Millionen für Startups

Es gibt zu wenig Geld in Deutschland! Wirklich?

Immer mehr Geldgeber legen neue Geldtöpfe auf. Immer mehr Unternehmen machen sich bereit für Investitionen in Start-ups. Wenn man meckern sollte, dann über weiter fehlende Geldgeber mit ganz großen Taschen. Es ist aber alles nur eine Frage der Zeit, bis es auch diese in Deutschland gibt.
Es gibt zu wenig Geld in Deutschland! Wirklich?
Mittwoch, 21. Juni 2017VonAlexander Hüsing

In Bezug auf die Start-up-Szene in Deutschland ist immer von einer schlechten Kapitalstruktur die Rede. Die langläufige Meinung: Es gibt zu wenig Geld in Deutschland. Für das Seed-Segment hat dies aber nie gegolten. Auch vor 10 Jahren gab es in Deutschland genug Geldgeber, um Start-ups mit niedrigen sechsstelligen Summen auszustatten. Investmentrunden mit 10 oder mehr Millionen waren damals aber selten. Inzwischen gibt es auch in Deutschland jedes Jahr dutzende Finanzierungsrunden jenseits von 10 Millionen Euro.

Und auch Investmentrunden jenseits von 100 Millionen Euro konnte man zuletzt in Deutschland erleben. Die sind aber noch selten. Wenn sich die Börse weiter als Geldkanal etablieren kann, werden auch Runden mit 100 Millionen Euro und mehr in einigen Jahren Alltag sein. Aber auch abgesehen davon, lässt sich in Deutschland eine neue Geldzeit ausmachen. Viele alte Geldgeber legten zuletzt neue Funds auf, andere bereichen die Szene.

Der Berliner Kapitalgeber Point Nine Capital legte gerade erst seinen vierten Fonds auf – drin sind 75 Millionen Euro. Point Nine ging 2011 an den Start. Nach eigenen Angaben investierte der Berliner Kapitalgeber bisher in 70 Unternehmen. Im dritten Point Nine-Fonds waren 55 Millionen, im zweiten 40 Millionen, im ersten 6-Millionen-Euro-Fonds – damals noch unter dem Dach von Team Europe. Zu den neuen Spielern im Venture Capital-Segment gehört Signal Iduna Digital Ventures. Die Versicherungsgruppe Signal Iduna, die in Dortmund und Hamburg beheimatet ist, gönnte sich gerade ein Investmentvehikel für InsurTech-Themen. Der brandneue Ableger soll in den kommenden fünf Jahren zwischen 50 und 100 Millionen Euro in Start-ups investieren.

Der Anfang März angekündigte Gründerfonds Ruhr nahm Anfang Juni endlich handfeste Formen an. Die NRW.BANK und der Initiativkreis Ruhr verkündeten gerade das First Closing für den Gründerfonds Ruhr. Zu den Geldgebern zählen unter anderem Brost-Stiftung, Evonik, innogy, RAG-Stiftung und thyssenkrupp. Die NRW.BANK ist dabei mit 15 Millionen Euro Ankerinvestor. Der Gründerfonds Ruhr investiert in Unternehmen rund um die Themen Chemie und neue Werkstoffe, Energie und Industrie, Life Sciences und Gesundheit, Logistik und Handel sowie digitale Wirtschaft.

Aus der Schweiz drängt mit dem neuen Helvetia Venture Fund ebenfalls frisches Kapital auf den Markt – speziell für junge Unternehmen aus dem InsurTech-Segment. Der Fund ist eine Tochter der gleichnamigen Schweizer Versicherungsgruppe, deren Wurzeln bis ins Jahr 1858 zurückgehen. Das milliardenschwere Unternehmen beschäftigt über 6.400 Mitarbeiter. Im Helvetia Venture Fund sind 55 Millionen Schweizer Franken, umgerechnet rund 50 Millionen Euro. Der junge Geldgeber will Start-ups aus ganz Europa unterstützen. Einen Schwerpunkt bilden dabei die Schweiz, Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich und Spanien.

Der bekannte High-Tech Gründerfonds (HTGF) legte Ende Mai seinen dritten Fonds auf. Drin sind zunächst einmal 245 Millionen Euro. 300 Millionen sollen es insgesamt werden. Ab Herbst investiert der Bonner Kapitalgeber damit bis zu 3 Millionen Euro pro Unternehmen. Zudem kann der HTGF dann auch in Startups investieren, die bis zu drei Jahre alt sind. Insgesamt verwaltet der Kapitalgeber nun rund 876 Millionen Euro. Der HTGF ist damit eine der wichtigen Säulen des Startup-Ökosystems in Deutschland.

Die NRW.BANK, die Sparkasse Paderborn-Detmold, Phoenix Contact Innovation Ventures und EnjoyVenture legten vor wenigen Woche zudem den Technologiefonds OWL auf. Ostwestfalen-Lippe umfast etwa Städte wie Bielefeld, Gütersloh und Paderborn. Die NRW.BANK und die Sparkasse Paderborn-Detmold beteiligen sich jeweils mit 6 Millionen Euro am Technologiefonds OWL, 1,2 Millionen investiert Phoenix Contact Innovation Ventures. Darüber hinaus leistet EnjoyVenture “ein signifikantes Investment”. EnjoyVenture übernimmt auch das Fondsmanagement.

Ebenfalls neu im Segment ist Vito One. Der noch junge Geldgeber investiert in der Pre-Seed- und Seed-Phase. Und zwar zwischen 50.000 und 300.000 Euro. Vito One ist nah dran an Vito Ventures, aber ein bisschen anders aufgestellt. Geführt wird Vito One von Daria Saharova. Die Geldgeberin freut sich mit Vito One in Unternehmen aus den Segmenten IoT, Energie und PropTech zu investieren. Im Portfolio von Vito One befindet sich neben Home und optionspace bereits gridX.

Mit Bitkraft Esports Ventures gibt es nun zudem auch einen Kapitalgeber für E-Sports-Unternehmen. Hinter Bitkraft stecken E-Sports-Veteran Jens Hilgers, der ehemalige Delivery Hero-Macher Markus Fuhrmann sowie der Sports- und Gaming-Experte Minard Hamilton. 18 Millionen Euro sind bereits im Bitkraft-Topf. Die erfolgreiche Spieleschmiede flaregames weiderum investiert 20 Millionen Euro in den Flare Accelerator, einen Brutkasten für Games-Macher. “Das Beteiligungsmodell ist maßgeschneidert auf Produktionen in der mittleren oder späten Entwicklungsphase”, teilte das junge Unternehmen Anfang des Jahres mit.

Der Frühphaseninvestor Project A Ventures wiederum schloss seinen zweiten Fonds Anfang dieses Jahres – drin sind 140 Millionen Euro. Weitere 40 Millionen stehen zur Aufstockung von bisherigen Investments zur Verfügung. Das Geld stammt von Otto, Springer und ProSiebenSat.1 sowie Unternehmerfamilien wie Haniel, Ravensburger und Oetker. Rocket Internet Capital Partners, das zweite Investment-Standbein von Rocket Internet, nach Global Founders Capital, ist inzwischen 1 Milliarde Dollar schwer. Der Fonds investiert in Unternehmen im Internetsektor (Early Stage- und Wachstumskapital).

Zu guter Letzt noch ein Hinweis auf Henkel Ventures. Der Dax-Konzern Henkel startete seinen eigenen VC im Frühjahr dieses Jahres. Henkel Ventures soll in den kommenden Jahren 150 Millionen in junge Start-ups investieren. Geführt wird der neue Geldgeber von Paolo Bavaj (Adhesive Technologies), Esther Kumpan-Bahrami (Beauty Care), Thomas Schuffenhauer (Laundry & Home Care) und Robert Günther (Corporate Development). In den samwerschen Reinigungsservice ZipJet investierte Henkel bereits.

Die Auflistung (die nur 2017 berücksichtigt) zeigt: Es gibt reichlich Geld für junge Start-ups. Und auch die Tickets für die Startphasen werden bei vielen Geldgebern immer größer. Wenn man meckern sollte, dann über weiter fehlende Geldgeber mit ganz großen Taschen. Geldgeber, die auch mal 25 Millionen und mehr in ein Unternehmen stecken können. Diesen letzten Schritt muss die Kapitallandschaft in Deutschland noch gehen. Es ist aber alles nur eine Frage der Zeit.

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Foto (oben): Shutterstock

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.