15 Fragen an Marta Krupinska von Azimo

“Mit 20 habe ich mein erstes Unternehmen gegründet”

Jeden Freitag beantwortet ein Gründer oder eine Gründerin unseren standardisierten Fragebogen. Der Fragenkatalog lebt von der Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Fragen, die alle Gründerinnen und Gründer beantworten müssen – diesmal antwortet Marta Krupinska von Azimo.
“Mit 20 habe ich mein erstes Unternehmen gegründet”
Freitag, 3. Juni 2016VonChristina Cassala

Was bedeutet es Ihnen, Ihr eigener Chef zu sein?
Ich kann mir nicht anders vorstellen. Mit 20 habe ich mein erstes Unternehmen gegründet, das ich schließlich verkauft habe als ich 2012 nach Großbritannien gezogen bin. Das Beste am Gründen ist, dass man mit einer Idee oder einem Problem startet und daraus ein tragfähiges Unternehmen mit talentierten Menschen wächst.

Bei welcher Gelegenheit kam Ihnen die Idee zu Ihrem Start-up?
Die ursprüngliche Idee Azimo zu gründen, kam von meinem Mitgründer Michael Kent, der bereits den Offline Geldtransfer-Anbieter „Small World Financial Services“ gegründet hat. Er hat die zunehmende Bedeutung mobiler und sozialer Technologien – vor allem für Migranten – erkannt und beschloss, dass es einen einfacheren Weg geben muss, um Geld ins Ausland zu verschicken. Dazu kommt meine persönliche Erfahrung beim Versand von Geld in meine Heimat Polen, wo ich oft horrende Kosten in Kauf nehmen musste. Das alles führte zu der Idee Azimo aufzubauen.

Heute, vier Jahre später, hat Azimo das weltweit größte digitale Geltransfer-Netzwerk und unterstützt eine halben Million Menschen mit unserer Plattform Geld in die Heimatländer zu schicken – zu einem Bruchteil der Kosten, die Offline-Anbietern häufig verlangen.

Woher stammte das Kapital für Ihr Unternehmen?
Ursprünglich wurden wir von Business Angels und engen Freunden und Angehörigen finanziert. Die erste institutionelle Finanzierung erhielten wir von e.ventures – einem globalen Venture Capital-Investor aus Deutschland. Wir arbeiten eng mit deren Geschäftsführer und Mitgründer Andreas Haag und dem ehemaligen CMO von Rocket Internet Luis Hanemann zusammen, die beide auch Mitglieder unseres Boards sind. Insgesamt haben wir bislang über 30 Millionen US-Dollar in zwei Finanzierungsrunden eingeworben.

Was waren bei der Gründung Ihres Start-ups die größten Stolpersteine?
Die Aufmerksamkeit. Mehr als 90 % aller Geldtransfers werden nach wie vor offline durchgeführt. Unsere größte Herausforderung ist es deshalb unseren potenziellen Kunden klarzumachen, dass es eine bessere Alternative gibt. Wir wollen sie überzeugen, dass der Geldversand per Internet zuverlässig, sicher, reguliert (TÜV-zertifiziert), und schneller und günstiger als bei Offline-Anbietern ist.

Was würden Sie rückblickend in der Gründungsphase anders machen?
Manchmal erreicht man mit weniger mehr. Man sollte auch mal durchatmen und sich auf die zunächst vorrangigsten Aufgaben konzentrieren. Es ist auch wichtig nicht in die Burnout-Falle zu tappen. Das Unternehmen und dein Team verlassen sich schließlich darauf, dass du den Laden am Laufen hältst.

Jedes Start-up muss bekannt werden. Welche Marketingspielart ist für Sie besonders wichtig?
Für uns war ein kombinierter Ansatz am Erfolgreichsten: Offline, Online und direkte Interaktion mit unseren Kunden, um die Mundpropaganda in Gang zu bringen. Unsere treusten Kunden sind diejenigen, die durch Freunde oder Familie zu uns gekommen sind.

Welche Person hat Sie bei der Gründung besonders unterstützt?
Meine Mitgründer und Geschäftspartner, die seit dem Start unseres unglaublichen Wegs an meiner Seite sind.

Welchen Tipp geben Sie anderen Gründern mit auf den Weg?
Geht Risiken ein. Warum? Weil ihr am Anfang nichts zu verlieren habt. Scheitern ist keine Niederlage, sondern die Chance zu lernen, wie man es beim nächsten Mal besser macht. Sorgt dafür, dass ihr euch hohe Ziele steckt, schnell lernt und flexibel handelt.

Sie treffen den Bundeswirtschaftsminister – was würden Sie sich für den Gründungsstandort Deutschland von ihm wünschen?
Als Erstes würde ich ihm die zahllosen Gründe für ein geeintes Europa vor Augen führen. Es ist an der Zeit, eine Welt mit weniger Grenzen zu schaffen – anstatt neue zu errichten.
Dann würde ich mehr Initiativen zur Unterstützung von Tech-Startups anregen. Deutschland steht, trotz seiner wirtschaftlichen Stärke, bei der Einführung digitaler Dienstleistungen und vor allem dem Vertrauen in Online-Finanzdienstleistungen immer noch hinter Großbritannien zurück.

Was würden Sie beruflich machen, wenn Sie kein Start-up gegründet hätten?
Meine Leidenschaft sind soziale Themen und Herausforderungen, daher würde ich bestimmt für ein Unternehmen arbeiten, das gesellschaftliche Probleme anpackt und damit die Welt ein kleines Stück besser macht.

Bei welchem deutschen Start-up würden Sie gerne mal Mäuschen spielen?
Soundcloud. Wegen meiner Liebe zur Musik und ihrem internationalen Erfolg. Sie sind ein Aushängeschild dafür, wie man es als europäisches Startup in den USA schaffen kann. Zudem bin ich ein großer Fan ihres Angebots und ziehe es momentan anderen Musikstreaming-Diensten vor.

Sie dürften eine Zeitreise unternehmen: In welche Epoche reisen Sie?
Ich würde in die 1920er reisen. Das war eine echt revolutionäre Epoche: Für die Mode, die Musik und vor allem für die Frauenbewegung. Gemeinsam mit Emmeline Pankhurst wäre ich für die Einführung des Frauenwahlrechts auf die Straße gegangen.

Sie haben eine Million Euro zur persönlichen Verfügung: Was machen Sie mit dem ganzen Geld?
Ich würde das Geld in vielversprechende soziale Projekte oder Startups investieren. Und ich würde einen langen Urlaub machen – ich glaube, jeder Gründer weiß, wie schmerzlich man das vermisst.

Wie verbringen Sie einen schönen Sonntag?
Ich pendele viel zwischen Polen und London hin und her, so dass die Woche oft sehr hektisch ist. Deswegen sind Sonntage meine Tage zum Entspannen. Zum Start in den Tag gehe ich gerne mit Freunden brunchen. Den Nachmittag verbringe ich dann mit Lesen – im Moment „The hard things about hard things“ von Ben Horowitz. Zum Ausklang des Tages höre ich mir gerne live Musik in Ost-London an.

Mit wem würden Sie sich gerne einmal auf einen Kaffee oder ein Bier verabreden?
Dame Stephanie Shirley. Sie baute eine Softwarefirma auf, in der sie vor allem bislang nichtberufstätige Mütter einstellte. Mit ihrem Team programmierte sie die Blackbox für die Concord, musste sich jedoch selbst Steve nennen, da ihr als Frau niemand auf ihre Nachrichten geantwortet hätte. Als eine Frau in der Technologiebranche ist sie für mich eine große Inspiration.

Im Fokus: Weitere Fragebögen in unserem großen Themenschwerpunkt 15 Fragen an

Zur Person:
Marta Krupinska gründete 2012 gemeinsam mit Michael Kent den digitalen Geldtransfer-Anbieter Azimo. Das Londoner Unternehmen ermöglicht es Geld per App in über 190 Länder weltweit zu versenden. Krupinska steht auf der Forbes-Liste „30under30“ und gilt damit als eine der 30 wichtigsten Personen der Finanzbranche im Alter unter 30 Jahren in ganz Europa.

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Christina Cassala

Christina Cassala, Redakteurin bei deutsche-startups.de, war schon zu ihren besten Uni- Zeiten in den 90er Jahren journalistisch tätig. Gleich nach dem Volontariat arbeitete sie bei einem Branchenfachverlag in Hamburg, ehe sie 2007 zu deutsche-startups.de stieß und seither die Entwicklungen der Start-up Szene in Deutschland mit großer Neugierde beobachtet.