Offline! “Die Verkaufssau hat gefehlt” – das Ende von want2do

Über das Scheitern des eigenen Unternehmens zu sprechen, ist nicht einfach. Zahlreiche Gründer, die in den vergangenen Jahren gescheitert sind, haben wir angefragt – aber nur wenige wollten uns überhaupt Rede und Antwort […]

Über das Scheitern des eigenen Unternehmens zu sprechen, ist nicht einfach. Zahlreiche Gründer, die in den vergangenen Jahren gescheitert sind, haben wir angefragt – aber nur wenige wollten uns überhaupt Rede und Antwort stehen. Nur drei Gründer haben uns begeistert zugesagt, über dieses persönliche Thema zu sprechen. Damit wollen sie dazu beitragen, das Thema Scheitern von all den negativen und schambeladenen Assoziationen zu befreien, die ihm in Deutschland noch immer anhaften. Matthias Riedl (Kazzong), Marius Neumann (Lama Games) und Daniel Thomaser (want2do) berichten in unserer neuen Reihe Offline! von einer sehr schwierigen Zeit in ihrem Gründerleben.

“Die Verkaufssau hat gefehlt” – das Ende von want2do

“Wir sind sehr idealistisch rangegangen”, gibt Daniel Thomaser zum Scheitern seines Start-ups zu Protokoll. Gemeinsam mit Michael Bohmeyer schickte er im Sommer 2008 die Plattform want2do ins Netz. Mit want2do wollten sie eine Plattform für Vorhaben und Ziele schaffen, die noch nicht konkret zu Ende gedacht sind. Nutzer sollten in “Lebens-to-do-Listen” darüber berichten, was sie in Zukunft tun wollen und Gleichgesinnte für diese Projekte finden. Andererseits konnten sich die Nutzer in der Community Anregungen für eigene Vorhaben holen. Ein Investor war schnell gefunden: der Kontakt zur AKD Private Equity AG von André Kolbinger (wallstreet-online) bestand bereits aus einem früheren Projekt. Trotzdem mussten die beiden Gründer im März das Aus ihres Unternehmens verkünden. Sich dies einzugestehen, zog sich für Thomaser über einen längeren Zeitraum hin. Er vergleicht es mit dem Aus einer Beziehung. Da sei schon eine Ahnung gewesen, bevor das wirkliche Aus da war, gleichzeitig aber noch Hoffnung. Als die Entscheidung fiel, war ihm noch eines wichtig: “richtig” aufzuhören. “Wir sind nicht insolvent gegangen sondern haben noch alle Mitarbeiter und Gläubiger ausgezahlt. Dann haben wir die Firma abgemeldet”, erzählt er. Ein schwieriger Prozess, denn die Plattform war kein Nebenprojekt, die eigene Existenz hing daran. Andererseits sei trotz des persönlichen Scheiterns endlich eine große Last von den Schultern gewichen: “Vorher hatte ich 24 Stunden am Tag den Gedanken im Kopf: Macht es überhaupt Sinn mit want2do weiterzumachen?”

Jetzt, nur wenige Monate nach dem Aus, spricht Thomaser bereits davon, dass er diese Erfahrung nicht missen möchte. Zuletzt machte er “dies und das”: Er managte die Tour von BerlinLOOPBrasil, wirkte an der Produktion eines Werbespots mit. Aktuell betreut er als freier Mitarbeiter den Relaunch eines Game-Portals. Womit er danach seine Brötchen verdienen wird, weiß er noch nicht – was ihn aber nicht stört. Vielleicht stehe sogar eine neue Gründung an. Auf jeden Fall habe er im vergangenen Jahr mehr Gelassenheit gelernt. Mit seinem Scheitern, das er auch selbst so bezeichnet, geht er überraschend positiv um. Er findet es schade, dass dies so ungewöhnlich ist: “Warum wird in Deutschland so beschämt mit diesem Thema umgegangen? Das gehört zum Leben dazu!” Verhandlungen, tausende Gespräche und seine persönliche Weiterentwicklung sind ihm zu einer “unschätzbaren Erfahrung” geworden – mehr, als er als Angestellter jemals hätte lernen können.

“Auf jeden Fall hätten wir mehr in Werbung investieren sollen”

Warum want2do letztlich gescheitert ist, findet Thomaser nach wie vor schwierig zu beantworten. Die Nutzermasse habe gefehlt. Aber warum? “Auf jeden Fall hätten wir mehr in Werbung investieren sollen. Da waren wir eindeutig zu brav, haben uns nicht hartnäckig genug um Präsenz in Mainstream-Medien bemüht und wir hätten vielleicht mit einer PR-Agentur zusammenarbeiten sollen.” Auch konzeptionell sei nicht alles gut gelaufen. Die Einstiegshürden hätte man geringer halten können, auf Dinge wie ausführliche Anmeldung und viele Features erst einmal verzichten sollen. Außerdem habe das Ideal der Plattform nicht mit der Realität übereingestimmt. “Der Durchschnittsuser bringt eben relativ profanen Content wie ‚Ich will Schatzi ans Blumengießen erinnern’. Sinnvolle Inhalte hätten wir mehr fördern müssen.” Eigentlich hätte Thomaser Lust gehabt, mit diesen Erfahrungen noch einmal eine verbesserte Version von want2do zu starten. Dafür war am Ende aber weder Zeit noch Geld übrig. Auch wenn dem Gründungsduo von Beginn an klar war, dass finanzielle Unabhängigkeit notwendig ist, so haben sie doch versäumt, sich konsequent danach zu richten. Sie schlossen beispielsweise unnötig teure Serververträge ab, die nicht auf die reale Situation, sondern auf ein optimistisches Zukunftsszenario ausgelegt waren. Aufgrund der “ständig tickenden Kostenuhr” rät Thomaser jungen Gründern, so schnell wie möglich einen Prototypen rauszubringen. Ein typischer Gründerfehler sei, immer fünf Schritte weiter zu denken und zu lange mit dem Start zu warten. Außerdem hätten sie das meiste Geld in externe Programmierer gesteckt – ein Fehler. “Man muss unbedingt ein Team haben, in dem alles abgedeckt ist!” Neben dem Programmierer habe auch die “Verkaufssau” gefehlt: “Wir waren zu idealistisch und haben die Monetarisierung eher als unangenehmen Teil der Arbeit empfunden”. Geld wollten sie mit zielgerichteter Werbung und verschiedenen Kooperationen verdienen.

Thomaser und Bohmeyer waren beide 23, als sie want2do gründeten. Als Jungunternehmer mussten sie schnell lernen, sich in der “Erwachsenenwelt” zu behaupten und mit Branchengrößen auf Augenhöhe zu verhandeln. “Die Selbstsicherheit muss man sich künstlich herbeirufen wie ein Schauspieler! Das entspricht nicht dem deutschen Naturell, muss aber antrainiert werden.” Am besten solle man mit so vielen Menschen wie möglich über die eigenen Idee quatschen und heraushören, wie sie darauf reagieren. Die Angst vieler vor Ideenklau findet er absurd: “Wenn du gut bist, bist du eh besser als die anderen. Wenn nicht, dann lass es!” Und: “Sei nicht nur zu 99 % von deiner Idee überzeugt!” Thomaser fand seine Idee zwar toll, er hatte aber nicht das Gefühl, dass want2do das Nonplusultra ist, bei dem keiner anders kann, als mitzumachen. Sollte er noch einmal gründen, würde er nur eine Idee umsetzen, von der er absolut überzeugt ist.

Artikel zum Thema:
* want2do verwaltet Wünsche
* want2do gibt auf

Gestern in der Offline!-Reihe: Marius Neumann über das Aus von Lama Games
Vorgestern in der Offline!-Reihe: Matthias Riedl über das Aus von Kazzong

Yvonne Ortmann

Seit Mai 2009 schreibt Yvonne für deutsche-startups.de Gründerportraits, Start-up-Geschichten und mehr – ihre besondere Begeisterung gilt Geschäftsideen mit gesellschaftlich-sozialer Relevanz. Sie tummelt sich auch im Ausland – immer auf der Suche nach spannenden Gründerpersönlichkeiten und Geschäftsideen.