#Interview

“Mettbrötchen und Bier statt Bio-Sandwiches und Fritz-Cola”

Vor drei Jahren gründeten Philipp Lorenz, Kai Meschede, Artem Zitzer und Sebastian-Friedrich Kowitz in Essen talpasolutions. "Im Pott ist vieles geerdet und hier werden klare Worte gesprochen – meist auch sehr direkt", sagt Mitgründer Sebastian-Friedrich Kowitz.
“Mettbrötchen und Bier statt Bio-Sandwiches und Fritz-Cola”
Freitag, 15. März 2019VonSümeyye Algan

Im August 2016 starteten Sebastian-Friedrich Kowitz, Kai Meschede, Artem Zitzer und Philipp Lorenz in Essen talpasolutions, ein Startup, das eine Software entwickelt, mit deren Hilfe Maschinen vernetzt, Daten erfasst und Erkenntnisse im Bereich der Optimierung der Maschinenleistungen gewonnen werden können. Wir haben Mitgründer Kowitz gefragt, was er über das Ruhrgebiet als Standort für Startups denkt.

Reden wir über das Ruhrgebiet. Wenn es um Startups in Deutschland geht, richtet sich der Blick sofort nach Berlin. Was spricht für das Ruhrgebiet als Startup-Standort?
Das Ruhrgebiet ist spannend und divers – hier hast Du von allem etwas! Neben den offensichtlichen strukturellen Vorteilen gibt es hier im Ruhrgebiet eine sehr interessante Kultur. Im Pott ist vieles geerdet und hier werden klare Worte gesprochen – meist auch sehr direkt. Ohne Berlin zu nahe treten zu wollen – im Pott gibt es anstatt Bio-Sandwiches und Fritz-Cola, Mettbrötchen und Bier!

Was genau macht den Reiz der Startup-Szene in Essen aus?
Der Pott ist eh und je verbunden mit der Schwerindustrie und der Energiewirtschaft. Der Pott war schon immer Magnet für verschiedene Kulturen und Herkünfte. Alte Industrieareale werden jetzt zu neuen interessanten Büros und das zu erschwinglichen Mieten. Auch ist der Pott als Lebensstandort sehr schön und interessant. Viele glauben der Pott ist eine graue Stadt mit rauchenden Schloten. Aber das ist Vergangenheit. Hier gibt es Natur, Industriekultur, Multikulti und Großstadtfeeling und vieles mehr. Einfach vorbeikommen und sich selbst einen Eindruck machen.

Was ist in Essen einfacher als im Rest der Republik?
Als Startup mit Industriefokus, hast du die wichtigsten und interessantesten Unternehmen aus Deutschland hier vor Ort ansässig. Generell gilt, der Pott sagt das was er meint. Wenn man überzeugende Angebote und innovative Lösungen vorzustellen hat, kann man hier relativ schnell ein Vertrag oder einer Kooperation mit den Unternehmen aufbauen. Weiterhin genießt man als Gründer im Pott ein hohes Ansehen, da in der Vergangenheit viele Gründer von den Weltkonzernen aus dem Ruhrgebiet stammen und jedem diese Historie bekannt ist. Ich möchte da nur einige der typischen Beispiele nennen: Deichmann, Aldi, ThyssenKrupp, Medion, etc. Damals waren diese Unternehmen nicht unbedingt als Startups bekannt, aber die Mechanismen haben sich nicht grundlegend geändert.

Was fehlt in Essen  bzw. im Ruhrgebiet noch?
Im Pott fehlt ein übergreifende Wahrnehmung von Startups. Das Thema Startups, insbesondere Startups mit einem Lösungsfokus für die Schwerindustrie sind noch nicht flächendeckend in der Gesellschaft und Industrie angekommen. Vielfach wird man als Exot wahrgenommen und weniger als ein Partner oder Lieferant auf Augenhöhe. Dies ist in der Regel aber auf die hier angesiedelten konservativen Industrien zurückzuführen. Verschiedene, teilweise von der Politik imitierte oder unterstützte, regionale und überregionale Formate, haben in der Vergeganheit bereits viel an diesem Denken geändert und werden dies auch in Zukunft vermehrt machen.

Zum Schluss hast Du hast drei Wünsche frei: Was wünscht Du Dir für den Startup-Standort Ruhrgebiet?
Zuallererst wünsche ich mir, dass die verschiedenen Städte im Pott mehr kooperieren und insbesondere gegenüber den Startups als eine Einheit auftreten. Weiterhin ist es wichtig, dass auch das Ruhrgebiet, insbesondere bei den Investoren, mehr als valider Standort für Startups, insbesondere für die Industrie, wahrgenommen wird. Als Letztes wünsche ich mir noch mehr Gründer aus dem Ruhrgebiet.

Der digitale Pott kocht – #Ruhrgebiet


Mit hunderten Startups, zahlreichen Gründerzentren und -initativen, diversen Investoren sowie dutzenden Startup-Events bietet das Ruhrgebiet ein spannendes Ökosystem für Gründer. ds, die Gründerallianz Ruhr und der ruhr:HUB berichten gemeinsam über die Digitalaktivitäten im Revier.

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Foto (oben): talpasolutions

Sümeyye Algan

Sümeyye Algan, Redakteurin bei deutsche-startups.de, mit Blick aufs Ruhrgebiet, seine Geschichten und Persönlichkeiten. Nach zwei Praktika bei der WELT in Berlin und dem WDR in Essen, arbeitete sie u.a. für den WDR und als freie Autorin für Informer Online.