Meike Haagmans im Interview

“Die Entscheidungen muss ich allein treffen”

"Die Gründung an sich war für mich überhaupt kein Problem. Und auch die ersten drei Geschäftsjahre verliefen genau nach Plan. Aber dann gab es ein einschneidendes Ereignis in meiner Unternehmensgeschichte, bei dem meine Firma kurz vor der Insolvenz stand", sagt Meike Haagmans.
“Die Entscheidungen muss ich allein treffen”
Donnerstag, 10. August 2017VonChristina Cassala

In unserem Themenschwerpunkt Sologründer beschäftigen wir uns ausführlich mit Einzelgründern, also Gründern die als Einzelperson ein Start-up hochziehen. Im Sologründer-Interview mit deutsche-startups.de spricht Meike Haagmans, Gründerin des Reisedienstes Joventour, über Preiskalkulationen, Devisentermingeschäfte und Kreativität.

Was ist die größte Herausforderung, der sich Sologründer stellen müssen?
Wer allein gründet, muss das Zeug zum Einzelkämpfer haben. Denn ohne Partner ist man in jeder Situation auf sich allein gestellt. Egal, ob es dabei um unternehmensentscheidende Themen geht oder aber auch einfach darum, Erfolge zu feiern. Solopreneure brauchen auf jeden Fall ein starkes Rückgrat – und ein gutes Netzwerk. Und wie alle Gründer: gute Nerven.

Sind Dir Fehler unterlaufen, die bei einer Teamgründung vermutlich nicht passiert wären?
Die Gründung an sich war für mich überhaupt kein Problem. Und auch die ersten drei Geschäftsjahre verliefen genau nach Plan. Aber dann gab es ein einschneidendes Ereignis in meiner Unternehmensgeschichte, bei dem meine Firma kurz vor der Insolvenz stand. Ich würde zwar nicht direkt sagen, dass ich einen Fehler gemacht habe, aber ein Partner hätte die Situation eventuell entschärften können. Im Frühjahr 2015 traf mich der Euro-Fall. Ich musste drei Jahre nach Gründung von Joventour am eigenen Leib feststellen, was es bedeuten kann, kurz vor der Insolvenz zu stehen. Und das obwohl der Umsatz in dem Jahr die sechsstellige Marke überschritten hatte und der Businessplan diesen Schritt exakt prognostiziert hatte.

Wie kam es dazu?
Joventour kauft als Reiseveranstalter seine Leistungen in US-Dollar ein und handelt anschließend in Euro weiter. Selbstverständlich plane ich in meiner Preiskalkulation ein Währungsschwankungsrisiko ein. Aber im Frühjahr 2015 fiel der Euro wie ein Meteorit vom Himmel. Als kleines Startup mit sechsstelligem Umsatz hatte ich keine Möglichkeit, meine Dollar abzusichern. Große Unternehmen mit einem Millionenumsatz können mit einem sogenannten Devisentermingeschäft Fremdwährung zu einem Fälligkeitsdatum einzukaufen und damit ihre Währung absichern. Ich hatte mit zwei Banken gesprochen und keine Chance so ein Devisentermingeschäft abzuschließen. Für mich war es ein großer Verlust, denn ich musste Joventour auf ein Minimum an Ausgaben herunterfahren und am Ende sogar noch draufzahlen. Ich habe ein wichtiges Learning aus dieser Krise mitgenommen und mich operativ entschieden, den gesamten Cash Flow über ein US-Dollar-Konto laufen zu lassen. In dieser Situation hätte ich gern einen Partner gehabt. Der Dollar wäre trotzdem gefallen, aber eventuell hätte ein Partner eine Idee gehabt, das Problem schneller zu lösen. Ich bin in der Zeit auf sehr viele Menschen zugegangen und habe mich durchgefragt. Ein Partner hätte vielleicht selbst eine passende Lösung gehabt oder aber mich dabei unterstützt, eine Lösung zu finden.

Blicken wir einmal auf die positive Seite: Was ist der größte Vorteil, den Sologründer haben?
Sein eigener Chef zu sein ist auf jeden Fall von Vorteil. Wenn ich eine Idee für einen neuen Reisebaustein habe, muss ich niemanden fragen, ob ich diesen in mein Angebot aufnehmen darf. Oder wenn ich eine Idee für eine Social Media Kampagne habe, muss diese Idee nicht erst verschiedene Instanzen oder Schreibtische durchlaufen, bis sie dann eventuell umgesetzt wird. Als Sologründer hat man auf jeden Fall Freiheiten, die man im Team nicht hat – man kann seiner unternehmerischen Kreativität freien Lauf lassen, muss allerdings auch die Konsequenzen alleine tragen.

Jetzt ein Blick auf die negative Seite: Was ist der größte Nachteil, den Sologründer haben?
Während Entscheidungsfreiheit ein absoluter Pluspunkt bei einer Sologründung ist, fehlt mir auf der anderen Seite ab und zu ein Sparringspartner. Also jemand, mit dem ich meine Ideen besprechen kann, die das Unternehmen voranbringen – oder eben auch nicht. Ich kann Entscheidungen allein treffen, muss es aber auch dann tun, wenn die Entscheidung eine schwerwiegende Wirkung für meine Firma haben kann. Für mich war von Vorteil, dass ich zeitgleich mit meiner Freundin, die ich seit der ersten Klasse kenne, gegründet habe. Wir gehen zwar unternehmerisch getrennte Wege, teilen uns seit der ersten Minute das Büro. So können wir uns bei Problemen, etwa mit Mitarbeitern oder Kunden, austauschen. Die Entscheidungen für mein Unternehmen muss ich selbstverständlich allein treffen, aber es hilft sehr, über Herausforderungen zu sprechen.

Gibt es Tools und Services, die Dir die Arbeit erleichtern?
Auf jeden Fall. Ich nutze Trello für organisatorische Themen und um den Überblick zu behalten. Zudem finde ich den Multicard-Service mit Festnetznummer von O2 sehr gut für mein Geschäftsmodell, denn Kundenanrufe können so auf verschiedenen Handys angenommen werden. Und aller guten Dinge sind drei: Für die Buchhaltung benutze ich sevDesk.

Würdest Du wieder ein Unternehmen alleine gründen?
Ja klar. Es gibt für beide Varianten Vor- und Nachteile und es ist schließlich nicht immer gerade ein passender Partner da. Bevor also jemand anders mir zuvor kommt, würde ich immer wieder allein starten.

Welchen Tipp gibst Du anderen Sologründern mit auf den Weg?
Macht es, bevor es jemand anders macht und habt keine Angst vor der Gründung. Die Gründung selbst ist das Einfachste, alles was danach kommt, ist die Herausforderung. Und seid sichtbar und vernetzt euch! Für mich war in der Krise mein Netzwerk meine Rettung. Ich habe durch mein Netzwerk die Unterstützung bekommen, die ich gebraucht habe, um gut durch die Euro-Krise zu kommen.

Aus unserem Themenschwerpunkt Sologründer: “So finden Solopreneure das passende Geschäftsmodell“, “Einzelgründer sind keine schlechten Teamplayer” und “Einzelgründer müssen nicht immer kleine Brötchen backen“.

ds-soloBuchtipp für Sologründer: Ausführliche Informationen über das große Thema Solopreneurship (in all seinen Facetten) bietet das gelungene und lehrreiche Buch Solopreneur: Alleine schneller am Ziel von Brigitte und Ehrenfried Conta Gromberg, das als Buch und EBook zur Verfüfung steht. Hier ein Auszug: “Lieber solo gründen? Drei Mythen rund um Teams“.

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Foto (oben): LynnMarieZapp

Christina Cassala

Christina Cassala, Redakteurin bei deutsche-startups.de, war schon zu ihren besten Uni- Zeiten in den 90er Jahren journalistisch tätig. Gleich nach dem Volontariat arbeitete sie bei einem Branchenfachverlag in Hamburg, ehe sie 2007 zu deutsche-startups.de stieß und seither die Entwicklungen der Start-up Szene in Deutschland mit großer Neugierde beobachtet.