#Interview
“Wir arbeiten nach 12 Werten. Der wichtigste: Die beste Idee gewinnt”
Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Heute antwortet Al Lakhani, Gründer von Idee. Das Software-Unternehmen kümmert sich um die Wiederverwendung und den Austausch von digitalen Identitäten.
Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Als erstes öffne ich morgens die Apple-News-App und dann meine Aktien-App auf dem Handy, um mich ein wenig über neueste Wirtschaftsthemen schlau zu machen und ein paar aktuelle Nachrichtenartikel zu lesen. Ich glaube, dass man Markttrends langfristig nur verstehen kann, wenn man eine gutes und fein abgestimmte System für kuratierte Nachrichten hat.
Wie schaltest du nach der Arbeit ab?
Ich bin ein großer Fan von bayerischem Bier. Im Sommer gönne ich mir daher abends auf jeden Fall mal ein Augustiner oder ein Tegernseer. Außerdem spiele ich sehr gern mit meinen Kindern. Da die Jungs jedoch noch sehr jung sind, würde ich das nun nicht gerade als entspannend bezeichnen.
Was über das Gründer-Dasein hättest du gerne vor der Gründung gewusst?
Ich bin davon überzeugt, dass man nach einem Jahr Arbeit in einer großen Firma ein Jahr Erfahrungen sammelt. Wenn man für ein Jahr den Job eines ´Beraters ausübt, entspricht das den Erfahrungen, die man normalerweise in einer zweijährigen Tätigkeit erlangt. Bei einem Jahr im Krisenmanagement kommt es einem vor wie vier Jahre Arbeitserfahrung. Und in den letzten Jahren habe ich gelernt, dass ein Jahr in einem Startup-Unternehmen dem Stress und der Erfahrung von ungefähr acht Jahren Arbeit entspricht. Ich würde meinem jüngeren Ich daher empfehlen, sich nicht so stressen zu lassen, denn als Startup-Unternehmen hat man nur sehr sehr wenige Dinge unter Kontrolle, und sich stressen zu lassen ändert nichts an der Tatsache, dass man nur sehr sehr wenige Dinge unter Kontrolle hat.
Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstet?
Das Schwierigste, mit dem ein Startup konfrontiert ist, ist die Zusammenstellung des optimalen Teams. Als Gründer stellt man unweigerlich Leute ein, die nicht zur Kultur oder zur Vision passen. In diesem Fall muss man sich schnell, respektvoll und mit Einfühlungsvermögen von diesen Teammitgliedern trennen. In einem Startup ist das Team alles, denn es formt die Kultur des Unternehmens von Anfang an. Die Rekrutierung der richtigen Leute ist die größte Herausforderung, der sich jedes Startup stellen muss.
Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Das Wichtigste für ein wirtschaftlich erfolgreiches Startup ist der Aufbau eines soliden Vertriebsprozesses. Und ich spreche hier nicht von der Geschäftsentwicklung, sondern vom Verkauf. Ich habe zu lange damit gewartet, ein Sales-Team aufzubauen und einen robusten Verkaufsprozess zu etablieren. Unser Produkt war von Anfang an genial, wir haben es nur nicht an den Mann gebracht.
Wie findet man die passenden Mitarbeiter für sein Startup?
Die beste Personalstrategie für ein Startup ist es, Leute zu finden, die man kennt, oder die jemand kennt, dem man vertraut. Wenn man diese Quelle ausgeschöpft hat, muss man in den nächsten Gang schalten: Fähige Leute so schnell wie möglich einstellen, zeitnah die Kompatibilität überprüfen und wenn es nicht einhundert Prozent passt, sich so schnell, respektvoll und einfühlsam wie möglich wieder voneinander trennen.
Welchen Tipp hast Du für andere Gründer?
Für Gründer ist Deutschland der beste Ort für den Aufbau eines Startups. Nicht weil es einfach ist, sondern weil es schwierig ist. Die deutsche Kultur ist grundsätzlich misstrauisch gegenüber jedem neuen Produkt und freut sich, Edge Cases zu finden, die beweisen, dass ein Produkt nicht perfekt ist. Und das ist gut so. Denn kein Produkt ist perfekt. Aber das Feedback, das man hier erhält, ist absolut wertvoll. Es macht das Produkt besser. Wenn man es hier (in Deutschland) schafft, schafft man es überall.
Ohne welches externes Tool würde dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Ohne Public-Key-Kryptografie würde Idee nicht existieren.
Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Wir bei Idee arbeiten nach 12 definierten Werten. Der wichtigste dabei: Die beste Idee gewinnt. Und das ist etwas, was jeder im Team verinnerlicht hat und auch erwartet. Außerdem will ich mit gutem Beispiel vorangehen. Wenn der CEO hinter sich aufräumt oder den Abwasch macht oder den Müll rausbringt, ist das ein großartiges Beispiel für den Rest des Teams. Jeder muss bei uns anpacken, ohne Ausnahmen. Beides macht außerdem deutlich, dass wir nichts von Hierarchien halten.
Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
An Ostern 2016 erhielt ich die Nachricht, dass es bei einem unserer Hardware-Zulieferer, einer sehr großen Chipfirma, zu Lieferverzögerungen von mehr als sechs Monaten kommen würde. Es handelte sich um eine kritische Komponente, die IDEE dringend brauchte. Ich war so erschüttert, dass ich mich am gesamten Osterwochenende meinen engsten Freunden und meiner Familie gegenüber wie ein Arschloch verhalten habe. Ich war gestresst, weil ich nicht kontrollieren konnte, wann dieser große Chiphersteller diese Hardwarekomponente liefern würde. Und ich habe einfach nicht verstanden, dass durch den ganzen Stress die Hardware-Komponente trotzdem nicht plötzlich verfügbar werden würde. Nach vier Tagen der Qual begann ich, mich auf eine Lösung zu konzentrieren und fand diese recht schnell. Das meinte ich zuvor: Man sollte sich nicht stressen, weil Stress nichts an den Tatsachen ändert.
Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.
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