Gastbeitrag von Geoffroy Dickson

Die 9 größten Fehler bei der Expansion nach Frankreich

Viele deutsche Unternehmen scheitern mit Expansions-Versuchen nach Frankreich. Sowohl Startups als auch etablierte Firmen machen relevante Fehler bei der Anpassung ihres Angebots. Hier sind die 9 größten Fehler und Tipps zu ihrer Vermeidung.
Die 9 größten Fehler bei der Expansion nach Frankreich
Donnerstag, 16. Juni 2016VonElke Fleing

Zwar werden immer häufiger französische Country Manager eingestellt, um von Anfang an alles richtig zu machen. Doch aus drei Gründen wird deren Meinung oft überhört:

Erstens sind Country Manager meist Allrounder und es fällt vielen Entscheidern in deutschen Unternehmen schwer, sich auf eine Meinung zu verlassen, die nicht von einem Experten stammt.

Zweitens erklären Franzosen nicht immer en détail, was sie alles warum machen, da diese Dinge einfach zu selbstverständlich für sie sind – ein typisches Kommunikationsproblem zwischen Deutschen und Franzosen.

Und drittens akzeptieren deutsche Geschäftsführer nur ungern, dass ihr Angebot für das Ausland angepasst werden muss, da dies natürlich mit Kosten verbunden ist.

Im Folgenden habe ich die 9 größten Fehler zusammengestellt, die deutschen Startups bei ihrer französischen Internationalisierung passieren können – inklusive unverzichtbarer Tipps, wie Sie diese Fehler umgehen.

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Franzosen essen nur Feinkost: Klischees statt Marktanalyse
Ohne eine fundierte Analyse des Markts werden Sie mit Ihrem Startup in Frankreich schnell eine Bruchlandung erleben.

Denn, Sie ahnen es: Es hilft nicht, sich auf Klischees über die Franzosen zu verlassen. Während man in Deutschland davon ausgeht, dass im Champagner-Land nebenan jeder ein Gourmet ist, erfreuen sich dort fast ebenso viele McDonalds-Filialen wie in Deutschland großer Beliebtheit.

Schlussfolgern Sie jetzt aber bitte nicht, dass Kunden aus dem Nachbarland ähnlich ticken wie jene hierzulande.

Investieren Sie lieber in eine tiefgehende Marktrecherche und leiten Sie anschließend die richtigen Maßnahmen für Ihr Produkt ab.

Frankreich über alles: Tunnel- statt Weitblick
Klar, Frankreich ist mit 65 Mio. Einwohnern ein lohnenswerter Markt für Ihr Startup. Doch wenn Sie sich schon die Mühe machen, Ihr Angebot zu übersetzen und anzupassen, warum dann nicht globaler denken?

Natürlich gilt auch hier: Analysieren Sie vorab, welcher Markt für Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung interessant ist.

In Marokko sprechen beispielsweise 10 Mio. Menschen Französisch, doch nur 4 % aller Internet-Nutzer kaufen online ein.

Belgien, die Schweiz und Luxemburg (mit 4,3, 3,6 und 0,5 Mio. Französisch-Sprechern) bergen eindeutig mehr Potential für Ihr Projekt, so dass Sie die entsprechenden Länderdomains von Anfang an in Betracht ziehen sollten.

Deutsches Recht gilt überall: Schranken akzeptieren statt Chancen nutzen
Ich möchte hier auf keinen Fall dazu aufrufen, Regeln zu brechen. Da es aber in Frankreich Möglichkeiten gibt, sich mit bestimmten Gesetzen zu arrangieren, ohne sich davon behindern zu lassen, nutzen Sie dies zu Ihrem Vorteil.

Ein großer Unterschied gegenüber Deutschland: In Frankreich ist es absolut unüblich, Wettbewerber aufgrund geringfügiger Verstöße (wie eines unvollständigen Impressums) abzumahnen.

Ein Grund dafür ist, dass die anfallenden Abmahn-Kosten nicht vom Angeklagten eingefordert werden können. Französische Behörden begnügen sich bei geringen Verstößen meist damit, Webseiten-Betreiber zur Änderung aufzufordern.

Lassen Sie daher beim französischen Markteintritt die deutsche Rechtsgrundlage hinter sich und seien Sie etwas mutiger bei der Umsetzung Ihres Projekts.

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Copy, Paste & fertig: kopieren statt anpassen
Ich verstehe, dass man für eine Internationalisierung seine Webseite zunächst 1:1 in der Zielsprache abbildet.

Doch steht die Kopie der Seite, sollten Sie sich sofort an die landestypischen Anpassungen machen.

Zwei einfache Beispiele: In französischen Adresszeilen schreibt man zuerst die Hausnummer und dann den Straßennamen (“10 Musterstraße”). Ebenso wird in französischen Telefonnummern nach der Vorwahl kein Bindestrich angezeigt und die Nummern werden als 0X XX XX XX XX und 0800 XX XX XX gruppiert.

Während es augenscheinliche, kleinere Fehler wie in diesen Beispielen gibt, können weniger offensichtliche Anpassungen einen riesigen Effekt auf Ihre Kunden haben.

In einem der ersten von mir betreuten französischen AB-Tests ersetzten wir auf der Startseite ein Produktbild, das einen Mietwagen zeigte und auf der deutschen Seite gut funktionierte. Das neu eingesetzte lächelnde Frauengesicht war sehr erfolgreich und bewies, dass Franzosen eher auf emotionale Bilder anspringen.

Wichtig: Schauen Sie bei Ihren Design-Benchmarks nicht nur auf die größten französischen Webseiten, sondern behalten Sie auch Newcomer im Auge. Letztere bilden erfahrungsgemäß die Standards des E-Commerce ab, während sich bekannte Seiten teils schon davon gelöst haben.

Gütesiegel sind das A und O: Auszeichnungen statt Kundenbewertungen
In Deutschland setzen 72 % der Webshops Gütesiegel und Auszeichnungen ein, in Frankreich sind es gerade einmal 32 %. Warum das so ist?

In Frankreich gibt es einfach keine mit dem TÜV vergleichbare Institution, das Zertifikat Webcert von AFNOR wird kaum genutzt.

Vertrauen über abgebildete Testsiege wie von FOCUS Money zu gewinnen, funktioniert wunderbar in Deutschland – doch die Franzosen setzen andere Prioritäten.

Deshalb ist es in Frankreich sehr schwierig, sein Produkt testen zu lassen. Das französische Pendant zu Stiftung Warentest, ’60 Millions de Consommateurs’, bietet noch nicht mal ein Label an.

Entwickeln Sie daher andere Strategien, um das Vertrauen Ihrer Kunden in Frankreich zu gewinnen, z. B. über Kunden-Bewertungen.

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Franzosen zahlen wie Deutsche: Überweisung statt Karten und Schecks
Hätten Sie gedacht, dass nur 5 % aller französischen Online-Kunden Überweisung als Zahlungsmittel wählen, die Mehrheit davon auch noch im B2B-Geschäft?

In Frankreich sind Kunden in einem Webshop durchschnittlich 3 bis 4 verschiedene Zahlungsarten gewöhnt. Darunter eine, die in Deutschland schon länger als Kuriosität gilt: die Zahlung per Scheck.

Auch wenn einige führende E-Commerce-Unternehmen wie FNAC Scheck-Zahlungen aufgrund von Aufwand und Betrugsmöglichkeiten nicht mehr anbieten, zahlen immer noch 5 % der französischen Online-Kunden mit Scheck.

Darüber hinaus erwarten Ihre Kunden in Frankreich neben PayPal verschiedene Möglichkeiten der Kartenzahlung. Das Online-Versandhaus La Redoute z. B. bietet Zahlung mit Visa, Mastercard, Eurocard, American Express, Carte bleue, e-Carte bleue, unternehmenseigener Karte und Geschenkkarte.

SEO & SEA zünden überall: Muffiges Marketing statt frischem Mix
Es ist natürlich verlockend, die in Deutschland funktionierenden Marketing-Strategien auch in Frankreich anzuwenden – aber nicht unbedingt erfolgreich.

Während deutsche Marketing Manager zur Kundengewinnung (fast) alles auf die SEO- und SEA-Karte setzen, erreicht man französische Kunden auch hervorragend über andere Kanäle. Oder denken Sie wirklich, es ist ein Zufall, dass Criteo als einer der größten Display-Retargeting-Anbieter aus Frankreich kommt?

Im Gegensatz zu den Deutschen als Adblocking-Meister gehen die Franzosen noch vollkommen entspannt mit Online-Werbung um.

Hinzu kommt, dass 32 % aller französischen Internet-Nutzer in den letzten sechs Monaten über Marketplaces eingekauft und E-Commerce-Seiten damit ganze 27 % ihrer Umsätze beschert haben.

Ebenso boomen in Frankreich gerade Kunden-beraten-Kunden-Tools wie ‘Click to Community’.

Gehen Sie daher bei der Erstellung Ihres Marketing-Mix für Frankreich mit viel Neugierde und Lust auf Neues vor.

Pressearbeit aus Deutschland: Fernsteuerung statt Vor-Ort-Networking
Vieles, was über Ihren Erfolg in Frankreich entscheidet, finden Sie in Paris. Dies gilt besonders für Verbindungen zur französischen Presse.

Natürlich können Sie Ihre Pressearbeit von einer Agentur erledigen lassen, aber unterschätzen Sie nicht den persönlichen Kontakt.

Fahren Sie daher regelmäßig nach Paris, um Journalisten und Presseagenturen zu treffen. Journalisten schätzen hierbei besonders Redaktionsbesuche.

Personalsuche à la Deutschland: Trainee statt Stagiaire
‘Trainee’ ist ein internationaler Begriff, dann sollte es diese Jobbezeichnung auch in Frankreich geben. Oder? Falsch, Franzosen können damit meist nichts anfangen und bewerben sich nicht.

Suchen Sie stattdessen einen ‘Praktikanten mit Aussicht auf Anstellung’ (‘Stagiaire avec possibilité d’embauche’), ist die Ausschreibung viel attraktiver.

Wundern Sie sich aber nicht über die eingehenden Bewerbungen französischer Kandidaten: Anschreiben und Lebensläufe sind in der Regel viel kürzer als in Deutschland und Lücken und kleine ‘Unwahrheiten’ sind die Norm.

Scheint ein Kandidat interessant, sichern Sie Ihren Eindruck unbedingt über ein Skype-Interview ab. Bedenken Sie auch, dass Sie von einem guten Praktikanten zwar vieles, aber nicht alles erwarten können. Eventuell lohnt es sich, für bestimmte Aufgaben punktuell einen Berater zu kontaktieren.

Zur Person
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Der gebürtige Franzose Geoffroy Dickson berät mit seiner jahrelangen Erfahrung als Country Manager sowohl Startups als auch gestandene Unternehmen bei ihrer Expansion nach Frankreich. Mit France ID Consulting fokussiert er sich dabei auf alle wichtigen Aspekte einer Internationalisierung: von unverzichtbaren Grundlagen über zündende Strategien bis hin zu reibungslosen Geschäftsabläufen.

Foto: Eiffel tower, Paris. France from Shutterstock

Elke Fleing

Elke Fleing aus Hamburg liefert Texte aller Art, redaktionellen Content und Kommunikations-Konzepte. Sie gibt Seminare, hält Vorträge und coacht Unternehmen. Bei deutsche-startups.de widmet sie sich vor allem Themen und Tools, die der Erfolgs-Maximierung von Unternehmen dienen.