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“Selbst wenn man in den Urlaub fährt, hört die Arbeit nicht auf”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Ich stehe sehr früh auf, um erst einmal Zeit für mich zu haben, denn das kommt im Rest des Tages zu kurz und abends ist man sehr müde durch den Tag", sagt Valerie Henssen, Gründerin von Vegdog.
“Selbst wenn man in den Urlaub fährt, hört die Arbeit nicht auf”
Freitag, 21. August 2020VonAlexander Hüsing

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Heute antworten Tessa Zaune-Figlar und Valerie Henssen, die Gründerinnen von Vegdog, einem Shop für veganes Hundefutter.

Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Henssen: Seit circa einem Jahr verfolge ich die Miracle Morning Routine von Hal Elrod und kann sie definitiv empfehlen. Diese sieht folgendermaßen aus: Ich stehe sehr früh auf, um erst einmal Zeit für mich zu haben, denn das kommt im Rest des Tages zu kurz und abends ist man sehr müde durch den Tag. Also nehme ich mir früh morgens Zeit für verschiedene Aktivitäten wie Yoga, Joggen, Schwimmen, Lesen, Nachrichten schauen. Anschließend beginne ich beim Kaffee mit der Arbeit an: Ich checke Emails sowie Vegdogs Social Media-Kanäle und schaue Nachrichten. Dann geht es direkt ins Büro, wo ich den aktuellen Status mit Tessa bespreche und im Startup-Dschungel loslege.

Wie schaltest du nach der Arbeit ab?
Henssen: Ich lasse grundsätzlich meinen Laptop und Notizen im Büro, um eine klare Trennung zu haben und nicht wie früher meine Arbeit neben dem Bett vorzufinden. Außerdem versuche ich pünktlich Feierabend zu machen und laufe zu Fuß nach Hause. Das gibt mir dann genug Zeit, um den Tag Review passieren zu lassen und den Feierabend zu genießen.

Was über das Gründer-Dasein hättest du gerne vor der Gründung gewusst?
Zaune-Figlar: Dass man 24/7 die Arbeit im Kopf hat und nie abschaltet. Selbst wenn man in den Urlaub fährt, hört die Arbeit nicht auf, weil man weiter plant und überlegt. Das hat gute wie auch anstrengende Seiten. Das Gute überwiegt zum Glück, denn man hat ein Thema gefunden, mit dem man sich immer beschäftigen möchte. Ebenfalls ist das Thema Bürokratie zu erwähnen: Es ist alles nicht so kompliziert und schwer, wie es die Behörden etc. darstellen. Ein Unternehmen aufzubauen ist ein Marathon und kein Sprint. Man muss wirklich lernen mit seinen eigenen Ressourcen gut umzugehen. Häufig ist man ungeduldig und hat lauter Themen auf dem Tisch, so dass man ins Rennen gerät und lossprintet. In solchen Momenten muss man sich immer etwas zurücknehmen, weil man sonst schnell erschöpft ist. Einen dauerhaften Sprint kann nämlich auch der beste Sportler nicht hinlegen.

Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstet?
Henssen: Ich habe mein zweites Studium unterbrochen, weil die Arbeit an Vegdog nicht mehr neben dem Studium zu bewältigen war. Das war sehr schwer nach vier Jahren harter Studiumsarbeit. Aber zum Glück kann ich es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal aufnehmen, sodass es kein finaler Abschied sein musste. Es war aber bis heute die beste Entscheidung, die ich fällen konnte! Man muss sich jeden Tag in neue Themenfelder einarbeiten. Als ich die Themen wie zum Beispiel Finanzplanung, Businessplan etc. zum ersten Mal angegangen bin, habe ich gedacht, dass wir das nicht zu zweit schaffen würden. Gerade am Anfang hat man fast täglich Momente, in denen man denkt „wie soll man das jemals schaffen“ – zum Glück wechselte dieses Gefühl zwischen Tessa und mir ab, sodass wir uns gegenseitig mitziehen konnten. Ein weiterer Punkt ist Mitarbeiterführung – man kann nie allen gleichzeitig gerecht werden. Als Geschäftsführer muss man lernen, einen guten Mittelweg zu finden.

Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Henssen: Zu denken, dass ich alles aus einem Buch lernen kann, bevor ich es mache. Das hat mich häufig ausgebremst. Aber aus der Uni kommend, in der man alles aus Büchern lernt, kannte ich es nicht anders. Im Start-Up gilt allerdings die Regel: Learning by Doing. Man muss einfach ins kalte Wasser springen, denn man merkt schnell, dass man hier auch gut schwimmen kann.

Wie findet man die passenden Mitarbeiter für sein Startup?
Zaune-Figlar:  Das ist sehr schwierig! Tatsächlich sind es diejenigen, die sich initiativ bewerben: sie kommen hochmotiviert und möchten unbedingt genau für dein Unternehmen arbeiten. Das ist gerade in der anfänglichen Wachstumsphase Gold wert. Das Schwierige daran: man hat klare Planungen, in denen diese Mitarbeiter nicht jedes Mal eingeplant sind. Wir versuchen hier allerdings immer so umzustrukturieren, dass wir sie aufnehmen können, weil es diejenigen sind, die eine intrinsische Motivation mitbringen, die unbezahlbar ist.

Welchen Tipp hast Du für andere Gründer?
Zaune-Figlar:  Trau dich! Du lernst alles nur, indem du es machst und es gibt für alles eine Lösung!

Ohne welches externes Tool würde dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Zaune-Figlar: Definitiv E-Commerce: Onlineshop und Warenwirtschaft.

Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Henssen: Dafür sorgen vor allem die Hunde.

Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Zaune-Figlar:  Die Aufnahmen für das TV-Format “Die Höhle der Löwen”. Es war sehr surreal, plötzlich in einer Kulisse zu stehen, die man jahrelang nur aus dem Fernsehen kannte.

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

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Foto (oben): Vegdog

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.