Beteiligungsvertrag


Beteiligungsvertrag

1. Begriff: Wenn einer jungen Unternehmung (Start-up), oder auch einer bereits etablierten Unternehmung zur Finanzierung von größeren, risikobehafteten Investitionen neues Kapital gegen Einräumung einer Beteiligung, d.h. in Form von Eigenkapital überlassen wird, geht dem i.d.R. der Abschluss eines oftmals sehr umfangreichen Beteiligungsvertrags voraus. Dieser Vertrag definiert zusammen mit gesetzlichen Bestimmungen die gegenseitigen Rechte und Pflichten des Kapitalgebers (oder auch mehrerer Kapitalgeber, die als Syndikat auftreten), der Unternehmensgründer und evtl. weiterer Beteiligter (z.B. des Managements). Als Kapitalgeber in der Gründungsfinanzierung treten neben den Gründern und ihnen nahestehenden Personen (Friends and Family) insbesondere Business Angels, Venture Capital-Gesellschaften oder andere Private Equity-Investoren auf. Die durch den Beteiligungsvertrag definierten Rechte und Pflichten gilt es so zu gestalten, dass eine Kapitalüberlassung (ein Investment) für den Kapitalgeber attraktiv erscheint, gleichzeitig die übrigen Beteiligten nicht übervorteilt werden, und zudem effiziente zukünftige Entscheidungen in der Unternehmung und im Rahmen zukünftiger Finanzierungsrunden unterstützt werden. Im Hinblick auf die Art der einzelnen Vertragsbestandteile kann zwischen unmittelbar zahlungsbezogenen Vertragsklauseln und nur mittelbar zahlungsbezogenen Klauseln unterschieden werden. Unmittelbar zahlungsbezogene Klauseln wirken sich direkt auf die Aufteilung laufender Erträge und eines evtl. Erlöses aus einer späteren Veräußerung des Unternehmens (sog. Exit) aus, während die mittelbar zahlungsbezogenen Klauseln, kurz als Kontrollrechte i.w.S. bezeichnet, die Einflussmöglichkeiten der Vertragsparteien auf die Geschäftspolitik und somit den Wert des Unternehmens definieren. Diese dienen damit letztlich ebenfalls dem Zweck, Vermögenspositionen zu gestalten und zu sichern. Durch die Gesamtheit der finanziellen Klauseln wird die Kapitalstruktur i.w.S. definiert.

2. Bestimmung der Beteiligungsquote: Ein Beteiligungsvertrag basiert auf der sog. Pre-Money-Bewertung. Dies ist der Wert, der der Unternehmung unmittelbar vor der Bereitstellung zusätzlichen Kapitals durch den Kapitalgeber zugemessen wird. Addiert man die Investitionssumme (die Einlage des Kapitalgebers) hinzu, gelangt man zu der sog. Post-Money-Bewertung. Die Bewertung der Unternehmung determiniert die Beteiligungsquote, die dem Kapitalgeber mindestens einzuräumen ist.

3. Bestandteile eines Beteiligungsvertrags: Typischerweise enthält ein Beteiligungsvertrag aber nicht nur eine Angabe zu der Beteiligungsquote, sondern eine Vielzahl weiterer Vereinbarungen. Z.B. kann dem Kapitalgeber ein Liquidationsvorrecht eingeräumt werden. Dieses sichert ihm einen bevorzugten Zugriff auf den Erlös, der bei der Auflösung oder dem Verkauf des Unternehmens – in Teilen, als Ganzem oder im Zuge eines Asset Deals – anfällt (d.h. bei einem sog. Exit). Von dem erzielten Verkaufserlös muss dann zunächst eine Zahlung an den Kapitalgeber geleistet werden, die i.d.R. ein bestimmtes Vielfaches der Investitionsauszahlung darstellt. Üblich sind hierbei Multiplikatoren zwischen eins und drei. Erst wenn die Vorrechtszahlung vollständig befriedigt ist, partizipieren die übrigen Anteilseigner am Exiterlös. Im Vergleich zu einem einfachen Eigenkapitaltitel verbessert sich durch ein Liquidationsvorrecht c.p. die Vermögensposition des VC-Gebers, da er relativ stärker an geringen Exiterlösen partizipiert. Bei gleicher Investitionssumme kann somit die Beteiligungsquote verringert werden. Einen ähnlichen Effekt hat die Vereinbarung einer Vorzugsdividende. Dies sichert dem Kapitalgeber eine bevorzugte Zahlung zu, die i.d.R. einer Verzinsung von 6% p.a. bis 15% p.a. der Investitionssumme entspricht. Da jedoch laufende Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen die Liquidität strapazieren, ist die Dividende zumeist erst im Exitfall aus dem Veräußerungserlös zu zahlen, und zwar bevor andere Liquidationsvorrechte befriedigt werden. Damit wirkt eine Vorzugsdividende wie ein zeitabhängiges Liquidationsvorrecht. Da die Position des Kapitalgebers durch weitere Kapitalaufnahmen in zukünftigen Finanzierungsrunden geschädigt werden kann, finden sich im Beteiligungsvertrag zumeist auch auf diese Gefahr abstellende Regelungen. Dazu gehören z.B. eine Anti-Dilution-Klausel (Verwässerungsschutz) und Bezugsrechte. Eine Anti-Dilution-Klausel sichert dem Kapitalgeber das Recht zu, den gezahlten Preis für seinen Anteil nachträglich zu reduzieren, falls eine weitere Finanzierungsrunde zu einem niedrigeren Preis je Anteil durchgeführt wird. Dies wird z.B. dadurch erreicht, dass der VC-Geber weitere Aktien zum Nominalwert erwirbt, und somit der Durchschnittspreis je Aktie sinkt. Ein Bezugsrecht sichert dem Kapitalgeber das Recht zu, an allen zukünftigen Finanzierungsrunden bzw. bei jeder Ausgabe von neuen Eigenkapitalanteilen oder in Eigenkapitalanteile wandelbaren Wertpapieren pro rata teilnehmen zu dürfen. Hierdurch ist sichergestellt, dass der Kapitalgeber sich gegen eine Verwässerung seiner Vermögens- und Stimmrechtsposition schützen kann. Neben den bisher genannten, unmittelbar zahlungsbezogenen Regelungen im Beteiligungsvertrag sind die darin enthaltenen Vereinbarungen zu den Kontrollrechten (i.w.S.) des Kapitalgebers nicht minder bedeutsam. Dazu gehören insbesondere Informationsrechte, Zustimmungsrechte, das Recht, an der Auswahl des Managements mitzuwirken, einen Sitz im Aufsichtsrat oder einem vergleichbaren Kontrollgremium beanspruchen zu dürfen u.v.m. Durch die Vereinbarung spezieller Informationsrechte, die über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehen, wird das Unternehmen verpflichtet, die Investoren umfangreich über seine Geschäftstätigkeit zu informieren. Werden im Beteiligungsvertrag Zustimmungsrechte vereinbart, darf die Unternehmensleitung bestimmte Geschäfte nur mit Zustimmung der Kapitalgeber tätigen. Üblicherweise sind dies die Aufnahme von größeren Krediten, die Gründung von Tochtergesellschaften, die Änderung eines Mitarbeiteroptionsplans, die Ausgabe von weiteren Eigenkapitaltiteln und ähnliche Transaktionen. Um das Investitionsrisiko für den Kapitalgeber zu begrenzen, kann er dem Unternehmen die Investitionssumme in Teilbeträgen auszahlen. Dabei wird die Auszahlung weiterer Teilbeträge vom Erreichen im Voraus zu definierender Meilensteine abhängig gemacht. Erreicht das Unternehmen diese nicht, ist der Kapitalgeber nicht mehr verpflichtet, die verbleibenden Teilbeträge (Tranchen) zu überweisen. Dieses sog. Tranching weist große Ähnlichkeiten mit der Stufenfinanzierung auf. Allerdings bietet es den Vorteil, dass keine neue Finanzierungsrunde mit den damit verbundenen Kosten notwendig ist. Während das Tranching in Europa weitverbreitet ist, ist es in den USA unüblich.

4. Finanzierungsprobleme und Funktion des Beteiligungsvertrags: Die genannten und weiteren Bestandteile eines Beteiligungsvertrags dienen in ihrer Gesamtheit dazu, die beiden fundamentalen Probleme der Finanzierung von Unternehmen, die bei der Unternehmensgründung besonders stark ausgeprägt sind, zu lösen. Zum einen ist es für potenzielle Kapitalgeber schwer, die Qualität und damit den zu erwartenden zukünftigen Wert einer Unternehmung einzuschätzen. Das Management hingegen ist a priori besser über die Vermögensposition der Unternehmung, das vorhandene Know-how, das eigene Wettbewerbspotenzial etc. informiert. Aufgrund dieser Informationsasymmetrie besteht für den Kapitalgeber prinzipiell die Gefahr, ein für ihn nachteiliges Investment einzugehen. Infolgedessen kann es zu einem Marktversagen kommen, dergestalt, dass gar kein Beteiligungskapital bereit gestellt wird (Adverse Selection-Problem). Um den Kapitalgeber von der Vorteilhaftigkeit einer Kapitalbereitstellung zu angemessenen Konditionen zu überzeugen, muss die Informationsasymmetrie überwunden, zumindest aber reduziert werden. Dazu dient einerseits das Screening der Unternehmung im Rahmen der Due Diligence, die Prüfung des Business Plans und die Einholung aller verfügbaren und überprüfbaren Informationen. Des Weiteren dienen die vom Unternehmen abzugebenden Garantieversprechen und die Verpflichtung zur Offenlegung von Informationen diesem Zweck. Nicht zuletzt können das Management und die bisherigen Gesellschafter der Unternehmung aber auch durch ihre Zustimmung zu spezifischen Regelungen im Beteiligungsvertrag ihr Vertrauen in den Erfolg der Unternehmung signalisieren. Insbesondere bei Vereinbarung von Liquidationsvorrechten und Vorzugsdividenden zugunsten des Kapitalgebers partizipiert dieser überproportional bei schlechter Entwicklung des Unternehmens. Wenn sich Management und Altgesellschafter darauf einlassen, signalisieren sie ihr Vertrauen in eine positive Entwicklung. Zum anderen besteht die Gefahr, dass bei den Entscheidungen der Unternehmungsleitung die Erzielung einer ausreichenden Rendite auf das eingesetzte externe Beteiligungskapital vernachlässigt wird (Moral Hazard-Problematik). So könnte z.B. die Gefahr bestehen, dass sich ein Unternehmensgründer mit naturwissenschaftlich/technischem Hintergrund nach der Kapitalüberlassung zu sehr um weitere Forschung als um die Weiterentwicklung und Markteinführung eines vorhandenen Produkt-Prototyps kümmert. Um ineffiziente Entscheidungen in der Unternehmung verhindern zu können, ist der Kapitalgeber auf Kontroll- und Mitwirkungsrechte angewiesen.

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