#Interview

“Keine Angst, wir sind keine Spione”

OroraTech aus München kümmert sich darum, Waldbrände früh zu erkennen. Das Spin-Off der Technischen Universität München wurde von Thomas Grübler, Björn Stoffers, Florian Mauracher und Rupert Amann gegründet.
“Keine Angst, wir sind keine Spione”
Donnerstag, 25. März 2021VonAlexander Hüsing

Das junge Unternehmen OroraTech, das von Thomas Grübler, Björn Stoffers, Florian Mauracher und Rupert Amann gegründet wurde, positioniert sich als “kommerzieller Anbieter von Satelliten, die – mit Infrarot-Kameras ausgestattet – Buschfeuer überall auf der Welt frühzeitig entdecken und überwachen können”. “Wir versuchen, ein schweres Problem zu lösen – die rechtzeitige Waldbranderkennung”, sagt Sonja Mayer, Head of Business Development bei OroraTech, zum Konzept der Jungfirma.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Mayer außerdem über Biodiversität, Forstverwaltungen und Nanosatelliten.

Wie würdest Du Deiner Großmutter OroraTech erklären?
OroraTech entwickelt ein System zur globalen Waldbrandfrüherkennung und -beobachtung. Das soll heißen, dass wir ein System aufgebaut haben, wodurch Nutzer beobachten können, wo es auf der Welt brennt, und diese Brände im Detail nachverfolgen können. Aber keine Angst, wir sind keine Spione. Wir sammeln Bilder, die existierende Satelliten von der Welt machen, und werten diese aus, um wertvolle Daten für unsere Endnutzer zu liefern. Darüber hinaus arbeiten wir gerade auch an unserer eigenen Satelliten-Konstellation. Die Satelliten sind nicht größer als eine Schuhbox, werden jedoch Wärmebilder aufnehmen, die so momentan noch nicht verfügbar sind. Unser Ziel ist es, alle Flächenbrände weltweit innerhalb von 15 Minuten erkennen zu können und dadurch Ökosysteme und Menschen zu beschützen.

Welches Problem genau wollt Ihr mit OroraTech lösen?
Wir versuchen, ein schweres Problem zu lösen – die rechtzeitige Waldbranderkennung. Infolge der Erderwärmung treten immer häufiger Waldbrände auf, die jedes Jahr Schäden in Milliardenhöhe verursachen. Darüber hinaus tragen Waldbrände erheblich zur Zerstörung von Ökosystemen und den Verlust der Biodiversität bei. Flächenbrände tragen zudem auch in hohem Masse zu den globalen CO2-Emissionen bei. Statistisch gesehen sorgen Waldbrände zudem für ein Zehntel aller globalen Emissionen des Klimakillers CO2. Gerade in entlegenen Gebieten bleiben Waldbrände viel zu lange unentdeckt, wodurch Lösch- und Rettungsmaßnahmen viel zu spät eingeleitet werden. Heutige Lösungen zur Waldbrandfrüherkennung sind ineffizient und zu teuer, um flächendeckend eingesetzt zu werden.

Die Corona-Krise traf die Startup-Szene zuletzt hart. Wie habt ihr die Auswirkungen gespürt?
Wir haben großes Glück gehabt, was die Auswirkungen der COVID-Krise auf unser Unternehmen betrifft. Schon seit Anfang April 2020 ist das gesamte Team im Homeoffice. Unsere flexible Online- Infrastruktur, die wir schon vor COVID aufgebaut hatten, hat eine reibungslose Übertragung ins Homeoffice erlaubt. Durch tägliche Team-Updates, wöchentliche Unternehmens-Updates und den sogenannten “Donut-Calls” (zufällig ausgewählte Gesprächspartner für die Kaffeepausen) haben wir auch die Kommunikation und Motivation im Team gut erhalten können. Zum Teil haben wir durch das Remote Arbeiten sogar positive Veränderungen wahrgenommen: Online-Veranstaltungen weltweit standen uns im vergangenen Jahr zur Verfügung, ohne hohe Reisekosten abrechnen zu müssen und das Team konnte schneller wachsen, da wir auf einmal den weltweiten Arbeitsmarkt zu Verfügung hatten.

Wie ist überhaupt die Idee zu OroraTech entstanden?
OroraTech wurde im September 2018 als Spin-Off der Technischen Universität München durch die vier Mitgründer Thomas Grübler, Björn Stoffers, Rupert Amann und Florian Mauracher gegründet. Drei der Gründer hatten sich zuvor durch ihre Arbeit am MOVE-II-Satelliten des Lehrstuhls für Raumfahrttechnik kennengelernt. Björn Stoffers war zum Team gestoßen, als das Projekt auf einer Fachmesse in Berlin präsentiert wurde. Zusammen haben sie mit Wärmebildern eine begehrte Anwendungsnische für Aufnahmen aus dem All gefunden, um das schnellste Warnsystem für Flächenbrände aus dem Weltall zu entwickeln. Seit Gründung ist das Team auf fast 40 MitarbeiterInnen aus verschiedenen Nationen und mit verschiedensten Hintergründen gewachsen. Eins haben alle jedoch gemeinsam: die Leidenschaft für New-Space-Technologien und das Bestreben einer nachhaltigen Welt.

Hat sich das Konzept seit der Idee irgendwie verändert?
Mehrmals! Das gehört zu einem Startup dazu. Die ursprüngliche Idee lag – noch vor der Gründung – darin, CubeSat-Missionen als “End-to-End”-Service anbieten zu können. Allerdings stellte sich heraus, dass dieses Geschäftsmodell erst mit der Fertigung von ganzen Konstellationen skaliert, sodass die Idee bald um die Entwicklung einer eigenen Nutzlast erweitert wurde. Durch die folgende Recherche der vielen Anwendungsmöglichkeiten fiel auf, dass es eine große unerklärliche Lücke im Bereich der Wärmebilddaten – Thermal-Infrarot, TIR – gibt. Aus dieser Idee, und durch die vielen Waldbrände im Sommer 2018, entschied sich das Team, den primären Fokus auf die Waldbranddetektion zu legen. Ende 2019 wurde die Webapp Wildfire Service veröffentlicht, die in Zukunft durch die Wärmebilddaten eigener Satelliten komplementiert werden soll, um die Zeit zur Erkennung von Bränden noch signifikanter reduzieren zu können.

Wie genau funktioniert eigentlich euer Geschäftsmodell?
OroraTechs Waldbrandservice fokussiert sich auf folgende Kundengruppen: (Rück-)Versicherungen, den öffentlichen Sektor – regionale Verwaltungen, Einsatzkräfte, Forstverwaltung – und den sonstigen privaten Sektor – Logistik, Energieversorger, Waldbesitzer, Papierfabriken. Unsere Daten werden über zwei unterschiedliche Modelle vertrieben. Erstens: Das Waldbrandfrüherkennungs- und Überwachungssystem, was über ein Abonnement-Modell vertrieben wird, um ereignisbasierte Informationen direkt an Kunden oder Nutzer wie beispielsweise Notrufleitstellen zu liefern – SaaS -Style. Zweitens: Ein API-Zugriff über OroraTechs Plattform, die zahlenden Kunden einen uneingeschränkten Zugriff auf tagesaktuelle und historische Infrarotdaten ermöglicht – DaaS-Style.

Wer sind eure Konkurrenten?
Das ist eine schwierige Frage – einen direkten Konkurrenten haben wir noch nicht identifizieren können. Auf dem Gebiet der Waldbrandfrüherkennung konkurriert OroraTech mit boden- und luftgestützten Systemen, wie Wachtürmen – manuelle und automatisierte Kamerasysteme -, Drohnen, Hubschraubern und Flugzeugen mit Infrarotkameras sowie menschlichen Patrouillen, die nach Bränden Ausschau halten. Weitere indirekte Wettbewerber sind andere Hersteller von CubeSat-Konstellationen – wie die bereits genannten Unternehmen Spire und Planet Labs – sowie große Wettersatelliten in geostationären und polaren Umlaufbahnen.

Wo steht OroraTech in einem Jahr?
2021 wird ein sehr spannendes Jahr für OroraTech sein. Im November 2021 soll der erste Prototyp unserer Kamera von der ISS gestartet werden. Durch diesen Launch werden wir die ersten Daten unserer eigenen Wärmebildkamera erhalten und in unser System integrieren können. Danach ist ein weiterer “Precursor” geplant, gefolgt von einer Konstellation aus 14 baugleichen Nanosatelliten, die bis 2024 In-Orbit sein werden. Darüber hinaus planen wir für dieses Jahr eine signifikante Expansion in dem nordamerikanischen und australischen Markt.

Start-ups mit Impact powered by Samsung

In unserem Themenschwerpunkt “Start-ups mit Impact” berichten wir regelmäßig über die Zebras unter den Start-ups. Wir begleiten die Geschichten von Gründungsteams mit innovativen technischen Lösungen, die nachhaltige und wirtschaftliche Ziele gleichermaßen verfolgen. Die Rubrik wird gefördert von Samsung in Partnerschaft mit dem Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland und dem Impact Hub Berlin, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, an besseren Rahmenbedingungen für soziale Innovationen mitzuwirken. In der Artikelreihe beleuchten wir das Potenzial der Zebra-Szene. Weitere Infos bei: Samsung for Impact.

Foto (oben): OroraTech

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.