#Interview

“Es war die richtige Entscheidung, DrSmile ohne jährliche Fundraising-Dynamik aufzubauen”

Das Aligner-Grownup DrSmile erwirtschaftete zuletzt einen Umsatz im zweistelligen Millionenbereich. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht DrSmile-Macher Jens Urbaniak unter anderem über Millennials, die Berliner Torstraße und Kommunikation.
“Es war die richtige Entscheidung, DrSmile ohne jährliche Fundraising-Dynamik aufzubauen”
Donnerstag, 11. Februar 2021VonAlexander Hüsing

Die Berliner Zahnschienen-Firma DrSmile, die 2017 von Jens Urbaniak und Christopher von Wedemeyer gegründet, wurde, wanderte im Sommer des vergangenen Jahres unter das Dach von Straumann, einem Schweizer Zahnimplantate-Hersteller. “Straumann ist eines der weltweit führenden Unternehmen der Dentalbranche – und Weltmarktführer für Implantate. Das Unternehmen sieht, genau wie wir, das enorme Potenzial von Alignern”, sagt DrSmile-Gründer Urbaniak.

Gemeinsam mit dem  Zahnimplantate-Hersteller will DrSmile, das über 300 Mitarbeiter:innen beschäftigt, weiter kräftig wachsen. Der Umsatz des Unternehmens lag zuletzt im zweistelligen Millionenbereich. “Gemeinsam glauben wir, dass in unserer Zusammenarbeit Aligner noch größer als Implantate werden können. In Partnerschaft mit Straumann wollen wir DrSmile weiterhin mit größtem Kundenfokus weiterentwickeln und haben für unsere super ambitionierten Wachstumspläne die wichtigsten Zutaten dazu bekommen: Zugang zu Kapital, hochmodernen Produktionskapazitäten in Deutschland und Zahnärzten weltweit”, erzählt Urbaniak.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der DrSmile-Macher außerdem über Millennials, die Berliner Torstraße und Kommunikation.

Wie würdest Du Deiner Großmutter DrSmile erklären?
Mit DrSmile bieten wir moderne Zahnbegradigungen an. Wir verhelfen unseren Patientinnen und Patienten durch durchsichtige Zahnschienen, sogenannte Aligner, nicht nur zu geraden Zähnen, sondern zu einem größeren Selbstbewusstsein. Denn nur in einer gesunden Beziehung zu sich selbst, kann man in einer gesunden Beziehung zu anderen stehen.

Hat sich das Konzept seit dem Start irgendwie verändert?
Seit Beginn arbeiten wir ausschließlich mit approbierten Zahnärzten und Kieferorthopäden zusammen, um Beratungs-, Diagnose- und Therapie-begleitende Maßnahmen in einem klinischen Umfeld für unsere Patientinnen und Patienten bereitzustellen. An den Grundpfeilern des Konzepts hat sich wenig geändert. Was sich verändert hat ist die Größe unseres Teams, das mittlerweile über 300 Leute umfasst und in dem mittlerweile Englisch zur Hauptsprache geworden ist – vor allem seitdem wir nach Spanien und Frankreich expandiert sind.

Die Corona-Krise traf die Startup-Szene zuletzt hart. Wie habt ihr die Auswirkungen gespürt?
Wir haben die Ausmaße der Corona-Pandemie natürlich nicht kommen sehen. Wir haben uns kollektiv blitzschnell an eine komplett neue, eingeschränkte Situation angepasst. Kurzfristig haben wir jegliche Interaktionen mit anderen Personen auf das absolut Notwendigste beschränkt und sind alle ins Homeoffice gegangen. In allen Bereichen unseres Handelns haben wir uns auf maximale Infektionsschutz für Patienten und Mitarbeiter fokussiert. Konkret hieß das aufzurüsten, sodass unsere sowieso schon hygienischen Partner-Praxen ein maximal sicheres Umfeld bieten. Intern ging es primär für uns darum, alle Arbeitsplätze unseres Teams zu sichern und zusätzliche Unterstützung anzubieten – vor allem für die, die als Eltern oder Pflegende für Ihre Liebsten da sein müssen. Der dritte Aspekt war es der Gemeinschaft zu helfen – unter anderem haben wir 100.000 Masken und Schutzausrüstung an Zahnärzte, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen gespendet.

Wie ist überhaupt die Idee zu DrSmile entstanden?
Zunächst hatten mein Mitgründer Chris und ich die Idee eine moderne Zahnarztpraxis-Kette für Millennials zu gründen. Wir wollten nicht dabei existente Praxen übernehmen und diese versuchen zu vereinheitlichen, sondern selber auf der grünen Wiese eine moderne auf UX-fokussierte Dental-Brand aufbauen. Das sollte alles völlig unterm Radar laufen, es sollte etwas sein, was nichts mit dem zu tun hat, was auf der Torstraße oder auf deutsche-startups.de erzählt wird. Vieles wurde schon mit besonderem Kundenfokus versucht zu digitalisieren, also etwa der Einzelhandel, das Bankwesen und andere Geschäftsfelder – weniger der Gesundheitsmarkt. Das wollten wir ändern und haben letztendlich darauf aufgebaut. Zusätzlich kam noch der Faktor, dass die ästhetischen Ansprüche von Millennials, sicherlich getrieben durch Social Media, höher sind denn je. Daraus entstand dann DrSmile, also eine Brand, die für Empowerment und Selbstbewusstsein durch schöne Zähne steht. Um unsere Patientinnen und Patienten in die Praxis zu bringen, haben wir uns auf moderne Zahnbegradigung als USP fokussiert. Der Zeitpunkt war der richtige – bisherige Patente für Aligner fingen an auszulaufen. Wir eröffneten unsere ersten Praxen, stellten dann aber fest, dass es schwierig ist noch mehr Standorte effektiv dezentral zu managen. In der Zwischenzeit gelang es uns jedoch, unser technisches System so weit zu entwickeln, dass wir dieses auch an existente Zahnarztpraxen weitergeben konnten. Mittlerweile haben wir in D/AT über 100 Partner-Praxen.

Wie genau funktioniert eigentlich euer Geschäftsmodell?
Wir haben einen brutalen Kundenfokus. Durch unser engmaschiges Behandlungskonzept ist man als Patientin oder Patient bei uns vollumfänglich betreut, so analog wie medizinisch notwendig und so digital wie möglich. Entscheidet sich eine Person, dass sie eine Zahnstand-Korrektur mit unseren unsichtbaren Alignern machen möchte, wird sie digital zu einem unserer über 100 Partner-Zahnärzte oder Kieferorthopäden vor Ort geführt. Ohne Wartezeit wird die Patientin von dem Praxisteam vor Ort bei der Beratung, Diagnose und den therapiebegleitenden Maßnahmen begleitet. Anhand eines 3D-Scans in der Praxis wird dann ein Behandlungsplan gemeinsam mit einem zentralen Spezialisten-Team individuell entwickelt und die Aligner im spezialisierten Zahntechnik-Labor in Markkleeberg bei Leipzig hergestellt. Der Behandlungsstand wird dann durch virtuelle oder, wenn Bedarf besteht, vor Ort Termine medizinisch begleitet.

Im Sommer 2020 übernahm Straumann DrSmile. Was hat sich seitdem verändert?
Straumann ist eines der weltweit führenden Unternehmen der Dentalbranche – und Weltmarktführer für Implantate. Das Unternehmen sieht, genau wie wir, das enorme Potenzial von Alignern. Gemeinsam glauben wir, dass in unserer Zusammenarbeit Aligner noch größer als Implantate werden können. In Partnerschaft mit Straumann wollen wir DrSmile weiterhin mit größtem Kundenfokus weiterentwickeln und haben für unsere super ambitionierten Wachstumspläne die wichtigsten Zutaten dazu bekommen: Zugang zu Kapital, hochmodernen Produktionskapazitäten in Deutschland und Zahnärzten weltweit.

2018 gab es einen großen Boom rund um das Thema Aligner. Ist der Hype inzwischen vorbei?
Der Markt entwickelt sich kontinuierlich weiter. Schaut man sich das Volumen in den USA mit jährlich über 6 Milliarden US-Dollar an, erkennt man, dass das Potential hier noch lange nicht erreicht ist. Bis wir 2017 angefangen haben, waren Aligner in Deutschland noch ein recht unbekanntes Nischenprodukt, das momentan aus der Nische herauswächst und langsam „erwachsener“ wird. Je nachdem welchem Branchenbericht man glauben möchte, wächst der Markt kontinuierlich jährlich um 20 bis 25 % in Europa. Das positive Momentum ist also noch lange nicht vorbei.

Wie genau hat sich DrSmile denn seit der Gründung entwickelt?
Allein in den letzten zwölf Monaten haben wir uns mehr als verdreifacht. Ursprünglich waren wir ausschließlich im deutschsprachigen Raum aktiv – mittlerweile sind wir auch in Frankreich und Spanien. Wir sind innerhalb von drei Jahren zu dem größten Anbieter aus Europa in unserer Branche herangewachsen, der sich mit einem klinischen Behandlungskonzept zu einem Enabler und Partner von Kieferorthopäden und Zahnärzten entwickelt hat. Unsere Idee, unseren Kunden nicht nur zu geraden Zähnen, sondern vor allem zu Selbstbewusstsein zu verhelfen, hat sich bewährt.

Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist DrSmile inzwischen?
Über 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hoher zweistelliger Millionen Umsatz. Aktiv in Deutschland, Österreich, Frankreich und Spanien. Stark wachsend.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Die Kommunikation nach Außen: Wir haben es verpasst, die klare Differenzierung zu anderen Anbietern, die etwa Do-It-Yourself Aligner-Behandlungen anbieten, darzulegen. Dadurch haben uns einige Branchenvertreter zwischenzeitlich auch medizinische Kompetenz abgesprochen und uns pauschal verurteilt. Wir sehen uns nicht als Disrupter, sondern digitaler Enabler und Partner von Zahnärzten und Kieferorthopäden der neue Standards setzt und hätten das früher und stärker extern kommunizieren müssen. Unser engmaschiges Behandlungskonzept ist auf maximale Patientensicherheit ausgelegt – ausschließlich in Zusammenarbeit mit Zahnmedizinern vor Ort. Natürlich gab es auf dem Weg auch kleinere Patzer, wie etwa zwischenzeitliche Liefer-Schwierigkeiten nach der Umstellung unserer Logistik – eben typische Wachstumsschmerzen eines dynamischen Unternehmens.

Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Wir haben das beste Team der Welt. Da haben wir schon viel richtig gemacht ausgezeichnete Leute an unserer Seite zu versammeln. Es war aber auch die richtige Entscheidung, DrSmile ohne die typischen VC-Investoren und jährlichen Fundraising-Dynamik aufzubauen und erst jetzt zur internationalen Skalierung einen starken, strategischen Partner mit an Bord zu nehmen. So konnten wir uns stets voll auf das operative Geschäft fokussieren.

Wo steht DrSmile in einem Jahr?
Wir werden unsere Position als wichtiger Enabler und Partner für Zahnärzte und Kieferorthopäden weiter ausgebaut sowie unsere ambitionierten Wachstums- und Expansionspläne für dieses Jahr hoffentlich in die Tat umgesetzt haben. Auch dieses Jahr wollen wir uns verdreifachen.

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Foto (oben): DrSmile 

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.