#Interview

Ein Jura-Startup, das jetzt Pflegekräfte vermittelt

TalentRocket startet mit MediRocket eine Plattform rund um Pflegeberufe. "Jetzt heißt es in großem Stil MediRocket allen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen vorzustellen – und zu neuen Ufern aufzubrechen", sagt TalentRocket-Macher Sebastian von Glahn.
Ein Jura-Startup, das jetzt Pflegekräfte vermittelt
Montag, 25. Mai 2020VonAlexander Hüsing

Seit 2012 bringt TalentRocket Juristen mit juristischen Arbeitgebern zusammen. Nun startet die Jungfirma mit MediRocket eine Plattform rund um Pflegeberufe. “Neben dringend notwendigen politischen Ansätzen und einer Reform der Pflegeberufe müssen auch Krankenhäuser als attraktive Arbeitgeber für Pflegefachkräfte auftreten. Und diese attraktive Arbeitgebermarke muss über smartes Employer Branding nach außen getragen werden. Hier setzt unsere Plattform an”, sagt TalentRocket-Macher Sebastian von Glahn.

Mit MediRocket wollen die Münchner ihr “bewährtes Konzept aus Employer Branding und Recruiting in eine weitere hochspezialisierte Fachbranche” bringen. “Wir könnten uns keinen besseren Zeitpunkt vorstellen, als einen, in dem ohnehin ein Umdenken in der Gesellschaft stattfindet”, sagt  von Glahn. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der TalentRocket -Macher  außerdem über Frustrationen, Karrierechancen und Jahresverträge.

Wie würdest Du Deiner Großmutter TalentRocket erklären?
TalentRocket bringt Jurist*innen mit juristischen Arbeitgebern zusammen. Der juristische Arbeitsmarkt ist derzeit heiß umkämpft – das heißt, es gibt zu wenige Jurist*innen mit zweitem Staatsexamen für zu viele unbesetzte Stellen. Deshalb müssen Kanzleien und Rechtsabteilungen durch sogenannte Arbeitgebermarkenbildung zeigen, was sie als Arbeitgeber ausmacht und warum sich Talente gerade bei ihnen bewerben sollten. Hierfür haben wir mit TalentRocket eine digitale Plattform geschaffen. Wir ermöglichen einerseits Arbeitgebern, sich vollumfänglich auf TalentRocket darzustellen und andererseits Arbeitnehmer*innen, sich umfassend über Arbeitgeber zu informieren. Neben dieser Möglichkeit für Kanzleien und Unternehmen, die eigene Arbeitgebermarke zu stärken, können auch ganz gezielt für offene Stellen Mitarbeiter*innen gesucht und gefunden werden.

Wie ist überhaupt die Idee zu TalentRocket entstanden?
Anfangs hat sich TalentRocket insbesondere auf Employer Branding fokussiert, da hier der größte Bedarf bestand. Magdalena ist selbst Juristin und hat während ihres Jurastudiums in Passau festgestellt, wie schwer es ist, aussagekräftige Informationen über juristische Arbeitgeber online zu finden. Nach ihrem Abschluss fand sie sich auf Jobsuche in einer Besenkammer des Career Centers der Uni wieder, in dem sie dicke Ordner voller Adressen von Kanzleien in ganz Deutschland durchforstete. Absolut keine Informationen hinsichtlich der Themenbereiche der Kanzleien, Karrieremöglichkeiten, Gehälter oder anderer Benefits. Auf Basis dieser Frustration bei der eigenen Jobsuche ist TalentRocket entstanden und hat vorerst versucht, diese Informationslücke zu schließen.

Wie ging es dann weiter?
Später kam der Jobbereich hinzu und Arbeitgeber konnten ganz gezielt ihre juristischen Vakanzen ausschreiben. Durch unkomplizierte 1-Klick-Bewerbung können sich Bewerber*innen seit dem ganz ohne Anschreiben und effizienter denn je auf passende Jobs bewerben und bekommen durch unseren Matching-Algorithmus immer die Arbeitgeber und Jobs vorgeschlagen, die zu ihren Präferenzen passen. Durch die Akquisition des Konkurrenten Lawyered – einem Düsseldorfer Startup mit ähnlichem Konzept, dessen Gründungsteam ich selbst angehört habe – hat TalentRocket ab 2017 nochmal richtig an Fahrt aufgenommen. Mit vereinten Kräften haben wir uns seit vergangenem Jahr insbesondere dem Ausbau unserer Active Sourcing-Technologie gewidmet, so dass Arbeitgeber nun auch in unserem Talentpool aktiv aber voll-anonymisiert nach potenziellen Mitarbeiter*innen suchen können. Angesichts des Arbeitnehmermarktes macht es nur Sinn, den Bewerbungsprozess umzudrehen und wir haben bereits den ersten Kanzleien zu erfolgreichen Einstellungen via Aktiver Suche verholfen.

Mit MediRocket wollt ihr nun auch das Medizin-Segment angehen. Ist dafür jetzt der richtige Zeitpunkt?
Absolut! Gerade jetzt erleben wir ja einen Wandel, was die Wertschätzung der Pflegeberufe angeht. Laut den Ergebnissen einer 2019 durchgeführten Umfrage des Zentrums für Qualität in der Pflege haben fast 80% der Pfleger*innen das Gefühl, dass ihre Arbeit als Pflegekraft keine oder nicht ausreichend öffentliche Anerkennung erhält. Anstelle von Karrierechancen erwarten Auszubildende in der Pflege Wochenend- und Schichtdienste. Die derzeitige Situation hält uns deutlich vor Augen, dass die Bedeutung der Care-Berufe in der Vergangenheit gnadenlos unterschätzt wurde. Neben dringend notwendigen politischen Ansätzen und einer Reform der Pflegeberufe müssen auch Krankenhäuser als attraktive Arbeitgeber für Pflegefachkräfte auftreten. Und diese attraktive Arbeitgebermarke muss über smartes Employer Branding nach außen getragen werden. Hier setzt unsere Plattform MediRocket an. Wir bringen unser bewährtes Konzept aus Employer Branding und Recruiting in eine weitere hochspezialisierte Fachbranche und könnten uns keinen besseren Zeitpunkt vorstellen, als einen, in dem ohnehin ein Umdenken in der Gesellschaft stattfindet.

Die Corona-Krise trifft die Startup-Szene derzeit hart. Wie und in welcher Form spürt ihr die Auswirkungen?
Bisher haben wir einigermaßen den Kopf über Wasser behalten. Im Bereich der Kanzleien gibt es einige, denen die Krise volle Auftragsbücher beschert, beispielsweise Arbeitsrechtskanzleien. Diese suchen dann auch weiterhin, oder sogar vermehrt nach Mitarbeiter*innen, um den gestiegenen Bedarf zu decken. Vielen bleiben aber auch Mandanten weg. Diese achten dann genau auf jede Ausgabe und halten sich schon auch mal zurück, was das Budget fürs Marketing angeht. Insgesamt haben auch wir deswegen Umsatzrückgänge zu verzeichnen. Kurzarbeit und Kostensenkung waren da die Mittel der Wahl. Wir erwarten aber schon recht kurzfristig eine Erholung des Marktes. Gerade Jurist*innen haben klassischerweise in der Krise gut zu tun und auch eine Verbesserung der Verfügbarkeit von Jurist*innen auf dem Arbeitsmarkt ist derzeit nicht zu erwarten. Außerdem gehen wir davon aus, dass auch Krankenhäuser relativ bald wieder ihr Daily Business aufnehmen werden und wir mit MediRocket voll durchstarten können.

Wie genau funktioniert eigentlich denn euer Geschäftsmodell?
Für die User*innen ist die Nutzung unserer Plattform grundsätzlich kostenlos. Die Kooperation mit unseren Partner-Kanzleien basiert auf einem Laufzeitmodell, bei dem sich der Arbeitgeber zu einem Jahr Zusammenarbeit verpflichten. Die Jahresverträge verlängern sich automatisch um ein weiteres Jahr, die meisten Partner bleiben jedoch deutlich länger dabei.  Unsere Verlängerungsquote von über 95% zeigt uns, dass unsere Partner allgemein sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit sind. Neben den Jahreskooperationen arbeiten wir mit einigen kleineren Kanzleien auch auf Pay-Per-Hire-Basis zusammen.

Wie hat sich TalentRocket seit der Gründung entwickelt?
Gegründet wurde die TalentRocket GmbH 2012 von Yacine Coco und Magdalena Oehl. Die Plattform in ihrer heutigen Form gibt es seit 2014. Bis 2017 hat sich TalentRocket hin zu 15 Mitarbeiter*innen entwickelt. Durch den Zusammenschluss mit Lawyered im gleichen Jahr und die Bündelung der Kräfte haben wir uns bis 2018 auf 25, bis heute zu einer 30-köpfigen Mannschaft an Vollzeitangestellten entwickelt – ein vergleichsweise bedächtiges, aber sicheres & solides Wachstum. Seit 2016 sind wir an zwei Standorten vertreten, was sich insbesondere durch die personellen Gegebenheiten so entwickelt hat. In unserem Berliner Office sitzt der Großteil unseres Sales- & B2B-Marketing-Teams, in München die Bereiche IT & Product, Marketing und Operations.

Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist TalentRocket inzwischen?
Drei Plattformen werden von unserem Team aus rund 30 Mitarbeiter*innen vorangetrieben. Neben der deutschen und der österreichischen Version von TalentRocket sind wir Mitte April mit MediRocket gestartet. Mehr als 30.000 registrierte Nutzer*innen und circa 150.000 Unique User pro Monat werden auf talentrocket.de mit über 300 juristischen Arbeitgebern zusammen gebracht.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Vor allem ein Projekt im Jahr 2017. Wir haben uns im Bereich Print und Offline-Marketing jeweils nette Konzepte überlegt, um TalentRocket noch breiter aufzustellen. Allerdings haben wir schnell gemerkt, dass wir hier keine Expert*innen sind und haben festgestellt, wie unglaublich viel Arbeit und Kosten in den einzelnen Umsetzungen liegen. Kurzerhand haben wir alles eingestampft, teilweise noch vor der Veröffentlichung. Ganz nach dem Motto: Schuster bleib bei deinen Leisten. Wir sind Experten für das digitale Plattformgeschäft. Und können in erster Linie eins: Für Bewerbungen und Einstellungen mittels smarter Nutzung digitaler Kanäle sorgen. Nach diesem gescheiterten Versuch, uns im Offline-Bereich noch breiter aufzustellen, haben wir recht schnell zu unserem Kerngeschäft zurück gefunden… und uns nur umso mehr auf unsere Stärken konzentriert.

Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Bei der Auswahl des Teams. Wir haben eine wirklich großartige Truppe an Bord. Viele höchst motivierte Mitarbeiter*innen, die TalentRocket erst so richtig gut machen. Gerade jetzt in der Krise ist Zusammenhalt sehr wichtig und den spüren wir sehr stark.

Wo steht TalentRocket in einem Jahr?
Wir wollen weiterhin unsere Marktanteile im Jurabereich ausbauen und die führende Karriereplattform für Jurist*innen bleiben. Im Bereich der Pflege heißt es wachsen, wachsen, wachsen. Hier konnten wir zuletzt wichtige große Krankenhäuser von unserem Konzept überzeugen. Jetzt heißt es in großem Stil MediRocket allen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen in Deutschland vorzustellen – und zu neuen, erfolgversprechenden Ufern aufzubrechen.

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Foto (oben): Schutterstock

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.