VC-Interview mit Grazia Equity

“Nicht beim ersten Gegenwind aufgeben”

"Wir sind ein Hybrid zwischen Business Angeln und Venture Capital-Firma und bündeln somit die Vorteile von beiden. Unsere über Jahrzehnte erlangte Expertise, sowohl als Unternehmer als auch als VC, ist eine wertvolle Unterstützung für Start-ups in vielen Bereichen", sagt Alec Rauschenbusch von Grazia Equity.
“Nicht beim ersten Gegenwind aufgeben”
Dienstag, 2. Mai 2017VonAlexander Hüsing

Der Stuttgarter Kapitalgeber Grazia Equity investiert seit 1998 in junge Unternehmen. Die Süddeutschen begeistern sich dabei für “großartige Unternehmer sowie weltverändernde Innovationen und Ideen”. Im Portfolio von Grazia befinden sich Start-ups wie B2X, Mister Spex und Smacc. Im VC-Interview mit deutsche-startups.de sprechen Geschäftsführer Alec Rauschenbusch und Jochen Klüppel, Partner, über Kontakte, Expertise und Entscheidungen.

Reden wir über Geld. Was genau reizt Euch daran, Geld in Unternehmen zu investieren?
Klüppel: Wir wollen die Zukunft aktiv mitgestalten, Innovationen begleiten und unterstützen. Besonders erfreuen uns auch Projekte mit nachhaltiger und positiver Veränderung auf unsere Umwelt und die Gesellschaft. Aber klar – die Hoffnung auf einen finanziellen Gewinn für alle Beteiligten treibt uns ebenfalls an.

Wie wird man eigentlich Venture-Capital-Geber – wie bist Du Venture-Capital-Geber geworden?
Rauschenbusch: Bei mir entstand die Begeisterung für Start-ups und Venture Capital in Amerika während meines MBA-Studiums an der Harvard Business School. Start-ups waren dort ein großes Thema, mein Interesse war sofort geweckt. Da ich schon immer große Freude an Innovationen hatte und bereits in meiner Jugend unternehmerisch unterwegs gewesen bin, war mein Weg dann schnell bestimmt.

Klüppel: Früher als Unternehmer hatte ich viele Kontakte zu Venture Capital-Firmen und war wahnsinnig fasziniert, wie wertvoll ein Wertbeitrag von einem VC für die Startups sein kann. Schnell wechselte ich die Seite und bin immer wieder begeistert von der Vielseitigkeit meines Jobs.

In der VC-Welt wird oftmals mit Millionenbeträgen hantiert, wird Dir da nicht manchmal mulmig zumute – bei diesen Summen?
Rauschenbusch: Nein! Wer große weltverändernde Weltprojekte voranbringen will, benötigt eine gewisse Menge an Kapital, um Ziele und Visionen zu erreichen. Das Geld ist meist auf mehrere Runden aufgeteilt und sichert somit eine weitere Unterstützung, wenn gewisse Ziele erreicht wurden. Somit unterstützen wir die Unternehmen nicht nur in der ersten Finanzierungsrunde, sondern noch darüber hinaus, wenn die Entwicklung positiv und vielversprechend ist.

Was sollte jeder Gründer über Euch – als VC – wissen – wie etwa grenzt Ihr Euch von anderen Investoren ab?
Rauschenbusch: Wir sind ein Hybrid zwischen Business Angeln und Venture Capital-Firma und bündeln somit die Vorteile von beiden. Unsere über Jahrzehnte erlangte Expertise, sowohl als Unternehmer als auch als VC, ist eine wertvolle Unterstützung für Start-ups in vielen Bereichen. Außerdem sind wir unabhängig, haben Verständnis für die Situation und investieren vorwiegend mit eigenem Kapital. Damit können wir schnelle und pragmatische Entscheidungen treffen.

Wie organisiert Ihr den Austausch mit Euren Portfolio-Firmen, welche Tools nutzt Ihr?
Klüppel: Im Vordergrund steht der persönliche Kontakt, über regelmäßige Telefonate bis hin zu regelmäßigen offiziellen und inoffiziellen Meetings im Rahmen der Corporate Governance der Company.

Welche Unterstützung bietet Ihr – neben Geld?
Klüppel: Wir erkennen und fördern Muster von Erfolg. Von uns bekommen die Start-ups, neben dem Geld, bei Bedarf auch individuelle Unterstützung bei Strategie und HR-Themen, wir nutzen unser Netzwerk für Kooperations- oder Kundenakquisitionsgespräche. Wir mischen uns aber nicht ins tagtägliche operative Geschäft ein.

Wie entscheidet Ihr, ob Ihr in ein Start-up investiert: Bauchgefühl, Daten, Beides oder was ganz anderes?
Klüppel: Das ist eine Mischung aus beidem. Bauchgefühl und Analytik treffen aufeinander und führen gemeinsam zur Entscheidung. Über den Lebenszyklus eines Unternehmens gewinnen dann natürlich zunehmend die Fakten an Bedeutung.

Was sollten Gründer vor Investoren niemals sagen oder machen?
Rauschenbusch: Die Liste der Dos and Dont´s ist wahnsinnig lang und ein abendfüllendes Thema. Wir haben da schon so einiges erlebt. Ein paar auserwählte Tipps haben wir dennoch: Die Gründer sollten bei der Suche nach Investoren nicht nur auf die Terms achten, sondern auch die individuellen Soft & Hard Skills der VCs einbeziehen. Außerdem ist ein absolutes No-Go mit allzu moderaten oder aber auch völlig überzogenen Ambitionen zu uns zu kommen. Das Team sollte sich als Team präsentieren und keine One-Man-Show sein. Geld sollte nicht dann erst eingesammelt werden, wenn es dringend gebraucht wird, sondern wenn die Company gut dasteht und Finanzmittel raisen kann. Die Zahlen und KPIs sollte das Team absolut im Griff haben, das Marktumfeld und der Wettbewerb genau analysiert sein. Aber trotz der vielen Regeln empfehlen wir jedem individuell zu bleiben und sich nicht zu verstellen. Masken erkennt man schnell und die Chemie muss einfach stimmen, um erfolgreich über viele Jahre zusammen zu arbeiten.

Nicht jedes Start-up läuft rund, nicht jedes wird ein Erfolg. Was macht Ihr, wenn eine Eurer Beteiligungen in Schieflage gerät?
Rauschenbusch: Wir sind es gewohnt mit Start-ups auch mal stürmische Zeiten zu durchlaufen und dabei einen kühlen Kopf zu bewahren. Dafür setzen wir uns intensiv mit dem Team und der Problemsituation auseinander, begehen Ursachenforschung und starten eine gemeinsame Maßnahmeneinleitung mit dem Management. Solang die Investmenthypothese für uns intakt ist, unterstützen wir die Beteiligung in der Regel dann auch weiterhin finanziell. Somit hat das Unternehmen auch eine Chance den Sturm zu überstehen und nicht beim ersten Gegenwind aufgeben zu müssen.

Und woran merkt Ihr, dass Ihr bei einem Start-up die endgültige Reißleine ziehen müsst?
Klüppel: Wenn keiner mehr das Telefon abnimmt. Spaß! Es gibt keine Patentlösung diesen Punkt richtig zu treffen. Meist ist man emotional an das Start-up gebunden, will weiter machen. Fremdeinschätzungen können dann hilfreich sein, die nötige Disziplinierung in diesen Situationen zu erlangen. Durch Fehler haben wir einiges gelernt und versuchen diese nicht zu wiederholen. Oft hilft es, einen Schritt zurück zu gehen und einen kühlen Verstand zu bewahren.

Gebt Ihr uns einen Einblick in Euer Anti-Portfolio – bei welchen, jetzt erfolgreichen, Firmen seid Ihr leider nicht eingestiegen?
Rauschenbusch: Wir sind sehr stolz maßgeblich als Leadinvestor eine Reihe internationaler Marktführer wie z.B. Mister Spex, Quantenna, Conergy und Statista begleitet zu haben. Die positive Investitionsentscheidung fehlte uns leider bei Transferwise, Mobileye oder auch Delivery Hero.

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Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.