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Ghost Restaurants – Was man über das leckere Boomsegment alles wissen muss

Überall auf der Welt entstehen derzeit Ghost Restaurants, also Restaurants, die ohne Tische, Stühle und Bedienungen auskommen. Diese Schattenküchen liefern ihre Speisen nur über Vermittler wie Deliveroo, Foodora und Co. aus. Zahlreiche Kapitalgeber glauben bereits an das Segment.
Ghost Restaurants – Was man über das leckere Boomsegment alles wissen muss
Donnerstag, 18. April 2019VonAlexander Hüsing

Ghost Restaurants sind derzeit national und international ein ganz großes Thema. Auch wenn es zunächst nicht einleuchtend erscheint, warum Restaurants plötzlich ein Fall für Investoren sind! Zum Hintergrund: Die Unternehmen aus diesem Boom-Segment bereiten das Essen ausschließlich für die Auslieferung über Vermittler wie Deliveroo, Foodora und Co. zu. Hierzulande sorgte gerade das Ghost Kitchen-Startup Keatz, das 2015 von Paul Gebhardt und Dimitrios Ploutarchos gegründet, für Aufsehen. Atlantic Food Labs, Project A, JME Ventures, K Fund, Ustart und RTP Global investierten üppige 12 Millionen Euro in das Startup. Derzeit ist das Startup in Berlin, München, Amsterdam, Madrid und Barcelona unterwegs. Rund 230 Mitarbeiter wirkten bereits für Keatz.

Eine der größten Herausforderungen im Segment der Ghost Restaurants ist es – neben der enormen Abhängigkeit des Vertriebsweges -, Foodmarken aufzubauen (Hintergründe dazu auch im ds-Podcast). Zu Keatz gehören etwa Marken wie GringoBurritos, MoodyMonkey und Tamaka. “Wir verstehen uns als ‘Netflix für Foodbrands’ und probieren regelmäßig neue Foodtrends aufzugreifen und Marken zu entwickeln”, sagt Mitgründer Gebhardt. Dies heißt aber auch, dass Keatz und Co. sich immer wieder neu erfinden müssen, immer wieder neue Marken in den Markt drücken müssen. Klassiker wie Pizza, Pasta und Burger gibt es auf Lieferando, Deliveroo und Co. aber auch jetzt schon mehr als genug. Da kann ein Ghost Restaurant nur über den Preis, die Auswahl, die Qualität oder ein extrem schickes Logo auffallen.

“Unsere These ist, dass in Zukunft ein Großteil des Lieferessens aus ‘Delivery-only Küchen’ kommt. Erstens, die Automatisierung von Küchen ist einfacher umzusetzen als die autonome Auslieferung von Essen. Zweitens, klassische Restaurants verkaufen ihre Produkte als Nebengeschäft auf Lieferplattformen. Die Produkte sind allerdings weder für die Auslieferung konzipiert und verpackt, noch haben klassische Restaurants die Marge, um profitabel ein Liefergeschäft aufzubauen”, erklärt Gebhardt die Vision hinter Keatz. Wobei es in Berlin schon einige klassische Restaurants gibt, die inzwischen mit anderen Marken explizit im Liefersegment unterwegs sind. Es stimmt aber, dass diese Anbieter bei der Verpackung noch immer sehr altmodisch unterwegs sind. Von Markenführung haben diese Ghost Restaurants meist auch überhaupt keine Ahnung.

Wachsen will das Keatz-Team vor allem international. “Der Heimatmarkt ist für Lieferessen nicht relevant, da die Deutschen sehr sparsam leben und kaum Essen bestellen”, meint Gebhardt. International ist die Konkurrenz im Ghost Kitchen-Segment aber bereits groß. Weltweit buhlen diverse Jungfirmen um Nutzer. Und diverse Investoren setzen auf das Segment. Aber warum sind Restaurants überhaupt ein Thema für Risikokapital? Gebhardt verweist dabei darauf, dass das Ghost Restaurants-Geschäft deutlich skalierbarer sei als andere klassische digitale Modelle. Keatz verdient eigenen Angaben zufolge zwischen 10 und 20 % an einer Bestellung. Mit Geld in der Kasse kann ein Ghost Restaurant-Startup, das bereits gut unterwegs ist, somit extrem schnell wachsen.

Nun aber zu einigen Wettbewerbern von Keatz! Ebenfalls in Berlin beheimatet ist Honest Food, das von Robin Steps und Sebastian Klein geführt wird. Anders als die vielen Wettbewerber kocht das Startup das Lieferessen aber nicht selbst. Honest Food schickt seine Produkte tiefgekühlt an diverse Partnerrestaurants, die sich um die Anrichtung und Auslieferung der Spiesen kümmern. Zum Unternehmen gehören Marken wie Blattgold, Baba Noni und Beste Freunde. In Frankreich etwa ist Taster mit einem ähnlichen Konzept wie Keatz unterwegs. Global Founders Capital, der Investmentarm von Rocket Internet, investierte Mitte 2018 gemeinsam mit Sunstone Capital, Thierry Gillier und LocalGlobe 4 Millionen US-Dollar in das Startup. Zuvor investierten bereits Kima Ventures und Marc Menasé in den Ghost-Restauarant-Anbieter.

Kitchen United aus den USA wiederum wird von Google Ventures unterstützt. In Indien ist seit 2011 Rebel Foods, früher als Faasos bekannt, unterwegs. Das Unternehmen, das 200 Ghost Kitches betreibt, beschreibt sich selbst als: “World’s Largest Internet Restaurant Company”. An Rebel Foods ist auch Keatz-Investor RTP Global beteiligt. Auch Sequoia Capital India investierte bereits in Rebel Foods. Die Bewertung der Foodfirma soll zuletzt bei rund 400 Millionen US-Dollar gelegen haben.

Ebenfalls kennen sollte man kitopi und cloudKitchens von Uber-Gründer Travis Kalanick. Das Unternehmen stellt anderen Firmen die Infrastruktur und Immobilien zur Verfügung, um Ghost Restaurants zu betreiben. “We are a state of the art kitchen network that cooks and delivers on behalf of other food brands. We provide the infrastructure and technology that enables food brands to open delivery only locations with minimum capital expenditure and time. We handle all your delivery orders at our network of kitchens so you can focus on running your restaurant, marketing, and product innovation”, heißt es in der Selbstbeschreibung von kitopi.

Vielleicht wird nun klar, warum Ghost Restaurants gerade so angesagt sind. Problematisch bleibt bei allen Anbietern die große Abhängigkeit von Lieferdienstvermittlern. Gerade in Deutschland sind nach dem Zusammenschluss von Lieferando, Pizza.de und Foodora kaum noch Alternativen im Markt. Auf der anderen Seite brauchen die Lieferdienstvermittler Keatz und Co. auch, um immer wieder neuen Foodtrends auf ihre Plattformen zu bringen. Ob Ghost Restaurants auch als VC-Modell taugen, muss sich auch erst noch zeigen.

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Foto (oben): Shutterstock

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.