschiedenen Ansichten und Ansprüche an Recruiting-Prozesse und digitale Lösungen. Es ist fabelhaft zu sehen, wenn die Kollegen ein spezialisiertes Wissen anbieten können, von dem man selbst vielleicht mal “gehört” hat. Neben den fachlichen Bausteinen haben wir individuelle Charaktere im Team, die ihre unterschiedlichen Impulse, Gedanken und Ideen selbstbewusst in unser Produkt einfließen lassen. Jeder tritt für seinen Schwerpunkt ein und zeitgleich arbeiten alle zielgerichtet an einer Vision. Die Technologie von Recscout bietet einen Mix aus eigener Entwicklung und technologischen Produkten von starken Partner:innen. Zum Beispiel setzen wir Technologie von Partner:innen im Bereich Payment, Video-Calls und Dokumentenverwaltung ein. Wir selbst bauen an neuen Features, die HR-Teams und Berater:innen noch enger zusammenrücken lassen. Zum Beispiel bauen wir unseren Chat aus, damit beide Parteien hier Aufträge per Klick vergeben, verwalten und abschließen können.

Wer sind eure Konkurrenten?
Unseren Wettbewerb sehen wir bei anderen technologisch betriebenen Recruiting-Plattformen, die HR-Teams von Firmen mit wechselbereiten Kandidat:innen zusammenbringen. Aus unserer Sicht geht hier allerdings ein besonders begehrter Teil an Kandidat:innen verloren. Nämlich die Kandidat:innen, die noch gar nicht wissen, ob sie zum Wechseln bereit sind und sich auf solchen Plattformen gar nicht erst zur Verfügung stellen. Zudem wird eine rein technisch betriebene Plattform diese Kandidat:innen auch nicht von einer neuen Aufgabe überzeugen können, wo soll diese da auch in der Kommunikation ansetzen, der Faktor “Mensch” fehlt. Hier bedarf es den Einsatz, der Personalberater. Wir werden unseren Personalberater:innen auch die Möglichkeit stellen, dass sie über ihr Portfolio an Kandidat:innen mit Firmen in die Gespräche kommen können, da steht dann das Matching zwischen HR-Teams von Firmen und der Kandidat:innen im Vordergrund aber dahinter bleiben die Personalberater:innen, die die Prozesse steuern.

Wo steht Recscout in einem Jahr?
In einem Jahr wollen wir im Schnitt 30 Stellen im Monat erfolgreich besetzen. Das Team wird mit weiteren Entwickler:innen und talentierten kreativen Sales-Kolleg:innen ausgebaut und die Plattform mit geplanten Features ergänzt. In unserer Mission möchten wir den Milestone von 50-60 regelmäßig aktiven Auftraggeber:innen erreichen und die nächste Finanzierungsrunde vorbereiten. Liebend gerne würden wir den Aspekt der Community weiter entwickeln und beispielsweise vermittelte Kandidat:innen an ihren neuen Arbeitsplätzen besuchen und von ihrer neuen Aufgabe erzählen lassen.

Reden wir zudem noch über den Standort Köln. Wenn es um Startups in Deutschland geht, richtet sich der Blick sofort nach Berlin. Was spricht für Köln als Startup-Standort?
Etwa 2011 bin ich mit ersten Startup-Aktivitäten in Köln gestartet. Seit dem hat sich wirklich einiges getan. In 2015 waren mein Mitgründer und ich (damals im Rahmen der SHOPPEN APP, vergleichbar mit Gorillas, Flink etc. im Bereich Einzelhandel) zur Eröffnung der „Internetwoche Köln“ im Rathaus eingeladen. Es war ein feines Event, bei dem wir sicher noch den Altersschnitt gesprengt haben. Dieses Gefühl von „Selbstverständlichkeit“, „es ist klar, was wir hier machen und wir wollen etwas bewirken“ war noch nicht immer greifbar. Eher ein Gefühl von „abtasten“. Das war mein subjektives Gefühl. Heute sind Startups nicht mehr nur ein Buzzword, sondern sie werden ernst genommen und haben mittlerweile eine grundsolide Basis in Köln. Ein Gedanke in der Hinsicht ist zum Beispiel “Köln Business” und Antje Lienert. In meiner letzten Tätigkeit stand ich vereinzelnd mit ihr in Kontakt und erlebe, wie dieses Netzwerk und der Input / Outcome drum herum täglich wächst und dabei authentisch, ehrlich und nicht wie „wir machen mal Startup“ wirkt. Zudem gibt es mittlerweile zig Co-Working Spaces, Events und Messen in Köln. Von den stets beeindruckenden Gründerinnen vom Okandada Space oder David Wohde, der den WeWork in Köln mit aufgebaut hat, kommen Impulse, Ideen usw. die Synergien und einen echten Startup-Cosmos schaffen, der ein „Miteinander“ spüren lässt. Das zieht dann natürlich auch die vielen Talente der Universitäten und Hochschulen an. So lassen sich diese für die Startups begeistern und erhöhen mit ihren Skills die Qualität der einzelnen Produkte. Es treffen also eine prächtig entwickelte Grundbasis, eine wachsende Kultur, Talente, eine lebhafte Stadt und zu guter letzt eine starke Medienlandschaft aufeinander. Berlin ist als Hauptstadt und der starken internationalen Ausrichtung der erste Spot, die Championsleague im Sinne von Investitionen und Strahlkraft. Das ist auch völlig in Ordnung. Witzig, eigentlich ist Berlin mittlerweile „wie ein Konzern“. Aufgrund der schieren Größe, dem Wettbewerb um die gleichen Talente und Investoren sind einige Prozesse vermutlich nicht mehr so flexibel, wie sie in unserem „Startup-Dorf Köln“ sein können.

Was fehlt in Köln noch?
Vielleicht die gemeinsame Überzeugung, mit Mut und Willen etwas GROSSES schaffen zu können und die Risiken dazu einzugehen. Es gibt in Köln sicherlich Startups, die mit einem mutigen und stark wachsenden Team und passenden Investoren „die Welt erobern können“. Ganz vereinfacht geträumt, würden wir X Euros in RECSCOUT und die Entwicklungs- / Sales-Aktivitäten investieren, warum sollten wir nicht Anfang des neuen Jahres in Europa tätig sein und allen betreffenden Firmen ein bestmögliches Teambuilding ermöglichen können? Das ist bitte mit einem Zwinkern zu verstehen.

Zum Schluss Recscout Du drei Wünsche frei: Was wünscht Du Dir für den Startup-Standort Köln?
Mut zum Risiko in Deutschland. Hier schaue ich manchmal neidisch in Richtung Holland, Skandinavien oder noch weiter Richtung Westen, hier lassen sich bestens die „deutschen“ Erfolgsgeschichten von #Postmates #Shopify aufweisen. Mit dem nötigen Mut des Umfelds hätten sie sich wohl auch hier prächtig entwickeln können. Nicht alles bis ins letzte Detail proven lassen und hinterfragen, sondern starten, machen und anpassen. Die Grundlage von RECSCOUT steht, das Modell und die Strategie lassen sich in verschiedene Richtungen anpassen, ohne sich in der thematischen Ausrichtung zu verändern. Global wollen wohl alle Firmen die eigenen Mitarbeiter-Teams bestmöglich ausbauen. Das ist die Mission. Solche Modelle gibt es sicher in jeder Branche. Mein dritter Wunsch ist, dass die ersten beiden erhört werden.

Durchstarten in Köln – #Koelnbusiness

In unserem Themenschwerpunkt Köln werfen wir einen genaueren Blick auf das Startup-Ökosystem der Rheinmetropole. Wie sind dort die Voraussetzungen für Gründerinnen und Gründer, wie sieht es mit Investitionen aus und welche Startups machen gerade von sich reden? Mehr als 550 Startups haben Köln mittlerweile zu ihrer Basis gemacht. Mit zahlreichen potenziellen Investoren, Coworking-Spaces, Messen und Netzwerkevents bietet Köln ein spannendes Umfeld für junge Unternehmen. Diese Rubrik wird unterstützt von der KölnBusiness Wirtschaftsförderung. #Koelnbusiness auf LinkedInFacebook und Instagram.

KoelnBusiness

Foto (oben): Recscout

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.