Gastbeitrag von Cameron Piron

In Kanada gründen und die Welt erobern

Wir haben uns sehr bewusst für einen Standort in Ontario entschieden. Sie ist eine sehr gute Basis, gerade für innovative Unternehmen im Bereich Health. Hier finden wir hochqualifizierte Mitarbeiter, die auf Augenhöhe mit den Partnern zusammenarbeiten können.
In Kanada gründen und die Welt erobern
Dienstag, 4. April 2017VonAlexander Hüsing

Wie schafft man als Start-up eine strategische Partnerschaft mit einem globalen Equity-Riesen? Und welche Rolle spielt der richtige Standort bei der erfolgreichen Gründung? Ein Gastbeitrag von Cameron Piron, Co-Gründer und Präsident des MedTech Start-ups Synaptive Medical Inc. aus Toronto, das es binnen 4 Jahren ins Portfolio des Equity-Riesen General Atlantic geschafft hat.

Nicht stur an der Gründungsidee kleben

Wir sind bei Synaptive Medical Inc. 2012 mit einer ganz konkreten Idee gestartet: Die Planung von neurochirurgischen Operationen zu verbessern. Dafür wollten wir an einem ganz bestimmten Punkt im Planungsprozess ansetzen. Aber wir haben in der Anfangsphase durch eine tiefergehende Analyse in Zusammenarbeit mit unseren potentiellen Kunden, den Chirurgen, festgestellt, dass wir nur einen begrenzten Mehrwert schaffen, wenn wir uns auf ein einziges Glied in der chirurgischen Prozesskette konzentrieren. Um wirklich einen Nutzen zu bringen, mussten wir an mehreren Punkten gleichzeitig ansetzen. Mittlerweile entwickeln wir Lösungen über die gesamte chirurgische Prozesskette hinweg, von der Vorbereitung der Operationen bis zur postoperativen Behandlung. Das ist auch der erste Rat, den ich anderen Gründern geben möchte: Sich nicht auf die Ausgangsidee versteifen, sondern flexibel sein, den Nutzen hinterfragen und bei Bedarf die Gründungsidee ändern.

Ein Geschäftsmodell verfolgen, das die Unternehmenslandschaft nachhaltig verändert

Binnen kurzer Zeit ist Synaptive so auch für große Investoren attraktiv geworden und konnte eine strategische Partnerschaft mit General Atlantic eingehen, die auch in Snapchat, uber, Airbnb und Buzzfeed investieren. Für General Atlantic war Synaptive die erste Investition im MedTech-Bereich, auch wenn bereits in eine ganze Reihe von Wachstumsunternehmen investiert wurde, die mit ihrem Geschäftsmodell die Unternehmenslandschaft in ihrem Bereich nachhaltig verändern. In der Medizintechnik sind wir eines der wenigen Unternehmen mit diesem Profil.

Das Geschäftsmodell von Synaptive basiert auf vollintegrierten Lösungen, inklusive Software und Hardware, um Verbesserungen über die gesamte chirurgische Prozesskette hin zu erreichen. Das ist für die Branche untypisch und erfordert eine rapide Skalierung, in Nordamerika und international. Als Teil dieser Strategie bauen wir übrigens gerade unter der Leitung unseres Vice-President International, Ole Stoklund, eine Präsenz in Deutschland auf, die direkt mit deutschen Ärzten und Forschern zusammenarbeitet. Ein wichtiger Faktor bei der strategischen Partnerschaft war zudem, dass wir und General Atlantic uns schon mehrere Jahre kennen und sie unser Geschäftsmodell sehr gut verstehen. So können sie uns auch mit ihrem machtvollen Beziehungsnetzwerk über finanzielle Ressourcen hinaus beim Wachstum unterstützen.

Den richtigen Standort wählen: Für uns ist das Ontario

Wir haben uns sehr bewusst für einen Standort in der kanadischen Provinz Ontario entschieden. Sie ist eine sehr gute Basis, gerade für innovative Unternehmen im Bereich Health. Hier finden wir hochqualifizierte Mitarbeiter, die auf Augenhöhe mit den Partnern aus unserem nationalen und internationalen Netzwerk akademischer Krankenhäuser zusammenarbeiten können. Es gibt eine hochklassige medizinische Forschung, die wir nutzen können, um die Bedürfnisse unserer Partnerinstitutionen und Ärzte passgenau zu adressieren. Außerdem profitiert Synaptive von Ontarios reichem Ökosystem in den Computerwissenschaften, da Software auch bei medizinischen Geräten eine immer wichtigere Rolle spielt.

Außerdem gibt es in Ontario eine ganze Reihe von Unterstützungsprogrammen für Startups, von denen wir sehr profitiert haben. So waren wir mit Synaptive eine ganze Zeit im Inkubator MaRS Discovery District, der eine einzigartige Rolle in Ontarios Innovations-Ökosystem spielt. MaRS vereint unter einem Dach einen hochkonzentrierten Kern innovativer Life-Science-Unternehmen, denen ein ganzes Netzwerk von Beratern, Programmen und Ressourcen zur Verfügung steht, um das eigene Geschäft voranzutreiben und die eigenen Produkte schnell auf den Markt zu bringen.

Darüber hinaus gibt es auch eine intensive Unterstützung durch die nationale Regierung und die Provinzregierung von Ontario. Das reicht von direkter finanzieller Förderung für innovative Forschung über Steuergutschriften für Forschung und Entwicklung bis zu Bildungsstipendien und zur Förderung von klinischen Studien. Dank dieser Programme konnten wir zentrale Aufgaben deutlich schneller lösen und der Erfolg hat sich früher eingestellt.

Standortvorteile in allen Bereichen richtig einordnen

Ich kann Ontario deutschen Gründern sehr empfehlen, Ontario als möglichen Gründungsstandort in Betracht zu ziehen, gerade im Health- und Life-Science-Bereich. Dabei sollte man vorab aber auf jeden Fall die sehr guten, spezialisierten Beratungsinstitutionen für Start-ups kontaktieren, die potentiellen Gründern helfen, die spezifischen Vorteile des Standorts für das eigene Geschäftsmodell in den unterschiedlichen Bereichen zu verstehen und einzuordnen, auch über das eigentliche Geschäftsfeld hinaus. Das ist aus meiner Sicht ein zentraler Schlüssel, um das Potenzial eines Standortes für das eigene Unternehmen maximal auszuschöpfen.

Wer dann in Ontario investiert, sollte auf jeden Fall langfristig investieren. Die Menschen in Ontario sind leidenschaftlich, wenn es darum geht, Innovationen zu schaffen, besonders, wenn damit ein konkreter Nutzen für das Leben verbunden ist. Davon profitiert man als Unternehmen dauerhaft. Unser strategischer Partner und Investor General Atlantic versteht übrigens auch sehr gut, dass Ontario eine starke Home Base ist, um in die internationale Marktführerschaft zu wachsen. Es ist Teil unserer gemeinsamen Vision, für langfristigen Erfolg auch auf langfristiges Wachstum und Wert zu setzen.

Zur Person
Cameron Piron ist Mitgründer und Präsident von Synaptive Medical Inc. und einer der führenden Köpfe in der bildgeleiteten Chirurgie. Zuvor war er Präsident und Mitgründer bei Sentinelle Medical, einem Entwickler und Hersteller von Magnetresonanztomographie-gestützten medizinischen Bildgebungsverfahren. Cameron hat System Design Engineering sowie medizinische Biophysik in Waterloo und Toronto, Ontario, studiert. Er ist der erste Kanadier, der den „Innovator des Jahres“-Preis des US-amerikanischen R&D Magazins gewonnen hat. 2015 nahm ihn das Tech- und Business-Magazin Fast Company in die Liste der kreativsten Menschen auf.

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Foto (oben): Shutterstock

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.