Gastbeitrag von Andreas Fischer

Die Retoure, die beste Freundin des Online-Handels

Ab dem 13. Juni 2014 müssen Online-Käufer die Kosten für die Rücksendung bestellter Waren selbst tragen. Bei hohen Retourenqouten klingt das für die Shops zunächst nach einer Kostenersparnis. Aber ist es das wirklich ein Vorteil oder werden Rückporto-Kosten gar zum Wettbewerbsfaktor?
Die Retoure, die beste Freundin des Online-Handels
Donnerstag, 12. Juni 2014VonChristina Cassala

Wenn am 13. Juni die neue EU-Richtlinie zum Fernabsatz in Kraft tritt, die die Rechte von Verbrauchern europaweit vereinheitlichen soll, wird sich das Online-Einkaufsverhalten von deutschen Kunden verändern. Oder nicht? Onlinehändler sollten im Zuge der neuen Regelungen genau überlegen, wie sie die Neuerungen nutzen oder nicht. Gastbeitrag von Andreas Fischer von Modomoto.

Neue Regelung könnte Kunden verprellen

Die Regelungen ermöglichen es den E-Commerce-Unternehmern, Retourekosten auf den Kunden abzuwälzen. Interessant aus Sicht der Händler. Shops sollen so vor immensen Kosten geschützt werden. Aber genauso interessant ist eine Sicht auf den Kunden. Denn mit der Änderung eröffnet sich neues Potential und gleichzeitig ein Risiko für die Kundenbindung, will man den Käufer durch die neuen Retourekosten nicht verprellen: Bislang konnte der Kunde nur für die Übernahme der Kosten einer Rücksendung eines Warenwerts unter 40,01 Euro belangt werden.

Jetzt trägt der Käufer, wenn der Händler es deklariert, immer die alleinige Verantwortung und Gebühren für den Rücktransport – egal in welcher Höhe der Einkauf getätigt wurde. Die Entscheidung darüber obliegt dem Händler. Das Retourenthema nimmt daher eine emotionale Ebene ein, es scheidet die Händlerwelt in die, die mit und die, die gegen den Kunden denken.

Onlineshopping hat viele Vorteile für die Kunden

Natürlich sind Retourekosten ein Ärgernis für die meisten Onlinehändler, aber wie ärgerlich ist erst ein unzufriedener Kunde oder jener, der gar nicht erst wiederkehrt in den virtuellen Laden?
Onlineshopping ist bequem, das ist sein großer Vorteil gegenüber dem stationären Handel. Zugegeben, kostenlose Retouren machen Onlineshopping noch komfortabler. Kein Wunder also, dass freies Retournieren für den deutschen Onlinekäufer heute dazu gehört, wie Umkleidekabinen in jeder noch so kleinen Mode-Boutique. Dafür möchte eigentlich niemand extra zahlen, sich auch nicht damit beschäftigen und erst Recht nicht belasten. Onlineshopping sollte diese Komfortzone des Kunden aufrechterhalten.

Händler können über Retourenporto selbst entscheiden

Auch mit der neuen EU-Richtlinie können Händler immer noch selbst entscheiden, wie sie verfahren wollen. Im schlimmsten Fall nehmen sie sich jedoch eben jene Vorteile gegenüber dem stationären Handel, die den Onlinehandel so erfolgreich gemacht haben: den Komfort während des Zusammenklickens von Warenkörben zu jeder Uhrzeit und die Zustellung der Ware bis zur Haustür bei jedem Wetter. Bevor der Kunde nun eine schnelle Kaufentscheidung trifft, überkommt ihn die Bürokratie der neuen Verordnung.

EU-Recht schützt nicht vor unzufriedenen Kunden

Es gilt die AGBs zu recherchieren und nach den Punkten „Rückgaberecht“ und „Widerrufsrecht“ zu suchen. Hier macht der Händler mögliche Kosten kenntlich. Entscheidet sich der Kunde für den Kauf und ist nach Erhalt der Ware innerhalb der 14-tägigen Frist doch nicht zufrieden, muss er seinen Kaufwiderspruch rechtzeitig erklären. Schriftlich oder mündlich, je nachdem, was Mehraufwand bedeutet. Das war einmal einfacher, vor dem 13. Juni 2014.

Wieso es sich also für Onlinehändler lohnt Retouren doch weiterhin auch bei größeren Warensummen kostenlos anzubieten und sich die EU-Richtlinie nicht zu Nutze machen? Die Stichworte sind „Kundenzufriedenheit“ und „langfristige Kundenbindung“. Dies sind keine leeren Worthülsen, sondern die wahren Werte in dieser Diskussion. Das EU-Recht schützt Onlineshops nun vor hohen Logistikkosten, aber nicht vor unzufriedenen, abwandernden Kunden.

Retouren gehören dazu

Online-Geschäftsmodelle sollten ihren Kunden nicht aus den Augen verlieren. Erst recht nicht im aktuellen Fall, bei der Beurteilung des Für und Wider von Retourekosten. Die kostenfreie Retoure gehört im Onlinehandel schlichtweg dazu. Das Denken vom Kunden aus, von seinen Bedürfnissen und seinen Ansprüchen beim Warenkauf, eröffnet spannende Ausrichtungen von Geschäftsmodellen und das fernab der sogenannten „Retouren-Problematik“, die die Schlagzeilen zum E-Commerce derzeit dominiert.

Rücksendungen zum eigenen Vorteil nutzen

Curated Shopping etwa sieht in Retouren ohnehin kein Problem. Es ist ein Weg, Rücksendungen zum eigenen Vorteil zu nutzen, nämlich den individuellen Kunden immer besser kennenzulernen und letztlich Produkte für ihn auszuwählen, die genau zu ihm passen, ihm wirklich gefallen und die er behält. So bestellt er keine zwei, drei Größen einer Hose, damit eine hoffentlich passt und muss sich auch keine Artikel „Auf gut Glück“ in seinen Warenkorb legen. Beiden Seiten bleibt die Retoure so langfristig erspart.

Es sind eben solche Modelle, denen die Zukunft des Handels gehört, da sie den Komfort des Kunden, auch in Sachen Retoure, als oberste Priorität wahren. Das bedeutet es, mit dem Kunden zu denken.

Zur Person:
Andreas Fischer ist Geschäftsführer von Modomoto, dem ersten und größten Curated Shopping Service in Deutschland und Österreich. Seit 2011 befreit das Berliner Unternehmen shoppingmüde Männern vom stressigen Kleiderkauf. Nach seiner Tätigkeit als Marketing Manager bei den damals rasant wachsenden VZ-Netzwerken, setzte sich Andreas Fischer bei der Bertelsmann Tochter Arvato mit E-Commerce-Themen auseinander. Modomoto führt er gemeinsam mit Gründerin Corinna Powalla.

Foto: young delivery man at work in a classic warehouset from Shutterstock

Christina Cassala

Christina Cassala, Redakteurin bei deutsche-startups.de, war schon zu ihren besten Uni- Zeiten in den 90er Jahren journalistisch tätig. Gleich nach dem Volontariat arbeitete sie bei einem Branchenfachverlag in Hamburg, ehe sie 2007 zu deutsche-startups.de stieß und seither die Entwicklungen der Start-up Szene in Deutschland mit großer Neugierde beobachtet.