Adrian Runte über das Aus von Reposito

“Meine gesamte Lebensplanung endete mit dem Gespräch”

Es hätte etwas Großes daraus werden können: Die Downloadzahlen von Reposito waren vielversprechend, Investoren glaubten an das Konzept. Am Ende musste Adrian Runte seinen Dienst dennoch dicht machen. Im Gründerporträt spricht er über die Gründe und wie er mit dem Scheitern umgegangen ist.
“Meine gesamte Lebensplanung endete mit dem Gespräch”
Mittwoch, 17. Dezember 2014VonYvonne Ortmann

Der Dienst Reposito, eine App zum Scannen von Kassenzetteln, ist Runtes vierte Gründung. Davor: IT-Consulting als 15-Jähriger, technischer Aufbau des sozialen Nischennetzwerkes nextpractice, technischer Kopf der Fotoproduktionsfirma Kubikfoto. Alles Gründungen, die Runte vor oder während seines IT-Studiums in Karlsruhe mit aufgebaut hat. Dann kam Reposito. „Mir war von Anfang an klar: Das wird das Start-up mit dem höchsten Risiko, aber auch mit dem höchsten Potential.“

Die Idee zu der Anwendung, mit der Nutzer Kassenzettel digitalisieren und für die gesetzliche Gewährleistung oder Garantien aufbewahren können, kommt Runte an der Uni während eines Ideenfindungs-Workshops. Mit seinem Studienkollegen Philipp Hartmann hat er schnell einen Mitgründer gefunden. Ab da geht alles rasant: Die Idee steht im Spätsommer 2010, ein halbes Jahr später stecken Kizoo und der Business Angel Joachim Bernecker bereits eine sechsstellige Summe in das Start-up. Ein Jahr später investieren auch Hoepfner Bräu und der European Angel Fund Geld in das Unternehmen. Für Runte wird die Gründung schnell zum Fulltimejob, er hat den technischen Part inne.

„An den Download- und Nutzerzahlen lag es nicht“

Trotzdem muss Runte im August 2014 die Pforten schließen. Viele sind überrascht und fragen nach den Gründen, Runte bemüht sich um Antworten: „An den Metriken, Download- oder Nutzerzahlen lag es jedenfalls nicht“, erklärt er. Sondern daran, dass verschiedene Ideen zur Refinanzierung einfach nicht funktioniert hätten. Die erste Idee, um mit Reposito Geld zu verdienen, bestand darin, kostenpflichtige Garantie- und Versicherungsverlängerungen anzubieten. Doch es habe sich gezeigt, dass gerade mal 20 % der eingescannten Produkte versicherbar seien. Der Rest: unpassende Produktgruppen, zu geringpreisig. Hinzu kam, dass viele Kunden ihre Produkte manuell eingaben und nicht per QR-Code einscannten, so konnten sie nicht ausgelesen werden. Dinge, die sie im Vorfeld zu wenig bedacht hätten, räumt Runte ein.

Danach versuchte es das Team mit einer Flatrate-Versicherung für alle Produkte – „diese wurde von den Nutzern aber nicht angenommen, das ganze Thema war zu komplex.“ Am vielversprechendsten sei das dritte Modell gewesen, glaubt Runte. Von Anfang an hätten sie darauf hingearbeitet, Reposito dem Handel als Kundenbindungslösung zu präsentieren und personalisierte Werbung zu ermöglichen. Aber: „Damit das System funktioniert, hätten uns die Händler ihre Daten aus den Kaufprozessen zukommen lassen müssen. Davor schreckten sie zurück.“

Nach einer geplatzten Telko ist Schluss

Diese letzte Phase, als Reposito mit verschiedenen großen Händlern im Gespräch ist, wird für Runte die nervenaufreibendste. Er lebt mit dem Gefühl, dass die Zeit ihm davon läuft. Aber auch die Hoffnung ist noch da, dass die Händler sich überzeugen lassen und am Ende alles gut wird. „Vertrieblich lief es gut, wir haben mit allen Händlern gesprochen, mit denen wir sprechen wollten, und sie haben die Idee sofort verstanden und begrüßt. Doch am Ende überwog bei allen die Sorge um ihre Daten über das Potential, das Reposito ihnen bieten konnte.“

Auf drei große Händler hatte sich Runte eingeschossen. Als zwei schon abgesagt haben und der dritte eine geplante Telefonkonferenz platzen lässt, ist der Moment gekommen. Runte weiß: Jetzt ist Schluss. Die Unsicherheit muss ein Ende haben. „Am Ende hing alles an diesem einen Händler. Meine gesamte Lebensplanung endete Ende des Monats, in dem wir die Gespräche führten.“ Als der Händler zum vereinbarten Termin nicht anruft, geht Runte zwei Stunden später nach Hause. Am nächsten Tag macht er die Unterlagen zur Abwicklung seines Start-ups fertig. „Dann habe ich die Investoren informiert – und nach dem Wochenende nicht mehr gearbeitet.“

Traurig und enttäuscht sei er nicht gewesen, erzählt Runte. Eher erleichtert. Die Zeit der Unsicherheit sei immer das schlimmste, nicht der Tag der Entscheidung. Auch die Investoren hätten ihm keine Vorhaltungen gemacht, einer sagte sogar: „Nach dieser Geschichte bist du als Geschäftsführer reifer geworden!“ Es klang wie „Herzlichen Glückwunsch“.

„Investoren haben Distanz zur Sache, das ist wertvoll“

Tatsächlich schaut Runte ohne Bitterkeit oder Wehmut auf die vier Jahre mit Reposito zurück. Seine Einstellung ist so, wie man sie als Gründer wohl haben muss: konsequent positiv. Unabhängig davon, ob etwas klappt oder nicht. Persönlich hat er so viel für sich mitgenommen, dass er die Zeit nicht als vergeudet ansehen möchte. „Die größte Herausforderung war für mich, als ich zwischendrin von meiner gewohnten IT-Rolle in die kaufmännische Rolle wechselte, damit es mit Reposito weitergehen kann.“ Für Runte ein Sprung ins kalte Wasser, „sehenden Auges zwar, aber das Wasser ist natürlich trotzdem kalt, ich musste mich durchkämpfen“. Heute weiß er, dass er auch diesen Part kann.

Adrian Runte_2Den nötigen Abstand zu seinem Gründungs-Baby zu wahren, hat Runte bei seinen vorherigen Gründungen gelernt. Bei Kubikfoto sei er emotional noch sehr involviert gewesen, erzählt der Berliner. Als er das Team verließ, hat ihm das weh getan – „das habe ich bei Reposito besser hinbekommen.“ Heute ist er überzeugt, dass ein gewisser Abstand nicht nur bei grundsätzlichen Entscheidungen hilft, sondern auch bei den ganz alltäglichen. Ein Grund, warum er Investoren durchaus schätzt: „Sie haben nochmal mehr Distanz zur Sache und schauen kritisch auf das, was passiert. Das ist wertvoll.“

Eine weitere Lehre, die er aus seinen Gründungen gezogen hat und gerne weitergibt: Die Frage nach dem Team ist entscheidend. Runte vergleicht ein Gründungsteam mit einer Ehe. In beiden Beziehungen müsse man hart an sich arbeiten und Probleme, wenn sie auftreten, aktiv und mit vollem Einsatz beseitigen. „Wenn man das nicht selbst hinbekommt, muss man sich externe Berater holen.“

Vom Gründer zum Angestellten? Es geht!

Obwohl Gründen seit 15 Jahren zu Runtes Leben dazu gehört, ist er seit Kurzem – zum ersten Mal in seinem Leben – angestellt. Seine Oma sei entzückt gewesen, lacht er. Seine Entscheidung erklärt er unter anderem damit, dass er bei Reposito im Rahmen der vertrieblichen Arbeit viele Großunternehmen von außen gesehen hat und neugierig auf die Innensicht geworden ist. Die bekommt er nun bei Conrad in Berlin und ist rundum glücklich: „Ich habe einen Rahmen, in dem ich mich trotz Anstellung frei entfalten kann.“

Eigentlich fehlt dem Familienvater gerade nur noch eines zum Glück: Der Abschluss seines IT-Studiums. Runte ist seit über zehn Jahren in der Uni eingeschrieben, hat den Abschluss aber noch nicht in der Tasche. Immer stand das Gründen im Vordergrund. Aus beruflichen Gründen braucht er den Abschluss wohl nicht mehr, emotional schon: „Ich will diese Lebensphase abschließen. Ansonsten bleibt das Gefühl, dass etwas Wichtiges noch nicht zu Ende ist.“ Und Sachen zu Ende zu bringen ist für Runte wichtig.

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Yvonne Ortmann

Seit Mai 2009 schreibt Yvonne für deutsche-startups.de Gründerportraits, Start-up-Geschichten und mehr – ihre besondere Begeisterung gilt Geschäftsideen mit gesellschaftlich-sozialer Relevanz. Sie tummelt sich auch im Ausland – immer auf der Suche nach spannenden Gründerpersönlichkeiten und Geschäftsideen.